Dritter Tag der Invasion

Kampf um Kiew

Von russischen Raketen getroffenes Wohnhaus in Kiew Foto: picture alliance/dpa/MAXPPP

Im Krieg Russlands gegen die Ukraine droht eine Ausweitung der Kampfhandlungen vor allem in Kiew. Der Kreml behauptete, die Ukraine habe am Samstag Friedensverhandlungen mit Russland abgelehnt. Daher werde der »Vormarsch der wichtigsten russischen Streitkräfte« wieder aufgenommen, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow der Agentur Interfax zufolge. Die ukrainische Führung dementierte.

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Sozialen Netzwerken ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Sozialen Netzwerken angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

»Ihre Kommentare, dass wir Verhandlungen abgesagt hätten, sind lediglich Teil ihrer Taktik«, sagte Präsidentenberater Mychajlo Podolak einer Mitteilung zufolge. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj rief seine Landsleute in Videobotschaften am Samstag zur Abwehr russischer Angriffe auf. Nach Angaben des Innenministers wurden 25.000 automatische Waffen sowie 10 Millionen Patronen an Einwohner Kiews ausgegeben. Das UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) teilte mit, dass weit mehr als 100.000 Menschen aus der Ukraine in Nachbarländer geflüchtet seien.

Der russische Präsident Wladimir Putin hatte am Donnerstagmorgen den Angriff auf die Ukraine begonnen. Bereits am Freitag drangen russische Truppen an den Rand der Hauptstadt Kiew vor, die auch aus der Luft beschossen wurde. In Kiew leben rund 2,8 Millionen Menschen.

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Sozialen Netzwerken ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Sozialen Netzwerken angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

Kämpfe gab es auch um Odessa, Mariupol und andere Städte im ganzen Land. Die Europäische Union und die USA wollen nicht militärisch in den Konflikt eingreifen. Sie verhängten aber scharfe Sanktionen, auch gegen Putin selbst. Ein Ausschluss Russlands aus dem Banken-Informationssystem Swift wurde bisher nicht beschlossen. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) gerät deshalb immer stärker unter Druck - mit seinem Nein steht er in der EU inzwischen weitgehend isoliert da. An diesem Sonntag gibt der Kanzler im Bundestag eine Regierungserklärung zum Ukraine-Krieg im Bundestag ab.

Selenskyj berichtete in einer Videobotschaft über andauernde Kämpfe in Kiew und anderen Landesteilen. Russische Truppen wollten das Stadtzentrum von Kiew einnehmen und »hier ihre Marionetten installieren«, warnte er. »Mehr als 100 000 Eindringlinge sind in unserem Land«, schrieb das Staatsoberhaupt am Samstag bei Twitter. »Sie schießen heimtückisch auf Wohngebäude.« Er appellierte an den UN-Sicherheitsrat, die Ukraine dringend politisch zu unterstützen. 

Der russische Ex-Präsident Dmitri Medwedew sagte, dass Russland trotz westlicher Sanktionen den Einmarsch in die Ukraine nicht abbrechen werde. »Die Militäroperation zum Schutz des Donbass wird vollständig und bis zum Erreichen aller Ergebnisse durchgeführt. Nicht mehr und nicht weniger«, schrieb der Vize-Vorsitzende des russischen Sicherheitsrats im sozialen Netzwerk Vkontakte. Diplomatische Beziehungen zum Westen seien »nicht besonders erforderlich«. Es sei an der Zeit, »die Botschaften mit Schlössern zu verschließen«. Nach der Suspendierung Russlands aus dem Europarat brachte er zudem die Wiedereinführung der Todesstrafe ins Spiel. 

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Sozialen Netzwerken ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Sozialen Netzwerken angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

Aus Kiew wurden Gefechte gemeldet, unter anderem um ein Heizkraftwerk und eine Kaserne der ukrainischen Streitkräfte. Bilder zeigten Treffer in einem Wohngebäude. Die ukrainischen Behörden warnten: »Auf den Straßen unserer Stadt laufen jetzt Kampfhandlungen. Wir bitten darum, Ruhe zu bewahren und maximal vorsichtig zu sein!« Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko betonte aber, die Hauptstadt sei weiter in ukrainischer Hand. 

Die ukrainische Armee forderte die Bevölkerung auf, den russischen Vormarsch mit allen Mitteln zu stoppen. »Fällt Bäume, baut Barrikaden, verbrennt Reifen! Nutzt alles, was Ihr zur Hand habt!«, zitierte die Agentur Unian aus einer Mitteilung. Auch der Bau sogenannter Molotow-Cocktails könne helfen. »Die Besatzer müssen verstehen, dass sie hier nicht erwünscht sind und dass ihnen in jeder Straße Widerstand geleistet wird«, hieß es weiter.

Nach Angaben des ukrainischen Gesundheitsministeriums wurden bis Samstag insgesamt 198 Zivilisten getötet. Russland bestreitet, dass zivile Einrichtungen angegriffen werden und warf seinerseits der ukrainischen Seite den Beschuss von Wohngebieten im Separatistengebiet Donbass vor.

Beide Kriegsparteien zogen erste Bilanzen: Das ukrainische Militär erklärte, man habe 3500 russische Soldaten getötet und 200 weitere gefangen genommen. Zudem seien 14 Flugzeuge, 8 Hubschrauber und 102 Panzer sowie mehr als 530 weitere Militärfahrzeuge zerstört worden.

Russland meldete, es seien mehr als 800 ukrainische Militärobjekte »außer Gefecht« gesetzt worden. 14 Militärflugplätze, 19 Kommandoposten, 24 Flugabwehr-Raketensysteme vom Typ S-300 und 48 Radarstationen seien zerstört, acht Marine-Boote der Ukraine getroffen worden. Russische Truppen hätten die Kontrolle über die südostukrainische Kleinstadt Melitopol.

Diese Angaben der Kriegsparteien können nicht von unabhängiger Seite überprüft werden. Gesicherte Informationen sind immer schwerer verfügbar. Viele westliche Journalisten haben Kiew verlassen.

In Deutschland kamen erste Flüchtende an, ihre Zahl war aber zunächst noch gering. Ukrainische Bürger können ohne Visum in die EU einreisen. Das UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) geht davon aus, dass bereits vor Beginn der russischen Invasion 860 000 Binnenflüchtlinge im Land unterwegs waren. Die Zahl sei nun gestiegen, seriöse Schätzungen zur Zahl der Binnenflüchtlinge seit Kriegsbeginn seien aber bisher nicht möglich.

Bundeskanzler Scholz und die Ministerpräsidenten der Länder hatten am Freitagabend über die mögliche Aufnahme von Flüchtlingen beraten. Allein Brandenburg macht sich nach den Worten von Ministerpräsident Dietmar Woidke bereit für mindestens 10 000 Ukraine-Flüchtlinge in den nächsten Tagen.

Eine diplomatische Lösung des Konflikts ist nicht in Sicht. Putin hat bereits deutlich gemacht, dass er die Führung um Selenskyj stürzen will. Der ukrainische Präsident sieht sich als Feind Nummer eins des russischen Angriffs. 

Eine gegen den russischen Angriff gerichtete Resolution im UN-Sicherheitsrat scheiterte wie erwartet am Veto Moskaus. Westliche Diplomaten werteten die Abstimmung dennoch als Erfolg beim Versuch, Russland international zu isolieren. Denn China - sonst enger UN-Partner der Russen - enthielt sich.

Um Druck auf Russland auszuüben, traten in der Nacht zum Samstag die neuen EU-Sanktionen in Kraft. Die Strafmaßnahmen sollen Russland und seiner Wirtschaft erheblichen Schaden zufügen. Dafür werden zum Beispiel die Refinanzierungsmöglichkeiten des Staates und von ausgewählten privaten Banken und Unternehmen eingeschränkt. Zudem erlässt die EU Ausfuhrbeschränkungen für strategisch wichtige Güter.

Darüber hinaus setzen die EU, Großbritannien und die USA Putin und den russischen Außenminister Sergej Lawrow auf ihre Sanktionslisten. Damit könnten ausländische Konten oder Vermögen eingefroren werden. 

Die 30 Nato-Staaten hatten am Freitag ihre Entschlossenheit zur kollektiven Verteidigung der Alliierten bekräftigt. »Wir werden tun, was notwendig ist, um jeden Verbündeten und jedes Stück Nato-Gebiet zu beschützen und zu verteidigen«, sagte Generalsekretär Stoltenberg. 

Rund um den Globus wird weiter aus Solidarität mit der Ukraine demonstriert. In mehreren deutschen Städten gingen Tausende auf die Straßen, vor allem in Düsseldorf, Frankfurt und München gab es größere Kundgebungen. In Berlin ist für Sonntag eine Demonstration geplant. dpa

Bayern

Jüdischer Landesverband kritisiert Dehler-Preis für Imam Idriz scharf

Kritisch äußert sich der Verbandspräsident Josef Schuster insbesondere zu Äußerungen des Imams in Zusammenhang mit dem Krieg in Gaza

 30.10.2025

Russland

Moskaus Kalkül

Warum der Kreml wenig Interesse daran hat, dass der US-Friedensplan für den Gazastreifen funktioniert

von Alexander Friedman  30.10.2025

Mississippi

Vance: Israel kontrolliert Trump nicht

Der amerikanische Vizepräsident sagt, der jüngste Gaza-Plan könne nur umgesetzt werden, wenn Washington auch Druck auf den jüdischen Staat ausübe. Gerade das zeige, dass die US-Regierung eigenständig handle

 30.10.2025

Interview

»Wir hatten keine Verwandten«

Erst seit einigen Jahren spricht sie über ihre jüdischen Wurzeln: Bildungsministerin Karin Prien erzählt, warum ihre Mutter davon abriet und wann sie ihre eigene Familiengeschichte erst begriff

von Julia Kilian  30.10.2025

Bayern

Josef Schuster: Jüdische Museen sichern Juden Platz in Deutschland

Das Jüdische Museum in Augsburg war bundesweit das erste seiner Art. Nun hat es seinen 40. Geburtstag gefeiert - mit hochrangigen Gästen

von Christopher Beschnitt  29.10.2025

Kritik

Karin Prien: Das kann Israel nicht hinnehmen

Statt der Leiche einer vermissten Geisel übergibt die Hamas sterbliche Überreste einer anderen Person. Bundesfamilienministerin Prien findet bei ihrer Israel-Reise klare Worte

 29.10.2025

Einspruch

Geraldine Rauch: Rücktritt reicht nicht

Erneut hat die Präsidentin der Technischen Universität Berlin bewiesen, dass sie die Interessen ihrer jüdischen Studierenden ignoriert. Doch das Problem geht über die Hochschulleitung hinaus

von Joel Ben-Joseph  29.10.2025

Auswanderung

Mehr Israelis wollen einen anderen Pass

Eine wachsende Zahl von Israelis kehrt dem jüdischen Staat den Rücken. Der aktuelle Konflikt verstärkt den Exodus. Zugleich sehen sich Auswanderer vor höheren Hürden auf dem Weg zum Zweitpass

von Burkhard Jürgens  29.10.2025

Berlin

Wadephul an Hamas und Israel: Gaza-Friedensplan einhalten

Der Außenminister reist erstmals nach Jordanien, Libanon und Bahrain. Im Mittelpunkt steht die weitere Umsetzung des Gaza-Friedensplans

 29.10.2025