Italien

Königsenkel entschuldigt sich für Mussolinis »Rassengesetze«

König Vittorio Emanuele (hier im Mai 1938 bei einem Staatsbesuch Hitlers in Rom) saß von 1900 bis 1946 auf dem Thron. Foto: imago/Leemage

Emanuele Filiberto von Savoyen, ein Urenkel des italienischen Königs Vittorio Emanuele III. (deutscher Name: Viktor Emanuel III.), der in der Zeit des Faschismus auf dem Thron saß, hat sich in einem Brief an die Jüdische Gemeinschaft Italiens für dessen Unterschrift unter antisemitische Gesetze des Diktators Benito Mussolini entschuldigt.

»Ich verurteile die Rassengesetze von 1938, deren Last ich bis heute auf meinen Schultern spüre, und mit mir das ganze Königshaus«, erklärte der 48-jährige Emanuele Filiberto in dem Schreiben, das er auf seiner Facebook-Seite veröffentlichte.

VERORDNUNGEN Sein Urgroßvater habe seine Unterschrift unter ein »inakzeptables Dokument« gesetzt, für das er im Namen seiner Familie um Verzeihung bitte, schrieb Emanuele Filiberto.

Die »Leggi razziali« waren eine Reihe von staatlichen Verordnungen, mit denen das faschistische Regime von 1938 bis Kriegsende seine Vorstellungen von der angeblich »reinen italienischen Rasse« durchsetzen wollte. Darunter fielen Maßnahmen zur »Verteidigung der Rasse in der Schule«, zur »Ausweisung ›ausländischer Juden‹« und dem Entzug der nach dem 1. Januar 1919 erworbenen Staatsbürgerschaft, zur »Bildung eines Rassengerichts, zur Entlassung jüdischer Offiziere aus dem Militärdienst sowie zur Entfernung aller jüdischen Professoren, Lehrer, Schüler und Studenten von staatlichen Schulen und Universitäten.

In einem TV-Interview, das er fast zeitgleich mit der Veröffentlichung des Briefes gab, hob Emanuele Filiberto aber auch das seines Erachtens positive Wirken seiner Vorfahren bei der italienischen Einigung und der Gewährung gleicher Rechte für Juden Mitte des 19. Jahrhunderts hervor. Mehrere Mitglieder der italienischen Königsfamilie seien selbst in Konzentrationslager deportiert worden, sagte er.

REAKTION Der Dachverband der italienischen jüdischen Gemeinden UCEI reagierte zurückhaltend auf das Schreiben des Adligen. 82 Jahre seien »eine sehr lange Zeit«.  Man könne auch nicht »Verzeihung im Namen aller Juden gewähren, die diskriminiert, denunziert, deportiert und ausgerottet wurden«.

https://twitter.com/MarcoCSermoneta/status/1353077446451617792

Man nehme »die Worte der Betroffenheit und der Reue, die in den letzten Stunden in den Medien geäußert wurden, im Hinblick auf den 27. Januar zur Kenntnis und werden in den kommenden Monaten und Jahren sehen, welche konkreten Taten ihnen nun folgen«, so die UCEI.

Die moralische Verurteilung des Regimes und seiner Taten - die Emanuele Filiberto heute zum ersten Mal verbal zum Ausdruck bringt – sei für Tausende von Juden, Partisanenkämpfern und Antifaschisten »Banner und Leitfaden für den Überlebenskampf« gewesen, erklärte der Dachverband. »Im Gedenken an sie alle, an die sechs Millionen in den Konzentrationslagern vernichteten Juden, an die italienischen Militärinternierten, an die politisch Verfolgten, an die Roma und Sinti, an die Behinderten und Homosexuellen, muss jede Form von Nostalgie gegenüber diesem Regime streng bekämpft und gebremst werden«.

ABDANKUNG Fast 8000 italienische Juden wurden in die NS-Todeslager deportiert und dort ermordet, die meisten von ihnen in Auschwitz-Birkenau. Nach dem Ende des Mussolini-Regimes 1943 und der Befreiung Italiens durch die Alliierten dankte Vittorio Emanuele III. im Mai 1946 als König ab. Er starb ein Jahr später im ägyptischen Exil. Sein Sohn Umberto II. regierte nur einen Monat lang, bevor die italienische Monarchie in einem Referendum zugunsten einer Republik abgeschafft wurde.

Im Jahr 2002 beendete das Parlament das in der Verfassung verankerte Verbot der Rückkehr der männlichen Erben des Hauses Savoyen nach Italien, nachdem Emanuele Filiberto und sein Vater Vittorio Emanuele der Republik die Treue geschworen hatten. mth

Meinung

Die Kluft zwischen Juden und Nichtjuden wird offensichtlich

Es lebt sich grundsätzlich anders mit dem Wissen, dass ein Regime, das den eigenen Tod zur Staatsdoktrin erhoben hat, sich in aller Ruhe daran macht, dieses Ziel zu erreichen. Wer sich nicht bedroht fühlt, kann dagegen gelassen auf Verhandlungen setzen, für deren Scheitern andere den Preis zahlen müssen.

von Esther Schapira  22.06.2025

Extremismus

Karin Prien stellt »Demokratie Leben« auf den Prüfstand

Fließen Fördergelder des Bundes auch an Akteure, die mit Antisemitismus in Verbindung stehen könnten? Das legen Recherchen der »Welt am Sonntag« nahe. Die Familienministerin verspricht eine Prüfung.

 22.06.2025

Krieg gegen Iran

USA warfen 14 bunkerbrechende Bomben auf Atomanlagen ab

US-Verteidigungsminister Pete Hegseth informierte bei einer Pressekonferenz über die Angriffe

 22.06.2025 Aktualisiert

Diplomatie

Europäer nach US-Angriff auf Iran düpiert

Noch am Freitag hatten die Außenminister Frankreichs, Großbritanniens, Deutschlands und der EU versucht, Iran mit diplomatischen Mitteln vom Atomprogramm abzubringen

von Jörg Blank  22.06.2025

Schoa-Gedenken

Zentralrat setzt auf digitale Erinnerung

Es gibt immer weniger Zeitzeugen der Nazi-Verbrechen. Darum wird an neuen Formen des Erinnerns gearbeitet. Der Zentralrat der Juden befürwortet Digitales wie Computerspiele - aber nicht auf Kosten der Würde der Opfer

von Leticia Witte  22.06.2025

Krieg gegen Iran

Angela Merkel: Israel muss sich wehren können

Die Altkanzlerin hat auch eine Meinung zum Nahost-Konflikt. Das Recht Israels, sich gegen eine Auslöschung zur Wehr zu setzen, steht für sie außer Frage

 22.06.2025

Nahost

Setzen die Angriffe auf die iranischen Atomanlagen radioaktive Strahlung frei?

Die internationale Atombehörde IAEA meldet sich mit einer ersten Einschätzung zu Wort

 22.06.2025

Judenhass

Entsetzen über antisemitische Gewalttat in Berlin

Ein alarmierter Beamter zog seine Schusswaffe, woraufhin der Kufiya-Träger sein Messer niederlegte

 22.06.2025

Rabbiner Pinchas Goldschmidt

Skandal in Sarajevo

Wenn europäische Rabbiner zur Zielscheibe eines Regierungsboykotts werden, ist das nicht mehr legitime Kritik an Israel. Es ist Hasspropaganda

von Rabbiner Pinchas Goldschmidt  21.06.2025