Deutschland

Islamisten-Razzia: Oberarzt an Bochumer Klinikum gehört laut Berichten zum Kreis der Verdächtigen

Einsatzfahrzeug der Berliner Polizei (Symbolfoto) Foto: picture alliance/dpa

Vor drei Wochen hat Bundesinnenministerin Nancy Faeser die islamistische Terrororganisation Hamas und das palästinensische Netzwerk Samidoun verboten. Nun wurden Wohnungen mutmaßlicher Anhänger in fünf Bundesländern durchsucht.

Wie das Bundesinnenministerium mitteilte, erstreckte sich die Razzia am Donnerstag auf 21 Objekte in Berlin, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein und Hamburg. Insgesamt sollen etwa 500 Einsatzkräfte beteiligt gewesen sein.

Faeser hatte am 2. November ein Betätigungsverbot für die Hamas und ein Vereinsverbot für den deutschen Ableger von Samidoun ausgesprochen. Angekündigt worden waren die Verbote bereits kurz nach dem terroristischen Angriff der Hamas in Israel vom 7. Oktober von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), wohl um ein politisches Signal zu senden. Normalerweise finden Razzien entweder vor oder zeitgleich mit der Verfügung eines Verbots statt - auch damit Betroffene nicht die Gelegenheit erhalten, Beweismittel wegzuschaffen oder zu vernichten. Die Maßnahmen seien nun zur Durchsetzung der Verbote und zur weiteren Aufklärung der verbotenen Strukturen dieser Gruppierungen von den zuständigen Verwaltungsgerichten angeordnet worden, hieß es.

Schwerpunkt Berlin

Nach Angaben einer Polizeisprecherin wurde in Berlin an 13 Orten durchsucht, um Beweismittel und Vermögenswerte sicherzustellen. Rund 350 Polizistinnen und Polizisten waren in der Hauptstadt dafür unterwegs. In Nordrhein-Westfalen wurden laut dem dortigen Innenministerium jeweils Privatwohnungen in Münster und Bochum durchsucht.

Einem Bericht der Bild-Zeitung zufolge soll auch ein an einem Bochumer Klinikum angestellter Chirurg zum Kreis der Verdächtigen gehören. In Niedersachsen war dem Innenministerium zufolge eine Person im Zuständigkeitsbereich der Polizeidirektion Osnabrück das Ziel.

Faeser betont Handlungsfähigkeit des Staates

»Wir setzen unser konsequentes Vorgehen gegen radikale Islamisten fort«, sagt Faeser. »Mit den Verboten von Hamas und Samidoun in Deutschland haben wir das klare Signal gesetzt, dass wir keinerlei Verherrlichung oder Unterstützung des barbarischen Terrors der Hamas gegen Israel dulden.« Die SPD-Politikerin betont: »Wir haben die islamistische Szene fest im Blick.« Islamisten und Antisemiten dürften sich in Deutschland »nirgendwo sicher fühlen«.

Samidoun befürworte Gewaltanwendung als Mittel zur Durchsetzung politischer Ansichten und unterstütze Vereinigungen, die Anschläge androhen, heißt es seitens des Bundesinnenministeriums. Die Sicherheitsbehörden hatten den deutschen Ableger der Vereinigung »Samidoun - Palestinian Solidarity Network« schon länger im Blick. Öffentlich aufgefallen waren seine Anhänger, als nach dem Überfall der Hamas in Israel im Berliner Stadtteil Neukölln Süßigkeiten auf der Straße verteilt wurden, als Ausdruck der Freude über den Terrorangriff.

Der Hamas rechnet das Bundesamt für Verfassungsschutz in Deutschland etwa 450 Mitglieder zu. Deren Aktivitäten umfassen den Erkenntnissen zufolge Sympathiebekundungen und Propagandaaktivitäten sowie das Eintreiben von Spenden.

Erhöhte Aktivitäten radikaler Islamisten seit Beginn des Gaza-Kriegs

Im Gegensatz zu islamistischen Terrorgruppen wie Al-Kaida oder Islamischer Staat (IS) verübt die Hamas keine Anschläge in westlichen Staaten, sondern ausschließlich in Israel und in den Palästinensergebieten. Terrorexperten befürchten allerdings, dass durch den Gaza-Krieg die Gefahr von Anschlägen durch Sympathisanten anderer Terrororganisationen sowie radikalisierte Einzeltäter steigt. Ein verstärktes »Grundrauschen« ist in diesen Kreisen nach Angaben aus Sicherheitskreisen jetzt schon feststellbar.

Die Betroffenheit vieler Muslime - ausgelöst durch Bilder von Verletzten und Todesopfern nach israelischen Angriffen im Gazastreifen - bietet für dschihadistische Gruppen zudem einen Anknüpfungspunkt für die Rekrutierung neuer Anhänger.

Die sunnitische Hamas hat ihre Wurzeln in der in Ägypten gegründeten Muslimbruderschaft, die einen islamischen Staat anstrebt. Die Hamas wird von der EU und den USA schon seit Jahren als Terrororganisation eingestuft, womit sie de facto in Deutschland schon vorher verboten war. Das Samidoun-Netzwerk steht der säkularen Volksfront zur Befreiung Palästinas (PFLP) nahe.

Lage war schon vor Eskalation in Nahost angespannt

Die Zahl der vom Generalbundesanwalt neu eingeleiteten Terrorismus-Ermittlungsverfahren war schon vor der jüngsten Eskalation der Gewalt in Nahost wieder deutlich gestiegen. Wie aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linke-Fraktion hervorgeht, wurden zwischen Anfang Januar 2023 und Ende September alleine 356 Ermittlungsverfahren mit Bezug zum islamistischen Terrorismus eingeleitet. Wie die Aufstellung, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt, zeigt, ging es dabei meist um den Tatvorwurf der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung.

Zum Vergleich: Im Vorjahreszeitraum hatte der Generalbundesanwalt 183 solche Ermittlungsverfahren eingeleitet. Im Gesamtjahr 2022 wiesen von den insgesamt 451 neuen Ermittlungsverfahren 236 einen Bezug zum islamistischen Terror auf.

Auch schiitische Extremisten im Fokus

Erst vor einer Woche war das Bundesinnenministerium mit einer Großrazzia in sieben Bundesländern dem schiitisch geprägten »Islamischen Zentrum Hamburg« (IZH) und möglichen Teilorganisationen der Vereinigung zu Leibe gerückt. Die Polizei durchsuchte Dutzende Objekte, darunter auch die bekannte Blaue Moschee in Hamburg - womöglich mit dem Ziel, auch diese Vereinigung zu verbieten, was Innenpolitiker verschiedener Parteien schon lange fordern. Die Sicherheitsbehörden gehen auch dem Verdacht nach, dass der Verein Aktivitäten der proiranischen Hisbollah aus dem Libanon unterstützt, für die in Deutschland seit 2020 ein Betätigungsverbot gilt.

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