Sebnitz

»Keine Hakennasen«: Jobanzeige eines Dachdeckers sorgt für Empörung

Blick auf den Markt der Großen Kreissstadt im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge. Foto: picture alliance/dpa

Die Anzeige in der aktuellen Ausgabe des Sebnitzer Amtsblatts fängt harmlos an: Ein Dachdeckerbetrieb, der dieses Jahr sein 30. Jubiläum feiert, schaltet eine Werbung für sein Unternehmen und wirbt für Ausbildungsplätze für 2026. Gleich darunter listet der Unternehmer jedoch rassistische Stereotypen auf, für wen die Stellen nicht gedacht sind: »ABER: keine Hakennasen, Bimbos oder Zeppelträger.«

Der Journalist Arndt Ginzel machte den Fall am Mittwochabend als erster in einem Beitrag auf X öffentlich.

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Sozialen Netzwerken ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Sozialen Netzwerken angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

Die Stadtverwaltung von Sebnitz reagierte umgehend auf das Inserat und ergriff sofortige Maßnahmen, indem sie Strafantrag gegen den Verfasser der Anzeige sowie gegen den Verlag des Amtsblattes erstattet hat. In einem Facebook-Post erklärte die Stadtverwaltung denn auch, dass man sich von den »verwendeten Ausdrücken sowie dem menschenverachtenden Gedankengut« distanziere. Die Anzeigen liegen würden jedoch in der Verantwortung des Verlages liegen, der Stadtverwaltung seien diese erst nach der Veröffentlichung des Amtsblattes bekannt geworden.

Der Fall soll nun intern aufgeklärt werden. Auf der Seite der Stadtverwaltung ist die aktuelle Ausgabe des Amtsblatts nicht abrufbar. Auf Anfragen verschiedener Medien zu der Werbeanzeige hat der Dachdecker bisher nicht reagiert.

Auch das Tikvah Institut in Berlin hat Strafanzeige gegen den Dachdecker gestellt. Die NGO, die vom ehemaligen Bundestagsabgeordneten Volker Beck (Grüne) geleitet wird, habe sich zudem an »die Gewerbeaufsicht, IHK und Handwerkskammer gewandt«, hieß es in einem Beitrag auf X.

Volker Beck bestätigte der Jüdischen Allgemeinen, dass sich die zuständige Handwerkskammer bei ihm zurückgemeldet habe. »Die Handwerkskammer Dresden stellt klar, dass sie sich von Rassismus distanziert und die Vielfalt im Handwerk betont«, so Beck. Die Kammer habe vergeblich versucht, den betreffenden Dachdecker zu kontaktieren.

Beck weiter: »Die Kammer wird das Unternehmen zur Eignung als Ausbildungsbetrieb anhören und die rechtlichen Möglichkeiten prüfen.« Der Geschäftsführer des Tikvah Instituts lobte die schnelle Reaktion der Handwerkskammer.

Kirchen reagieren entsetzt auf die rassistische Anzeige

Sachsens Kirchen haben auf die rassistische Anzeige mit großer Empörung reagiert. »Als katholische Kirche der Region sind wir erschüttert, mit welcher Dreistigkeit hier rassistisches und antisemitisches Vokabular genutzt, verbreitet und das dahinterstehende Gedankengut zur Schau gestellt wird«, erklärte der Sprecher des Bistums Dresden-Meißen, Michael Baudisch, am Donnerstag auf Anfrage der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).

Die leitende evangelische Geistliche im Kirchenbezirk Pirna, Superintendentin Brigitte Lammert, sagte auf Anfrage: »In welche Richtung soll sich unsere Gesellschaft entwickeln, wenn beschämende, provozierende, dreiste und menschenverachtende Äußerungen in privaten Anzeigen im Amtsblatt geäußert werden dürfen.«

Lokale Politiker distanzieren sich von der Anzeige

Mittlerweile haben sich die politischen Vertreterinnen und Vertreter der sächsischen Stadt in der Sache zu Wort gemeldet. Wie aus einem offiziellen Statement, das ebenso auf Facebook publiziert wurde, zu lesen ist, distanzieren sich auch die Politiker »ausdrücklich und entschieden von den in der privaten Anzeige verwendeten Ausdrücken sowie dem menschenverachtenden Gedankengut, das ihr zugrunde liegt. Volksverhetzung, Antisemitismus und Ausländerfeindlichkeit haben bei uns keinen Platz und werden in jeder Form abgelehnt«.

Grundwerte wie Freiheit, Toleranz und Achtung der Menschenwürde seien nicht verhandelbar. »Wir bekennen uns zu einem demokratischen, wertschätzenden und zivilisierten Umgang miteinander, der auf gegenseitiger Akzeptanz beruht. Wir stehen gemeinschaftlich zu unseren gesellschaftlichen Werten und lehnen jegliche Form von Extremismus, Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit ab.« Unterschrieben wurde das Schreiben vom Oberbürgermeister, dem Stadtrat der Großen Kreisstadt Sebnitz mit den Fraktionen der AfD, CDU, BSW, Zukunft Sebnitz, Mitsprache Stadt und Land, Wir für Hier, Bündnis 90/Die Grünen, den Ortsvorstehern sowie der Gleichstellungsbeauftragten.

Der Bürgermeister von Sebnitz, Ronald Kretzschmar, sagte dem MDR, die Anzeige sei beschämend und untragbar. Er habe Strafanzeige gegen den Dachdecker gestellt, ebenso gegen den Verlag, der für die Anzeigen im Amtsblatt zuständig sei. Die Stadtverwaltung sehe diese nicht vor Erscheinen. »Volksverhetzung, Antisemitismus und Ausländerfeindlichkeit haben bei uns keinen Platz und werden in jeder Form abgelehnt«, schreibt die Stadt in einer Stellungnahme.

Der Verlag seinerseits distanzierte sich auf MDR-Anfrage von der Veröffentlichung der Anzeige und sprach von einem »schwerwiegender Fehler, für den wir aufrichtig um Entschuldigung bitten. Wir bedauern zutiefst, dass er geschehen ist.« Inzwischen hat die Stadt eine neue Version des Amtsblatts auf ihre Homepage gestellt - ohne die entsprechende Seite.

Sebnitz hat knapp 10.000 Einwohner und gehört zum Landkreis Sächsische Schweiz-Ostergebirge. Bei der Kommunalwahl im vergangenen Jahr wurde die AfD mit 32 Prozent stärkste Kraft in dem Ort. ja/kna

Berlin

Friedrich Merz besucht Israel

Als Kanzler ist es sein erster Aufenthalt im jüdischen Staat. Die Beziehungen hatten zuletzt unter Druck gestanden

 25.11.2025

TV-Tipp

Ein äußerst untypischer Oligarch: Arte-Doku zeigt Lebensweg des Telegram-Gründers Pawel Durow

Der Dokumentarfilm »Telegram - Das dunkle Imperium von Pawel Durow« erzählt auf Arte und in der ARD-Mediathek die Geschichte der schwer fassbaren Messengerdienst-Plattform-Mischung und ihres Gründers Pawel Durow

von Christian Bartels  25.11.2025

Israel

Antisemitismus-Beauftragter wirft Sophie von der Tann Verharmlosung der Hamas-Massaker vor

Die ARD-Journalistin soll in einem Hintergrundgespräch gesagt haben, dass die Massaker vom 7. Oktober eine »Vorgeschichte« habe, die bis zum Zerfall des Osmanischen Reiches zurückreiche

 25.11.2025

Interview

»Weder die Verwaltung noch die Politik stehen an meiner Seite«

Stefan Hensel hat seinen Rücktritt als Antisemitismusbeauftragter Hamburgs angekündigt. Ein Gespräch über die Folgen des 7. Oktober, den Kampf gegen Windmühlen und kleine Gesten der Solidarität

von Joshua Schultheis  25.11.2025

Ramallah

Nach Hammer-Angriff auf Israeli - mutmaßlicher Täter getötet

Vor mehr als einem Jahr kam ein israelischer Wachmann im Westjordanland bei einem Angriff ums Leben. Seitdem haben israelische Sicherheitskräfte nach dem flüchtigen Täter gesucht

 25.11.2025

Orange Day

Palina Rojinski spricht über Gewalt in früherer Beziehung

Wie viele Frauen hat auch die Moderatorin einst in einer Beziehung Gewalt durch ihren Partner erfahren. Darüber spricht sie nun auf Instagram. Sie will anderen Mut machen, sich Hilfe zu holen

 25.11.2025

Entscheidung

Berlin benennt Platz nach Margot Friedländer

Jahrzehntelang engagierte sich die Holocaust-Überlebende Margot Friedländer für Aussöhnung. Nun erfährt die Berlinerin nach ihrem Tod eine besondere Ehrung

 25.11.2025

Hanau

Rabbiner antisemitisch beleidigt

Für die Gemeinde ist die Pöbel-Attacke kein Einzelfall

 25.11.2025

Berlin

RIAS: Polizei erfasst antisemitische Taten lückenhaft

Der Bundesverband sagt, es gebe strukturelle Probleme, Unsicherheiten im Umgang mit Betroffenen und ein insgesamt unzureichendes Bild antisemitischer Hasskriminalität in den offiziellen Statistiken

 25.11.2025