Seelsorge

Koscher hinter Gittern

Häuser, eine Kirche, abgetrennte Kleingärten. Ein Klinkerbau, eher elegant aussehhend. Eigentlich erinnert wenig an ein Gefängnis, wären da nicht die mit Stacheldraht gesicherten Mauern und die Häftlinge, die sich nur in abgetrennten Bereichen frei bewegen dürfen. Sie spielen Basketball, Tischtennis oder Schach. Mittendrin Rabbiner Schmuel Segal. Mit einer großen Kiste voller koscherer Lebensmittel läuft er über das Gelände. Sie ist schwer, so schwer, dass er sie immer wieder absetzen muss.

chabad Segal ist auf dem Weg zu vier russischsprachigen jüdischen Gefangenen, die er einmal im Monat besucht. Drei sind etwa um die 30, einer knapp 60. Zwei von ihnen tragen eine Kippa. Sie freuen sich, als der Rabbiner sie wie alte Freunde begrüßt. Es geht in einen kleinen Gesprächsraum. Die Wände sind türkis gestrichen. In der Mitte steht ein Tisch. Alt, zerkratzt, umstellt von Stühlen, auf denen der Lack längst vom Holz weggesessen wurde. Begleitet vom Knarzen der Stühle wird das Mitgebrachte verteilt: koscher Thunfisch, Mehl, Schokolade, Traubensaft.

Schmuel Segal ist Schaliach von Chabad Lubawitsch, mit Hauptsitz in New York. Er kam nach Deutschland, um »Liebe, Offenheit und Religion in die Welt zu tragen«, wie er sagt. Diese Liebe und Offenheit strahlt er im Umgang mit den Häftlingen tatsächlich aus. Segal lacht, er betet, erzählt chassidische Geschichten: »Ich schaue nur auf den Menschen, nicht auf ihre Strafen. Es ist wichtig, dass die Häftlinge jemanden zum Reden haben.« Manche der Gefangenen kennt er er schon seit sieben Jahren, so lange, wie er in Berlin mit seiner Frau und den sechs Kindern lebt.

Der 34-Jährige ist in Israel geboren und aufgewachsen. Bereits sein Vater war Rabbiner. Nach Deutschland zu kommen, gibt er zu, war ein schwieriger Schritt. Viele Angehörige mütterlicherseits kamen in der Schoa um. »Ich hatte große Bedenken, auch wegen meiner Kinder. Aber meine Frau hat mich dazu ermutigt, und mein Opa hätte es sicher auch gewollt. Wo die größte Dunkelheit ist, da gibt es auch am meisten Licht.«

beistand Für die Gefangenen ist der Besuch des Rabbiners ein Segen. Sie vertrauen ihm. »Na klar ist das wichtig für uns, das ist doch spiritueller Beistand«, sagt einer. Sei es Segals bemerkenswerte Gabe, den Mensch als Menschen zu akzeptieren und Fehler zu verzeihen, oder die Religion, die ihm Kraft gibt, seine Aufgabe zu erfüllen: Er hilft den Gefangenen, ihr Leben im Knast ein Stück erträglicher zu machen.

Die Sonne senkt sich langsam, der Raum taucht in ein düsteres Licht. Der älteste der Häftlinge meldet sich zu Wort. »In zwei Monaten komme ich raus.« Die anderen freuen sich für ihn und lächeln. Nur einer guckt düster drein. »Warum schaust du so negativ?«, fragt Segal. »Bei mir ist alles negativ,« grummelt der Mann zurück. Der Rabbi legt den Arm um ihn. »Komm, lass uns mal reden.« Sie gehen in eine Ecke.

Das Gespräch unter vier Augen sei ihm sehr wichtig, sagt Segal später. Und für den Häftling bedeute es ein Stück Geborgenheit zwischen den hohen Mauern. Die anderen erzählen derweil aus ihrem Alltag im Gefängnis. »Wir können hier arbeiten und etwas Geld verdienen.« Ein Teil des Lohns wird zurückgelegt, soll später als Überbrückungsgeld für das Leben nach dem Knast dienen. Die JVA Tegel bietet zudem Ausbildungsplätze und die Möglichkeit an, Schulabschlüsse nachzuholen.

Nach dem Gebet müssen die Gefangenen zurück in ihre Zellen. Der Rabbiner verabschiedet sich mit herzlicher Umarmung und einem ermutigenden Lächeln von ihnen. Sie drehen sich um. Man hört ein letztes »Bis zum nächsten Mal«, dann schließt sich die Tür. Der Sozialarbeiter holt einen großen rostigen Schlüssel aus seiner Tasche. Er steckt ihn in das alte Schloss und verriegelt das Haus.

Australien

Mann solidarisiert sich mit Sydney-Attentätern – Festnahme

Bei dem Verdächtigen wurden Einkaufslisten für den Bau einer Bombe und Munition gefunden. Es erging bereits Anklage

 24.12.2025

Washington

US-Regierung nimmt deutsche Organisation HateAid ins Visier

Die beiden Leiterinnen wurden wegen angeblicher Zensur amerikanischer Online-Plattformen mit Einreiseverboten belegt. Die Bundesregierung protestiert

 24.12.2025

Großbritannien

Israelfeindlicher Protest: Greta Thunberg festgenommen

In London treffen sich Mitglieder der verbotenen Gruppe Palestine Action zu einer Protestaktion. Auch die schwedische Aktivistin ist dabei. Die Polizei schreitet ein

 23.12.2025

Stockholm

Was bleibt von den Mahnungen der Überlebenden?

Der Schoa-Überlebende Leon Weintraub warnt vor der AfD und Fanatismus weltweit. Was für eine Zukunft hat die deutsche Erinnerungskultur?

von Michael Brandt  23.12.2025

Israel

Netanjahu warnt Türkei

Israel will die Zusammenarbeit mit Griechenland und Zypern stärken. Gleichzeitig richtet der Premier scharfe Worte an Ankara

 23.12.2025

New York

Mitglieder von Mamdanis Team haben Verbindungen zu »antizionistischen« Gruppen

Laut ADL haben mehr als 80 Nominierte entsprechende Kontakte oder eine dokumentierte Vorgeschichte mit israelfeindlichen Äußerungen

 23.12.2025

Düsseldorf

Reul: Bei einer Zusammenarbeit mit der AfD wäre ich weg aus der CDU

Die CDU hat jede koalitionsähnliche Zusammenarbeit mit der AfD strikt ausgeschlossen. Sollte sich daran jemals etwas ändern, will Nordrhein-Westfalens Innenminister persönliche Konsequenzen ziehen

 23.12.2025

Interview

»Diskrepanzen zwischen warmen Worten und konkreten Maßnahmen«

Nach dem Massaker von Sydney fragen sich nicht nur viele Juden: Wie kann es sein, dass es immer wieder zu Anschlägen kommt? Auch der Beauftragte der Bundesregierung gegen Antisemitismus, Felix Klein, sieht Defizite

von Leticia Witte  22.12.2025

Washington D.C.

Kritik an fehlenden Epstein-Dateien: Minister erklärt sich

Am Freitag begann das US-Justizministerium mit der Veröffentlichung von Epstein-Akten. Keine 24 Stunden später fehlen plötzlich mehrere Dateien - angeblich aus einem bestimmten Grund

von Khang Mischke  22.12.2025