Gemeindetag

»Jüdisches Leben feiern«

Katharina von Schnurbein, Antisemitismusbeauftragte der Europäischen Kommission Foto: Marco Limberg

Frau von Schnurbein, welchen Eindruck haben Sie vom Gemeindetag?
Ich finde es toll, dass hier jüdisches Leben gefeiert wird und seine Normalität und Selbstverständlichkeit zu spüren sind. Leider braucht es doch noch Sicherheit vor der Tür. Aber dass hier von Kleinkindern über Studenten bis zu Älteren alle Generationen vertreten sind, dass orthodox und liberal gebetet wird und säkulare und religiöse Juden miteinander Zeit verbringen, beeindruckt mich sehr.

Sie kennen die jüdischen Gemeinden in den 28 EU-Mitgliedstaaten. Gibt es etwas Vergleichbares in Europa?
In Großbritannien und Frankreich finden sich auch Tage und Veranstaltungen, die einen besonderen Impuls für das jüdische Leben in diesen Ländern darstellen. Aber ein ähnliches viertägiges Event in dieser Größenordnung kenne ich nicht.

Bei den Gesprächen und Diskussionen auf dem Gemeindetag spielt der Anschlag von Halle eine besondere Rolle. Haben Sie das auch so erlebt?
Der Anschlag von Halle hatte nicht nur einen besonderen Einfluss auf Juden in Deutschland, sondern in ganz Europa. Wir hatten bereits vor Kurzem in Brüssel die Gelegenheit, mit Anastassia Pletoukhina eine Augenzeugin des Anschlags vom 9. Oktober zu hören. Es war beeindruckend zu erfahren, wie die jüdische Gemeinschaft in Halle an diesem Tag und in der Zeit danach damit umgegangen ist, wie viel Resilienz und Lebensfreude da gezeigt wurden. Ähnliches habe ich auch hier wieder erlebt. Insofern ist es mein Anliegen, den Gedenktag für Halle zu einem Tag jüdischen Lebens zu machen.

Was denken Sie über das Gemeindetags-Motto »In Deutschland zu Hause«?
Ich habe davon gelesen, dass überlegt wurde, nach dem Anschlag von Halle das Motto mit einem Fragezeichen zu versehen. Ich meine: Man sollte ein Ausrufezeichen dahinter setzen. Denn es ist ein ganz zentrales Statement. Wir haben in einer Umfrage unter europäischen Juden erfahren, dass vier von zehn Befragten darüber nachdenken, Europa zu verlassen. Dass einige das überhaupt in Erwägung ziehen, ist eine Bankrotterklärung für uns. Denn es ist so wichtig, die jüdische Gemeinschaft als einen zentralen und normalen Teil Deutschlands und Europas zu sehen. Wir wollen, dass mehr jüdische Europäer sagen: Ja, hier ist unser Zuhause!

Was nehmen Sie von Berlin mit nach Brüssel?
Für mich war das eine sehr gute Gelegenheit, unterschiedlichste Vertreter des jüdischen Lebens zu treffen und wieder einmal zu erfahren, wie die Situation vor Ort ist. Es ist auch eine Ermutigung, zu erleben, wie jüdisches Leben beim Gemeindetag gefeiert wird. Das hinterlässt einen sehr positiven Eindruck.

Mit der Antisemitismusbeauftragten der Europäischen Kommission sprach Detlef David Kauschke.

Verhandlung

Verbot israelfeindlicher Proteste: Berlin mit Klagen konfrontiert

Das Verwaltungsgericht prüft zwei unterschiedlich gelagerte Klagen von Veranstaltern einer Demonstration im Dezember 2023 und des sogenannten Palästina-Kongresses im April 2024

 26.11.2025

Potsdam

BSW vor Zerreißprobe: Dorst stellt Parteiverbleib infrage

Die jüngsten Ereignisse haben Implikationen für die Landesregierung. Bei nur zwei Stimmen Mehrheit im Landtag könnte jeder Bruch in der BSW-Fraktion ihr Ende bedeuten

 26.11.2025

USA

Staatsanwaltschaft rollt den Fall Etan Patz neu auf

Der jüdische Junge Etan Patz verschwindet am 25. Mai 1979 auf dem Weg zur Schule. Jahre später wird er für tot erklärt

 26.11.2025

Buenos Aires

Milei will 2026 Botschaft in Jerusalem eröffnen

Israels Außenminister Sa’ar erklärte in der argentinischen Hauptstadt, »im April oder Mai« werde die Eröffnung erfolgen

 26.11.2025

Montréal

Air Canada prüft Beschwerde über Palästina-Anstecker in der Form Israels

Der Passagier Israel Ellis beschwert sich über das israelfeindliche Symbol an der Jacke einer Stewardess. Sie habe ihn zudem angeschrien, als sie seine Davidstern-Kette gesehen habe

 26.11.2025

Berlin

Friedrich Merz besucht Israel

Als Kanzler ist es sein erster Aufenthalt im jüdischen Staat. Die Beziehungen hatten zuletzt unter Druck gestanden

 25.11.2025

TV-Tipp

Ein äußerst untypischer Oligarch: Arte-Doku zeigt Lebensweg des Telegram-Gründers Pawel Durow

Der Dokumentarfilm »Telegram - Das dunkle Imperium von Pawel Durow« erzählt auf Arte und in der ARD-Mediathek die Geschichte der schwer fassbaren Messengerdienst-Plattform-Mischung und ihres Gründers Pawel Durow

von Christian Bartels  25.11.2025

Israel

Antisemitismus-Beauftragter wirft Sophie von der Tann Verharmlosung der Hamas-Massaker vor

Die ARD-Journalistin soll in einem Hintergrundgespräch gesagt haben, dass die Massaker vom 7. Oktober eine »Vorgeschichte« habe, die bis zum Zerfall des Osmanischen Reiches zurückreiche

 25.11.2025

Interview

»Weder die Verwaltung noch die Politik stehen an meiner Seite«

Stefan Hensel hat seinen Rücktritt als Antisemitismusbeauftragter Hamburgs angekündigt. Ein Gespräch über die Folgen des 7. Oktober, den Kampf gegen Windmühlen und kleine Gesten der Solidarität

von Joshua Schultheis  25.11.2025