Olympia-Attentat 1972

»Jüdisches Blut war billig«

Deutliche Worte: Zentralratspräsident Dieter Graumann bei der Gedenkveranstaltung in Fürstenfeldbruck Foto: dpa

»Meine Wut ist nicht verraucht, der Zorn noch heftig, die Tränen nicht getrocknet. Ich habe mich niemals mit dem Drama, dem Sterben, der Kälte, dem Versagen und dem Schmerz von damals abgefunden.« Das sagte der Präsident des Zentralrats der Juden, Dieter Graumann, am Mittwochnachmittag bei der Trauerfeier für die ermordeten israelischen Athleten der Olympischen Spiele 1972 in Fürstenfeldbruck. »Für uns Juden hier in Deutschland ist das Geschehen vom 5. September 1972 noch heute sehr präsent. Und traumatisch obendrein.«

Er lobte, dass die Veranstaltung am 40. Jahrestag des Massakers zeige, dass es in Sport und Politik Deutschlands inzwischen »sehr
wohl die richtigen Instinkte von Herzlichkeit, das warme Gefühl von Empathie« gebe. Graumann erinnerte in seiner Rede an die misslungene Befreiungsaktion und sprach von »desaströsem Dilettantismus der damaligen Sicherheitsbehörden«. Und er kritisierte die »lässige Schnoddrigkeit« der Sportfunktionäre, die die Spiele fortführten und erst unter Druck von außen unterbrochen hatten. Das werde er diesen Menschen niemals vergeben.

dunkler fleck Es war das Zeichen, so Graumann, »dass jüdisches Blut eben billig war in den Augen der Welt und dass das bloße Spiel nun einmal wichtiger war als das Leben von Juden«. Dies gelte auch für den damaligen IOC-Präsidenten Avery Brundage, der schon unter den Nazis eine höchst zwielichtige Rolle gespielt habe. Auch der damalige deutsche NOK-Präsident habe nicht die richtigen Worte dafür gefunden, dass in Deutschland wieder Juden ermordet wurden. »Diese Kälte bleibt bis heute ein dunkler Fleck in der neuen Geschichte des deutschen Sports«, sagte Graumann. Die Kälte des IOC dauere fort, sogar bis in unsere Tage.

Dass bei der Eröffnungsfeier der diesjährigen Spiele in London eine Gedenkminute für die israelischen Opfer verweigert wurde, zeuge von der »vereisten Seelenlosigkeit des IOC«. »Dies wird kein Mensch, der ein Herz im Leibe hat, jemals verstehen können«, so Graumann. Er meinte, dass er Zweifel habe, ob heute die richtigen Schlüsse aus dem Attentat von damals gezogen würden. Zumindest das »sind wir doch den Ermordeten schuldig«.

unterlagen Im Namen der Angehörigen kritisierte auch Ankie Spitzer das IOC. Die Witwe des ermordeten Fechttrainers André Spitzer forderte von den deutschen Behörden, endlich alle Unterlagen zugänglich zu machen: »Wir müssen wissen, wer verantwortlich war.«

Entsprechend äußerte sich auch Israels Vizepremier Silvan Schalom gegenüber der Jüdischen Allgemeinen. Die Forderung der Angehörigen, endlich alle Akten zu öffnen, habe er mit Bundesinnenminister Friedrich erörtert. »Ich meine, diese Dokumente sollten den Familien zugänglich gemacht werden.« Israel habe seine Archive zum damaligen Geschehen jetzt, nach 40 Jahren, geöffnet. Der Minister habe eine Prüfung zugesagt, so Schalom.

Thomas Bach, Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes, wies in der Süddeutschen Zeitung die Kritik am IOC zurück: »Man darf die Diskussion nicht auf die Frage einer Schweigeminute verengen. Das IOC hat – beginnend mit der Trauerfeier 1972 – immer wieder der Ereignisse gedacht.« Es gehe, so Bach, »nicht um die Frage, ob man gedenkt, sondern wie man würdig gedenkt«. Dazu gebe es eben verschiedene Meinungen, »im Übrigen auch in Israel«. Auch er fordert die Freigabe aller Akten zum Attentat 1972 und eine neue Untersuchung der Ereignisse. Dies sollte, sagte Bach, ebenfalls für die Akten des IOC gelten, dessen Vizepräsident er ist.

Berlin

Bündnis gegen Antisemitismus übergibt Aktionsplan an Bundestag

Mehr als 250 Organisationen und Prominente aus Deutschland, Österreich und der Schweiz wenden sich gegen Judenhass – und an die Politik

 19.10.2025

Washington

US-Außenministerium warnt vor Angriffsplänen der Hamas

Die USA hätten die Garantiemächte des Gaza-Friedensplans über »glaubwürdige Berichte« informiert, die auf eine Verletzung der bestehenden Waffenruhe hindeuteten

 19.10.2025

Medien

Merz: Habe mich mit Begriff Staatsräson immer schwergetan

Den Begriff in Bezug auf das deutsche Verhältnis zu Israel hat die damalige Kanzlerin Angela Merkel geprägt. Ihr Nachfolger erklärt nun, wie er dazu steht

 19.10.2025 Aktualisiert

Israel

Warum ich meine gelbe Schleife nicht ablege

Noch immer konnten nicht alle Angehörigen von Geiseln Abschied von ihren Liebsten nehmen

von Sophie Albers Ben Chamo  17.10.2025

Tel Aviv/Birmingham

Ex-Geisel zu Ausschluss von Maccabi-Fans: »Schämt euch!«

Emily Damari kritisiert den Ausschluss von Fans des Fußballvereins Maccabi Tel Aviv vom Europacupspiel bei Aston Villa. Sie spricht von einer »unerhörten Entscheidung«

 17.10.2025

Berlin/Ankara

Wadephul setzt auf Wiederannäherung von Türkei und Israel

Der deutsche Außenminister ist zum Antrittsbesuch in Ankara eingetroffen. Er sieht sich in einer Rolle der klassischen Diplomatie. Das gilt auch für das schwierige Verhältnis des Gastgebers zum jüdischen Staat

 17.10.2025

Meinung

Das moralische Versagen der Linken

Wenn Antisemitismus offen auf der Straße marschiert, dann hört man aus den linken Reihen: nichts.

von Nicole Dreyfus  17.10.2025

München

Wegen »Hitlergruß«-Collage: AfD-Mann Bystron verurteilt

Der Politiker teilt eine Fotomontage in sozialen Medien. Zu sehen: unter anderem Angela Merkel mit erhobenem Arm und ausgestreckter Hand

 17.10.2025

New York

Bürgermeisterkandidat bezichtigt Israel eines Völkermords

Der Demokrat Zohran Mamdani will das Land außerdem »nicht als jüdischen Staat« anerkennen

 17.10.2025