Nahostkonflikt

In Massen

Konfrontation: israelische Soldaten und eine Gruppe syrischer Demonstranten in der Nähe von Majdal Shams auf dem Golan Foto: Flash 90

Nicht nur die üblichen Luftschutzsirenen haben am Sonntag im Gazastreifen und im von Israel besetzten Westjordan- land aufgeheult. Aus Anlass des 63. Jahrestags der Gründung des jüdischen Staates, der aus Sicht vieler Palästinenser die »Nakba«, Katastrophe, darstellt, kam es auch an allen Grenzen des Landes zu Zwischenfällen. Mindestens 14 Menschen wurden getötet, als sie von Syrien und dem Libanon aus die israelische Nordgrenze

Nun glauben viele Menschen zwischen Haifa und Eilat, dass die Unruhen der arabischen Welt auch Israel erreicht haben. Vielerorts waren die Nachwehen der Vorfälle an den Grenzen am Montag zu spüren. Israels Armee verlängerte die Ausgangssperre im Westjordanland um 24 Stunden.

Auf dem Golan arbeiteten Soldaten fieberhaft daran, den Grenzzaun zu reparieren, während in der Drusenstadt Madschd al-Schams, in die am Sonntag syrische Palästinenser vorgedrungen waren, das Militär jedes Auto überprüfte. Am Nachmittag wurde man fündig: Soldaten verhafteten einen Palästinenser aus Syrien, der am Vortag eingedrungen war und nun versuchte, mit einem Taxi nach Tel Aviv zu gelangen.

syriens haltung Doch es sind vor allem die langfristigen Konsequenzen der Ereignisse der Nakba-Unruhen, die in Jerusalem und anderswo im Land Besorgnis auslösen: »Das ist nur der Anfang, und wir müssen damit rechnen, dass wir in Zukunft weitaus komplexeren Herausforderungen gegenüberstehen werden«, sagt Verteidigungsminister Ehud Barak. Er meint damit die politische Haltung in Damaskus und eine neue Taktik der Palästinenser.

In Syrien war es seit dem Ausbruch der Unruhen dem Satellitensender Al Dschasira verboten, aktuell zu berichten. Erst am Montag gab es nach sieben Wochen wieder Live-Bilder – doch nur von den Golanhöhen. Der blutige Einmarsch syrischer Panzer in ein Dorf an der Grenze zum Libanon, der zur gleichen Zeit stattfand und vor dem Tausende flüchteten, wird weiter verheimlicht. Erst vergangene Woche hatte Assads Cousin Rami Makhlouf, einer der reichsten Geschäftsmänner Syriens, Israel eine Warnung geschickt: »Wenn es bei uns nicht ruhig ist, wird es auf keinen Fall in Israel Stabilität geben.«

Während nach Angaben syrischer Oppositioneller das Regime die Demonstranten aufstachelte, die Grenze zu Israel zu durchbrechen, halfen andernorts jordanische und ägyptische Sicherheitskräfte, dass es nicht zu Schlimmerem kam. Im Westjordanland »arbeiteten wir gut mit den palästinensischen Behörden zusammen«, sagte Armeesprecher Arye Shalicar. Selbst die Hamas, die am Sonntag Busse mit Demonstranten auf dem Weg zu einer Protestkundgebung an der Grenze des Gazastreifens aufgehalten hatte, wurde von Shalicar gelobt: »Sie haben viele aufgehalten.« Es besteht also noch erhebliches Potenzial für Eskalation, sollten Israels Nachbarn das Verhalten Syriens nachahmen.

widerstand Der palästinensische Aspekt der Ereignisse des Nakba-Tages stellt jedoch die größte Herausforderung dar. »Die Palästinenser sind nicht weniger rebellisch als die anderen Araber«, kommentierte Ali Baraka, Sprecher der Hamas im Libanon, die Geschehnisse. Tatsächlich werden die friedlichen Massendemonstrationen zur neuen Kampfstrategie gegen Israel.

Die Bilder der Revolutionen in arabischen Staaten, in denen die Panzer der Diktatoren Menschenmassen hilflos gegenüberstanden, haben die Palästinenser beflügelt und von der Effizienz solcher Proteste überzeugt. Dachten manche zuvor, die Terrorbrigaden der Hamas brächten sie an ihr Ziel, erkennen viele jetzt den Wert des unbewaffneten Widerstands. Das Beispiel vom Golan könnte Schule machen. »Was tun wir, wenn nicht Hunderte, sondern Zehntausende auf unsere Grenzen losstürmen?«, fragte Minister und General a. D. Jossi Peled besorgt im israelischen Radio.

Hamasführer Khaled Maschal spricht bereits von einer neuen palästinensischen Gesamtstrategie: Nach dem Schulterschluss mit der Fatah würde man »Verhandlungen mit Israel, Beziehungen zum Ausland, Sicherheit und den bewaffneten Widerstand« gegen die Besatzer miteinander abstimmen. Doch weiterhin wollen die Islamisten am bewaffneten Widerstand festhalten. Und sie bleiben dabei: Israels Existenzrecht wird nicht anerkannt.

Antiisraelischer Beschluss

Linken-Spitze distanziert sich von Parteijugend

Die Linksjugend Solid wirft Israel unter anderem einen »kolonialen und rassistischen Charakter« vor – und löst in der Partei Empörung aus

 06.11.2025

Urteil

Betätigungsverbot für israelfeindlichen Aktivisten war rechtswidrig

Ghassan Abu-Sittah, der der israelischen Armee vorwirft, vorsätzlich Kinder zu töten, hätte auf dem »Palästina-Kongress« sprechen dürfen

 06.11.2025

Terrorismus

Nach Hamas-Festnahme: Waffenfund in Österreich

Der österreichische Verfassungsschutz stellte fünf Faustfeuerwaffen und zehn Magazine sicher

 06.11.2025

Gedenken

Neues Denkmal für jüdische Häftlinge in Gedenkstätte Ravensbrück

Etwa 20.000 Jüdinnen und Juden sind im ehemaligen Konzentrationslager Ravensbrück in Brandenburg inhaftiert gewesen. Die heutige Gedenkstätte hat nun ein neues Denkmal enthüllt - im Beisein von Überlebenden

von Daniel Zander  06.11.2025

Kommentar

Warum Zürichs Entscheid gegen die Aufnahme von Kindern aus Gaza richtig ist

Der Beschluss ist nicht Ausdruck mangelnder Menschlichkeit, sondern das Ergebnis einer wohl überlegten Abwägung zwischen Sicherheit, Wirksamkeit und Verantwortung

von Nicole Dreyfus  06.11.2025

Ehrung

»Wir Nichtjuden sind in der Pflicht«

Am Mittwochabend wurde Karoline Preisler mit dem Paul-Spiegel-Preis des Zentralrats der Juden in Deutschland ausgezeichnet. Wir dokumentieren ihre Dankesrede

 06.11.2025 Aktualisiert

Medien

So erzeugt man einen gefährlichen Spin

Wie das Medienunternehmen »Correctiv« den Versuch unternimmt, die Arbeit des israelischen Psychologen Ahmad Mansour fragwürdig erscheinen zu lassen

von Susanne Schröter  06.11.2025

Meinung

Wenn deutsche Linke jüdische Selbstbestimmung ablehnen

In einer Resolution delegitimiert die Linksjugend Israel als koloniales, rassistisches Projekt. Dabei ist der Staat der Juden nicht zuletzt eine Konsequenz aus den Verbrechen der Deutschen im Nationalsozialismus

von Frederik Schindler  06.11.2025

Ostdeutschland

AfD-Regierung als »Schreckensszenario«

Zehn Monate vor den Landtagswahlen in Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt wächst in den jüdischen Gemeinden die Sorge vor einem Sieg der AfD

von Joshua Schultheis  06.11.2025