Bundesverfassungsgericht

Karlsruhe verhandelt ohne NPD zu Ausschluss von Parteienfinanzierung

Foto: picture alliance / dpa

 Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung haben vor dem Bundesverfassungsgericht dafür geworben, die NPD wegen ihrer Verfassungsfeindlichkeit von der staatlichen Parteienfinanzierung auszuschließen. Zum ersten Mal befasste sich das höchste deutsche Gericht am Dienstag mit dieser Möglichkeit, die nach dem zweiten erfolglosen NPD-Verbotsverfahren 2017 geschaffen worden war.

Die Partei, die sich im Juni in Heimat umbenannt hat, blieb der Verhandlung in Karlsruhe fern. Sie erwarte kein faires Verfahren, habe sie am Morgen per Fax mitgeteilt, sagte die Vorsitzende des Zweiten Senats, Doris König. Da keine Anwesenheitspflicht bestehe, werde nun so verhandelt. Dies sei ein einmaliger Fall. Einen Termin für die Urteilsverkündung gibt es noch nicht. (Az. 2 BvB 1/19)

Bundestagspräsidentin Bärbel Bas sagte vor Gericht, das Verfahren sei »staatspolitisch von großer Bedeutung«. Es sei der Bevölkerung noch nie zu erklären gewesen, dass Verfassungsfeinde mit Steuermitteln unterstützt würden. Ähnlich äußerten sich Bundesinnenministerin Nancy Faeser und Bundesratspräsident Peter Tschentscher (alle SPD).

Verfassungsschutz-Chef Thomas Haldenwang sagte, die Behörde habe zahlreiche Belege dafür vorgelegt, dass die Partei nach wie vor verfassungsfeindlich sei. Zwar würden keine nachrichtendienstlichen Mittel mehr in der Führungsebene eingesetzt. In allen Gremien, die entscheidungsbefugt seien, gebe es beispielsweise keine verdeckten Ermittler. Doch wisse der Verfassungsschutz genug über die Partei dank öffentlicher Auftritte und Äußerungen. Er »würde nicht von Blindheit sprechen, weil die Partei so hell strahlt«, so Haldenwang.

Seit 2017 habe sich an der Haltung der Partei nichts geändert, bestätigte Steffen Kailitz vom Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung als Experte. Sie lehne die gegenwärtige Demokratie grundsätzlich ab, mache aus ihrer Verfassungsfeindlichkeit auch keinen Hehl und vermisse schmerzlich die Volksgemeinschaft. Er sprach von einer Kleinstpartei, die sich im Zerfallsprozess befinde.

Politikwissenschaftler Christoph Kopke warnte davor, die Partei deswegen abzuschreiben. Er wisse zwar nicht, ob sie auferstehe. Aber: »Der Volksmund sagt, Totgeglaubte leben länger.« Christoph Möllers machte als Bevollmächtigter der Antragsteller deutlich, dass die Partei noch immer handlungsfähig sei, rund 3000 Mitglieder habe und auf ihrer Facebook-Seite mehr als 134 000 Follower. Auch Marcel Muth vom Bundesamt für Verfassungsschutz teilte Kailitz‹ These vom Zerfall nicht. Hingegen zeichne sich derzeit eher eine Trendwende ab.

Das Verfassungsgericht hatte ein Verbot der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) 2017 abgelehnt, weil es keine Anhaltspunkte sah, dass diese ihre verfassungsfeindlichen Ziele erfolgreich durchzusetzen vermag. Es stellte aber fest, dass die Partei »ein auf die Beseitigung der bestehenden freiheitlichen demokratischen Grundordnung gerichtetes politisches Konzept« vertrete. In dem damaligen Urteil heißt es zudem, der Gesetzgeber könne Möglichkeiten der Sanktionierung unterhalb der Schwelle des Parteiverbots schaffen.

Das geschah in den folgenden Monaten: mit einer Grundgesetzänderung und einem Gesetz zum Ausschluss verfassungsfeindlicher Parteien von der Parteienfinanzierung. Es folgte ein Antrag von Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung an das Verfassungsgericht, die NPD einschließlich möglicher Ersatzparteien für sechs Jahre von der Parteienfinanzierung auszuschließen. Entfallen sollen auch die steuerliche Begünstigung der Partei und der Zuwendungen Dritter.

Parteien können gemäß Parteiengesetz Geld vom Staat für ihre Arbeit bekommen. Die Summe wird nach einem bestimmten Schlüssel berechnet, wobei unter anderem Wählerstimmen eine Rolle spielen. Um berechtigt zu sein, müssen Parteien Mindestanteile bei den jeweils jüngsten Wahlen auf Landes-, Bundes- und europäischer Ebene erreichen.

Da das der NPD zuletzt nicht gelang, bekam sie nach jüngsten Zahlen des Bundestags 2021 kein Geld. Ein Jahr zuvor waren es rund 370 600 Euro - zugute kamen ihr damals 3,02 Prozent der Stimmen bei der Landtagswahl 2016 in Mecklenburg-Vorpommern. Zum Vergleich: Im Jahr 2016, als der Partei mehr Wahlerfolge gemäß den Vorgaben angerechnet wurden, standen ihr über 1,1 Millionen Euro zu. Zur Einordnung: Die höchste Summe mit fast 51 Millionen Euro bekam damals die SPD.

Aus Sicht der NPD verstößt die Neuregelung gegen das im Grundgesetz verankerte Prinzip der Chancengleichheit der Parteien als Kernelement des Demokratieprinzips. Sie halte die Änderung für verfassungswidrig und nichtig. Mit einem Antrag, genau das festzustellen, ist die Partei aber jüngst am Verfassungsgericht gescheitert.

Richterin König erklärte, die NPD habe auch auf Verfahrenshindernisse hingewiesen: So habe der nordrhein-westfälische Verfassungsschutz dortige Parteimitglieder kontaktiert, um an Informationen zu kommen.

Außerdem seien in einem Ermittlungsverfahren im Saarland technische Geräte des Parteivorsitzenden Frank Franz beschlagnahmt worden, trug König vor. Darauf sei Kommunikation über die Strategie gewesen, wie die Partei in dem Prozess vorgehen wolle. Bernd Weidig, der Leitende Oberstaatsanwalt aus Saarbrücken, erklärte, bei der Auswertung sei es nie um die NPD gegangen, und man habe dazu auch nichts ermittelt.

Die umbenannte Heimat-Partei teilte auf ihrer Internetseite mit, sie lasse sich nicht »zum Statisten einer Justiz-Simulation machen«. Die Verhandlung werde zu einem »Schauprozess verkommen«. Damit werde ein Exempel statuiert, das möglicherweise künftig die AfD betreffe.

Faeser und Tschentscher sprachen von einer Missachtung des Gerichts. Bas wertete das Fernbleiben als Versuch, das Verfahren zu verzögern. Doch im Grunde war das Gegenteil der Fall: Die Verhandlung endete eher als geplant. Ein zweiter dazu angesetzter Tag wurde gestrichen.

Meinung

Wenn Nächstenliebe zynisch wird

In einer Erklärung überzieht der Weltkirchenrat Israel mit Vorwürfen, erwähnt die Hamas aber mit keinem Wort. Eine Einseitigkeit, die zum Himmel schreit

von Tobias Kühn  gestern, 16:54 Uhr

Iran

Ajatollah Chamenei droht den USA für den Fall weiterer Angriffe

Nach rund einer Woche ohne Lebenszeichen von Irans Staatsoberhaupt meldet sich dieses nun zurück. Unklarheiten gibt es weiter über die Schäden an Irans Atomanlagen

 gestern, 16:21 Uhr

Interview

Nuklearforscher: »Das iranische Atomprogramm neu aufzubauen, würde Jahre dauern«

Georg Steinhauser über die israelischen und amerikanischen Schläge gegen Atomanlagen im Iran, die Eigenschaften von Uran-235 und mögliche Szenarien für die Zukunft

von Michael Thaidigsmann  gestern, 15:47 Uhr

Luftfahrt

Irans Luftraum bleibt weitgehend gesperrt

Seit Dienstag herrscht eine Waffenruhe zwischen Israel und dem Iran. Eine komplette Entwarnung für den Flugverkehr gibt es jedoch noch nicht

 gestern, 14:26 Uhr

Asyl

Protest gegen drohende Abschiebung von Hamza Howidy

Der Gazaner soll nach Griechenland zurückgeschickt werden, wo er erstmals Asyl beantragte. Er hat namhafte Unterstützer, die sich für seinen Verbleib in Deutschland einsetzen

von Imanuel Marcus  gestern, 09:37 Uhr

Balkan

Bosnien entschuldigt sich bei Rabbinerkonferenz

Über eine Tagung der Europäischen Rabbinerkonferenz in Sarajevo kam es zum judenfeindlichen Eklat. Mit der jetzt erfolgten Entschuldigung ist der Fall indes noch nicht bereinigt

 gestern, 09:30 Uhr

Korntal-Münchingen

Nach dem Hissen von Israel-Flaggen: Firma wird Opfer von mutmaßlicher Brandstiftung

Die Geschäftsführung will Solidarität mit dem jüdischen Staat zeigen. Nun ist sie mit einem erheblichen Feuerschaden konfrontiert

 gestern, 09:29 Uhr

Iran

Tod von Kommandeur der Revolutionsgarden bestätigt

Israel hatte General Ali Schadmani bereits vergangene Woche für tot erklärt. Nun wird auch aus Teheran sein Tod gemeldet

 gestern, 09:13 Uhr

Nahost

Pentagon und Militär äußern sich zu Angriff auf Atomanlage

Auch Tage nach den Luftangriffen ist das Ausmaß der Schäden noch unklar. Wurde das iranische Atomprogramm um Jahre oder nur Monate zurückgeworfen?

 gestern, 09:04 Uhr