Muslime

Islamische Kakophonie

»Zusammenstehen, Gesicht zeigen«: Kundgebung des Zentralrats der Muslime Mitte Januar in Berlin Foto: Gregor Zielke

Im Spätsommer vergangenen Jahres stand Aiman Mazyek gegen religiösen Extremismus auf: »Ich bin ein Jude, wenn Synagogen angegriffen werden. Ich bin ein Christ, wenn Christen beispielsweise im Irak verfolgt werden. Und ich bin ein Muslim, wenn Brandsätze auf ihre Gotteshäuser geworfen werden.« Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime sprach so beim Aktionstag muslimischer Religionsgemeinschaften in Deutschland gegen Extremismus und Gewalt.

Zekeriya Altug von der Türkisch-Islamischen Union (DITIB) teilte dort mit, es werde in vielen Moscheen Friedensgebete geben, in die die Imame alle Menschen einschließen würden, »seien es Christen, Jesiden, Juden oder Palästinenser, Muslime oder Buddhisten. Welchen Glaubens auch immer, alle Menschen, die Unrecht, Verfolgung und Hass ausgesetzt sind, werden eingeschlossen«.

unmut Ein solches Zeichen ist wertvoll und wichtig. Doch als Mazyek gemeinsam mit Bundeskanzlerin Merkel und Bundespräsident Gauck am 13. Januar in Berlin vor dem Brandenburger Tor der Opfer des islamistischen Terrors in Paris gedachte, machte sich in der muslimischen Community Unmut breit: Vertreter anderer Organisationen wie des Verbandes Islamischer Kulturzentren (VIKZ), des Islamrats (IR) und auch der DITIB kritisierten den Alleingang von Mazyek, dessen Zentralrat der Muslime zwar einen imposanten Namen, aber nur wenige Mitglieder hat: Angeblich sind etwa 300 Moscheen in ihm vertreten, doch diese Zahl wird bezweifelt. Der DITIB, die eng mit dem türkischen Staat verbunden ist, haben sich 900 Moscheen angeschlossen, dem Islamrat, zu dem auch die antisemitische Islamische Gemeinschaft Millî Görüs (IGMG) gehört, immerhin noch 450 Moscheen.

Gleichwohl ist Mazyek einer der bekanntesten Vertreter des deutschen Islam. Der gebürtige Aachener hat Philosophie, Volkswirtschaft, Politikwissenschaft und Arabistik studiert und ist neben seinem Amt im Zentralrat auch Redakteur des Onlineportals islam.de. Mazyek ist ein Medienprofi, der versucht, das Bild eines offenen, modernen Islam zu vermitteln.

Muslimbruderschaft Zu den Mitgliedern seines Zentralrats gehört auch die Islamische Gemeinschaft Deutschlands (IGD), ein Ableger der Muslimbruderschaft. Die IGD wird in Bayern, Baden-Württemberg, Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Hessen und Nordrhein-Westfalen von den Verfassungsschutzbehörden beobachtet. Auch die Zentralratsmitglieder Islamisches Zentrum Hamburg und das Islamische Zentrum Aachen stehen den Muslimbrüdern nahe. Sie werden ebenfalls staatlich beäugt.

Doch offener Antisemitismus traditioneller Prägung findet sich bei keiner dieser Gruppen mehr. Lieber wird der »Zionismus« angegriffen, Israel einseitig kritisiert, oder Bilder aus dem Gazakonflikt sollen ein klares Bild vermitteln, wer Täter und wer Opfer ist: Israel als Aggressor, die Palästinenser als seine Zielscheibe.

Auch die DITIB, die unter der Kontrolle und Aufsicht des staatlichen Präsidiums für Religiöse Angelegenheiten der Türkei steht, äußert sich zunehmend kritisch über Israel und folgt damit der Politik des türkischen Präsidenten Erdogan. So wurde etwa einer Verurteilung des Anschlags auf die Wuppertaler Synagoge im Spätsommer eine Stellungnahme zu Gaza vorangestellt.

geld Der Terror des Islamischen Staats wird von den muslimischen Organisationen in Deutschland abgelehnt, allerdings teilweise nicht zuletzt deswegen, weil die junge salafistische Strömung des IS als Konkurrent im Ringen um die Jugend wahrgenommen wird. Vor allem gilt sie als Gefahr für die weitere Integration muslimischer Verbände in das soziale Gefüge.

Die Verbände, in denen die verschiedenen Gruppen organisiert sind, stehen im Dialog mit der deutschen Politik – unabhängig davon, wie die einzelnen Gruppen oder Moscheegemeinden dazu stehen. Die Verbände, etwa der Zentralrat der Muslime, pochen dort darauf, dass Islamophobie auf einer Stufe mit Antisemitismus stehe und genauso bekämpft und geächtet werden müsse.

Ein wichtiges Motiv für diese strategische Ausrichtung dürfte sein, dass es um die Verteilung von Geldern, um islamischen Religionsunterricht und um die Ausbildung von Lehrern und Professoren geht. Noch wichtiger ist das Ziel der Gründung einer großen islamischen Wohlfahrtsorganisation, einer Art muslimischer »Caritas«, die von der Bundesregierung allerdings derzeit noch skeptisch beurteilt wird.

Sanktionen

Von der Leyen: EU-Kommission stoppt Zahlungen an Israel

Unter anderem wegen des Widerstandes der Bundesregierung kann sich die EU bislang nicht auf Strafmaßnahmen gegen Israel einigen. Nun kommt es zu einem Alleingang der Europäische Kommission

 10.09.2025

Debatte

Genozid-Experten fordern Rücknahme der Völkermord-Resolution

Mehr als 500 Wissenschaftler und Institutionen fordern von der International Genocide Scholars Association, ihre Anschuldigungen zurückzunehmen

 10.09.2025 Aktualisiert

Nahost

Israels Luftwaffe greift erneut im Jemen an

Immer wieder feuern die Huthi im Jemen Raketen und Drohnen in Richtung Israel. Der jüdisch Staat regiert mit Gegenschlägen

 10.09.2025

Berlin

Francesca Albanese bei Tagung an der Freien Universität

Der umstrittenen UN-Sonderberichterstatterin Francesca Albanese wird immer wieder Antisemitismus vorgeworfen. Am Mittwoch war sie zu Gast an einer Berliner Universität

 10.09.2025

Berlin

Israel-Vorstoß: Wadephul und Dobrindt widersprechen von der Leyen

Während der Bundesaußenminister nochmal über eine Aussetzung der Unterstützungszahlungen der EU sprechen will, wird der Innenminister deutlicher

 10.09.2025

Washington D.C.

Brisanter Scheck: Epstein-Foto heizt Debatte um Trump an

Seit Monaten schwelt die Debatte über Verbindungen des Straftäters zum Präsidenten. Nach einem angeblichen Brief von letzterem wirft nun das Foto eines Schecks Fragen auf

 10.09.2025

Meinung

Eskalation in Katar?

Es ist heuchlerisch, Katar als Friedensvermittler zu bezeichnen. Wer die Hamas in Gaza unterstützt, in Doha Terroristen hofiert und mit Al Jazeera weltweit den Hass auf den jüdischen Staat befördert, sollte sich nicht wundern, wenn Israel zurückschlägt

von Philipp Peyman Engel  10.09.2025

Generalbundesanwaltschaft

Anklage gegen »Sächsische Separatisten«

Ihnen werde »die Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens« vorgeworfen, hieß es

 10.09.2025

Analyse

Ursula von der Leyen macht Israel zum Bauernopfer

Vor dem Europaparlament schlägt die EU-Kommissionspräsidentin harte Töne gegen Israel an - wohl wissend, dass die notwendige Mehrheit für Sanktionen womöglich nie zustande kommt. Eine Analyse

von Michael Thaidigsmann  10.09.2025