Berlin

Jugend reist

Schloss Bellevue: Jugendliche und Ehrengäste mit Bundespräsident Christian Wulff Foto: Gregor Zielke

»Im Bus ist man plötzlich von Soldaten umzingelt«, sagt die deutsche Schülerin, und die israelische meint: »Müll wegwerfen wird plötzlich zu einer komplizierten Sache.« Ein kleiner Ausschnitt aus einem Videoclip, in dem Jugendliche aus Israel und Deutschland über ihre Erfahrungen im jeweils anderen Land berichten – und die unterschiedlichen Mentalitäten dabei wie im obigen Beispiel wunderbar auf den Punkt bringen.

Den kurzen Film hat das gemeinsame Projekt »Vielfalt leben« des Jugendwerks der AWO Niederrhein und des Jugendverbandes der israelischen Gewerkschaft Histadrut ins Schloss Bellevue mitgebracht. Dort würdigt Bundespräsident Christian Wulff am Montagvormittag das zehnjährige Bestehen von ConAct – des Koordinierungszentrums Deutsch-Israelischer Jugendaustausch. Auf Initiative von Wulffs Amtsvorgänger Johannes Rau ins Leben gerufen, fördert ConAct – ein Wortspiel, das je nachdem »gemeinsam handeln« oder »verbinden« (connect) heißen kann – aus Mitteln des Bundesfamilienministeriums pro Jahr mehrere hundert Austauschprojekte zwischen beiden Ländern.

Beziehungen Der deutsch-israelische Jugendaustausch, der ja schon weit älter ist als ConAct, ist für Wulff eine »Erfolgsgeschichte«. »Das Fundament der einzigartigen Beziehungen zwischen Deutschland und Israel bleibt der verantwortliche Umgang mit dem, was war und diese Beziehungen immer prägen wird«, sagt der Bundespräsident vor den etwa 200 Gästen, darunter zahlreiche Bundestagsabgeordnete.

Um den Umgang mit dem, was war, geht es zum Beispiel in dem Projekt »Gegen das Vergessen« des Landratsamtes Würzburg und der Regionalverwaltung Mateh Yehuda. Die Jugendlichen hatten in dem Ort Gaukönigshofen drei nichtjüdische Zeitzeugen interviewt, die als Kinder die Pogromnacht miterlebt hatten. Bar ErCohen, eine der beteiligten Schülerinnen aus Mateh Yehuda, betont: »Es geht nicht um Verzeihen oder Sühne, sondern um Lernen und Begreifen.« Und Jan Warnecke, Teilnehmer aus Würzburg, fügt hinzu: »Aber wir hatten auch viel Spaß miteinander.« Naama Ehrlich nickt: »Als Jugendliche haben wir gemeinsame Interessen, die nichts mit der Vergangenheit zu tun haben.« Und Bar zieht das Fazit: »Ich hätte nicht geglaubt, dass ich als Jüdin und Israelin so gute Freunde in Deutschland finden würde.«

Sowohl der israelische Botschafter in Deutschland, Yoram Ben-Zeev, als auch Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) betonen in ihren Ansprachen, dass solche Freundschaften »nicht selbstverständlich« sind. Vor allem, dass deutsche Jugendliche in Israel willkommen geheißen würden, sei »angesichts dessen, was Deutsche Juden angetan haben, nicht selbstverständlich, sondern ein Wunder«, so Schröder. Ein Wunder, das die anwesenden Jugendlichen, die enthusiastisch von ihren Projekten erzählen, allerdings ganz selbstverständlich leben – und damit über die Floskel von der »besonderen Verantwortung für die Vergangenheit« hinaus ein hoffnungsvolles Zeichen für die deutsch-israelische Zukunft setzen.

In eigener Sache

Die Jüdische Allgemeine erhält den »Tacheles-Preis«

Werteinitiative: Die Zeitung steht für Klartext, ordnet ein, widerspricht und ist eine Quelle der Inspiration und des Mutes für die jüdische Gemeinschaft

 21.12.2025

Gaza/Westjordanland

Umfrage: Mehr als die Hälfte der Palästinenser befürwortet die Massaker vom 7. Oktober 2023

Klare Mehrheit der Palästinenser zudem gegen Entwaffnung der Hamas

 21.12.2025

Interview

»Die Zustände für Juden sind unhaltbar. Es braucht einen Aufstand der Anständigen«

Zentralratspräsident Josef Schuster über den islamistischen Anschlag von Sydney und das jüdische Leben in Deutschland nach dem 7. Oktober

 21.12.2025

Meinung

Es gibt kein Weihnukka!

Ja, Juden und Christen wollen und sollen einander nahe sein. Aber bitte ohne sich gegenseitig zu vereinnahmen

von Avitall Gerstetter  20.12.2025

Faktencheck

Berichte über israelischen Pass Selenskyjs sind Fälschung

Ukrainische Behörden ermitteln wegen hochrangiger Korruption. Doch unter diesen Fakten mischen sich Fälschungen: So ist erfunden, dass bei einer Razzia ein israelischer Pass Selenskyjs gefunden wurde

 20.12.2025

Analyse

Ankaras Machtspiele

Manche befürchten schon einen »neuen Iran«. Warum Israel die Türkei zunehmend als Bedrohung wahrnimmt

von Ralf Balke  20.12.2025

Bundestag

Zentralrat verteidigt Weimers Gedenkstättenkonzept

Der Ausschuss für Kultur und Medien hörte Experten zu der Frage an, ob über den Holocaust hinaus auch andere Verbrechen Teil der deutschen Erinnerungskultur sein sollen

 19.12.2025

Frankreich

Drei Jahre Haft für antisemitisches Kindermädchen

Ein französisches Gericht hat eine Algerierin zur einer Gefängnisstrafe verurteilt, weil sie einer jüdischen Familie Reinigungsmittel ins Essen, Trinken und die Kosmetika mischte

 19.12.2025

Berlin

Bericht über Missbrauch internationaler Hilfe durch Hamas im Bundestag vorgestellt

Olga Deutsch von der Organisation NGO Monitor sagt, während die Bundesregierung über Beiträge zum Wiederaufbau Gazas berate, sei es entscheidend, auf bestehende Risiken hinzuweisen

von Imanuel Marcus  19.12.2025