Kevin Kühnert

»Israel ist für mich etwas ganz Besonderes«

Kevin Kühnert ist der Shooting-Star der SPD - und seit einem Jahr stellvertretender Bundesvorsitzender der Partei. Foto: imago images/Noah Wedel

Kevin Kühnert wirkt manchmal nicht wie der typische linke Sozialdemokrat. Dass ein Juso-Chef bereits im vergleichsweise zarten Alter von 30 Jahren zu einem der stellvertretenden Parteivorsitzenden gewählt wird, ist recht selten in der SPD.

Auch was seine außenpolitischen Positionen angeht, fällt Kühnert etwas aus dem Rahmen. Im Dezember 2019 überraschte der damals frisch gewählte SPD-Vize bei einer Podiumsdiskussion auf dem Jüdischen Gemeindetag in Berlin das Publikum mit einer prononciert pro-israelischen Haltung. »Kevin, wir würden dich gerne klonen«, rief ihm seine Mitdiskutantin Melody Sucharewicz damals zu.

ISRAEL In einem Online-Gespräch mit dem Direktor des American Jewish Committee (AJC) in Berlin, Remko Leemhuis, schnitt der Juso-Bundesvorsitzende Anfang dieser Woche das Thema Israel erneut an. »Israel ist für mich etwas ganz Besonderes«, sagte Kühnert, auch wenn er nicht so sehr der typische Mittelmeerurlauber sei.

Die deutsche Sicht auf Israel sei viel zu sehr »durch die Brille des politischen Konflikts« bestimmt. Dabei würde übersehen, dass in Israel Millionen von Menschen leben und diese auch andere Sorgen hätten. Zudem sei Israel in Bereichen wie dem Umweltschutz weltweit führend - davon könne man viel lernen. Auch die »ausufernde Feierkultur« und die »Lebensfreude, welche dort zu spüren ist«, mache ihm Hoffnung.

Die Jusos versuchten, durch alljährliche Reisen in die Region und durch direkte Gespräche mit jungen Israelis und Palästinensern »unseren bescheidenen Beitrag zum Dialog« zu leisten, betonte Kühnert. »Und wir fahren nicht dorthin, um uns nur mit dem Nahostkonflikt zu beschäftigen«, fügte er hinzu. Als Linker sei er zwar mit vielem, was die Netanjahu-Regierung in letzter Zeit gemacht habe, nicht einverstanden gewesen, aber das beeinflusse seine grundsätzliche Sicht auf Israel und die Menschen dort »Nullkommanull«, meinte er.

AMERIKA Der Shooting-Star der SPD, der bei der nächsten Bundestagswahl in seiner Heimatstadt Berlin für den Bundestag kandidiert, setzte sich im AJC-Gespräch auch mit sehr ablehnenden Haltung vieler Deutscher gegenüber Amerika auseinander. »Es ärgert mich, wenn man Trump mit der US-Bevölkerung gleichgesetzt. Bei anderen Ländern wird viel stärker differenziert, und das zu Recht«, sagte er. Gemeint war der deutsche Blick auf Russland - der unter vielen deutschen Sozialdemokraten deutlich positiver ausfällt.

Viele Deutsche glaubten zwar, die USA gut zu kennen. Das sei aber ein Trugschluss, betonte Kühnert. Um die Erfolge Donald Trumps wirklich verstehen zu können, müsse man sich viel mehr mit dem Landesinnern beschäftigen und mit den Umbrüchen, denen die Menschen dort ausgesetzt seien. An breitem Interesse daran fehle es aber in Deutschland. »Deshalb glotzen hier viele am Wahlabend wie auf eine Herde Zootiere, wenn sie die Menschen aus dem Mittleren Westen sehen«, sagte er pointiert.

Die jüngere Generation sei nicht mehr durch den Kalten Krieg geprägt, sie müsse sich nicht mehr »ideologisch entscheiden« zwischen Amerikanern und Russen. Das berge aber die Gefahr, so Kühnert, dass das Wissen verloren gehe, »dass die freiheitliche Gesellschaft, in der wir heute leben, ja nicht vom Himmel gefallen ist«.

RUSSLAND Man dürfe »niemals den engen Draht über den großen Teich abbrechen lassen«, fordert der Juso-Chef. Er warnte auch davor, dass das deutsch-amerikanische Verhältnis nach dem Abgang von Trump automatisch wieder ins Lot kommen werde. »Das wird sich nicht von alleine reparieren«, sagte er.

Auch gegenüber Russland wurde Kühnert für einen linken Sozialdemokraten ungewöhnlich deutlich. »Mir begegnet in der Sozialdemokratie zu oft der Slogan ›Wandel durch Annäherung‹ und der Glaube daran, dass damit jeder internationale Konflikt zu lösen sei, nur weil das früher einmal funktioniert hat.« Was damals ein probates Mittel gewesen sei, um die »Sprachlosigkeit« zwischen Ost und West aufzubrechen, sei heute nicht mehr automatisch die richtige Vorgehensweise.

»Das deutsch-russische Verhältnis ist durch ganz andere Formen gekennzeichnet. Es ist ein souveränes Verhältnis zwischen zwei Staaten.« Es gehe ihm nicht darum, eine Abkapselung von Russland zu propagieren, sondern eine Distanzierung von dessen politischer Führung sowie deren »Methoden und Mechanismen.«

Kühnert wörtlich: »Die Register internationaler Organisation sind voll mit Fällen, die zeigen, dass die politische Administration in Russland nicht sauber spielt. Ich wünsche mir da weniger Naivität im Umgang, aber das betrifft nicht nur die SPD.« Besser sei es, das Russland hinter der politischen Administration kennenzulernen und hier Kontakte zu fördern.

DEUTSCHLAND Auch zur Innenpolitik äußerte sich der SPD-Shooting-Star – und forderte, beim Thema Antisemitismus mehr Wissen über das Judentum und seine Traditionen zu vermitteln. »Kinder wissen aus der Schule viel über tote Juden, aber wenig über die lebenden.« Man müsse bei den Projekten gegen Extremismus zu einer dauerhaften Lösung kommen, was die Finanzierung angehe. Solche Projekte dürften nicht nach ein paar Jahren auslaufen, sondern müssten langfristige Planungssicherheit haben.

Auch auf die Sicherheitsbedürfnisse von Jüdinnen und Juden in Deutschland ging Kevin Kühnert ein. Die Behörden müssten besser ausgestattet werden. Es gehe hierbei nicht nur um »die ultimative Bedrohung, nämlich dass jemand vor der Synagoge auf mich warten könnte« (wie am Wochenende in Hamburg geschehen). Es gehe auch darum, so der Juso-Chef, dass Juden sich überall im öffentlichen Raum sicher und ohne Angst vor Angriffen bewegen könnten.

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