Warschau/Frankfurt am Main

Künftige Friedenspreisträgerin kritisiert Angela Merkel

Anne Applebaum im September 2024 in Kiev Foto: picture alliance / Photoshot

Die künftige Friedenspreisträgerin Anne Applebaum hat die Politik der früheren Bundesregierung unter Angela Merkel (CDU) kritisiert. Dass die damalige Bundeskanzlerin auch nach der ersten Invasion Russlands in die Ukraine im Jahr 2014 den Bau der Nord Stream 2-Pipeline fortsetzen ließ, habe Wladimir Putin das Signal gesendet: »Okay, der Westen redet zwar viel über Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, aber wir können trotzdem die Ukraine überfallen.«

»Zu der Zeit immer noch nicht erkannt zu haben, was für ein Staat Russland ist, war ziemlich unverzeihlich«, sagte die Publizistin der Wochenzeitung »Die Zeit«.

Applebaum wird am 20. Oktober in der Frankfurter Paulskirche mit dem Friedenspreis ausgezeichnet. Sie wolle ihre dortige Rede dazu nutzen, um über die Bedeutung von Frieden zu reden: »Wie stellen wir ihn her? Wann wissen wir, dass wir ihn haben? Und: Ist Frieden das Gleiche wie Pazifismus?« und »Braucht es, um Frieden zu sichern, nicht auch eine gewisse Wachsamkeit?«

Gefühl von Stabilität

Die polnisch-amerikanische Historikerin kritisiert in dem »Zeit«-Interview auch, dass die EU dabei versagt habe, ihren Bürgern ein Sicherheitsgefühl zu geben. »Viele Menschen, ob im ländlichen Deutschland, Polen oder Frankreich, haben den Eindruck, dass es die Welt, in der sie aufgewachsen sind, nicht mehr gibt. Und damit haben sie nicht unrecht. Umso wichtiger wäre es, den Leuten ein Gefühl von Stabilität zu geben. Genau darin haben die meisten Demokratien versagt.«

Applebaum zählt zu den wichtigsten Analytikern autokratischer Herrschaftssysteme und gilt als Expertin der osteuropäischen Geschichte. Sie wurde 1964 als Kind jüdischer Eltern in Washington D. C. geboren. Mit Unterbrechungen lebt sie seit Jahrzehnten in Polen. Sie ist mit dem polnischen Außenminister Radosław Sikorski verheiratet und Mutter von zwei Söhnen.

Mehrfach ausgezeichnet

Unter anderem verfasste sie Bücher wie »Der Gulag« (2003), »Der Eiserne Vorhang« (2012) oder »Die Verlockung des Autoritären« (2021). Mit ihren Werken, in denen sie den Mechanismen autoritärer Machtsicherung auf der Spur ist, erlangte sie viel Aufmerksamkeit. Bereits 2004 wurde sie mit dem renommierten Pulitzer-Preis geehrt. Zuletzt erhielt sie auch den Carl-von-Ossietzky-Preis 2024 der Stadt Oldenburg.

Der Friedenspreis wird traditionell zum Abschluss der Frankfurter Buchmesse verliehen. Im vergangenen Jahr wurde der britisch-indische Schriftsteller Salman Rushdie ausgezeichnet. dpa

Glosse

Auf, auf zum bewaffneten Kampf!

Eine deutsche Komikerin wechselte am Wochenende wieder einmal das Genre. Enissa Amani versuchte allen Ernstes, rund 150 Berlinern zu erklären, dass Nelson Mandela das Vorgehen der Hamas gegen Israel gutgeheißen hätte

von Michael Thaidigsmann  20.11.2025 Aktualisiert

Berlin

Messerangriff am Holocaust-Mahnmal: Prozess beginnt

Ein 19-jährigen Syrer soll dort im Februar einem spanischen Touristen lebensgefährlich verletzt haben. Aufgrund einer sofortigen Notoperation überlebte das Opfer

 20.11.2025

Washington D.C.

Trump unterschreibt Gesetz zur Freigabe von Epstein-Akten

Der Druck auf den US-Präsidenten wurde zu groß - nun hat er die Veröffentlichung von Akten zu einem Fall genehmigt, den er nicht loswurde. Was das bedeutet

von Anna Ringle, Franziska Spiecker, Khang Mischke, Luzia Geier  20.11.2025

Russischer Eroberungskrieg

Neuer US-Friedensplan: Ukraine unter Druck

Die USA haben Sanktionen gegen Russland verhängt, doch hinter den Kulissen scheint weiter verhandelt worden zu sein. Kiew trifft dies zu einem doppelt ungünstigen Zeitpunkt

 20.11.2025

Nazivergangenheit

Keine Ehrenmedaille für Rühmann und Riefenstahl

»NS-belastet« oder »NS-konform« – das trifft laut einer Studie auf 14 Persönlichkeiten der Filmbranche zu. Ihnen wird rückwirkend eine Auszeichnung aberkannt, die die Spitzenorganisation der Filmwirtschaft (SPIO) zukünftig nicht mehr vergeben will

von Niklas Hesselmann  20.11.2025

Essay

All die potenziellen Schüsse

In diesem Herbst liest man fast täglich von vereitelten Anschlägen auf Juden. Was die ständige Bedrohung mit uns macht

von Mascha Malburg  20.11.2025

Stuttgart

Polizei plant Großeinsatz bei Maccabi-Spiel

Vor den Europa-League-Auftritten gegen Maccabi Tel Aviv sind der VfB Stuttgart und der SC Freiburg alarmiert. Ein Fan-Ausschluss wie zuletzt in Birmingham ist momentan nicht geplant

 19.11.2025

Kommentar

Danke, Berlin!

Die Entscheidung der Behörden, einem Hamas-Fanboy die Staatsbürgerschaft zu entziehen, sendet ein unmissverständliches und notwendiges Signal an alle Israelhasser. Mit Mahnwachen allein können wir die Demokratie nicht verteidigen

von Imanuel Marcus  19.11.2025

München

LMU sagt Veranstaltung zu palästinensischer Wissenschaft ab

Die Universität verwies in ihrer Stellungnahme darauf, dass es erhebliche Zweifel gegeben habe, »ob es sich um eine wissenschaftliche Veranstaltung auf dem erforderlichen Niveau gehandelt hätte«

 19.11.2025