Bundestagsvizepräsident Omid Nouripour spricht offen über seinen Integrationsweg. Er sei nicht repräsentativ gewesen, sagte der Grünen-Politiker den Zeitungen der Funke Mediengruppe. »Ich hatte Privilegien. Ich komme aus einem gebildeten Haushalt, meine Eltern haben je zwei akademische Titel, und ich hatte schon im Iran angefangen, Deutsch zu lernen.«
Der 50-Jährige war als Kind mit seiner Familie nach der Islamischen Revolution aus dem Iran nach Frankfurt am Main geflüchtet. Als prägend beschrieb Nouripour seine Sozialkundelehrerin in Frankfurt. »In der Schule in Teheran musste ich beim Morgenappell ›Tod Israel‹ rufen. In Frankfurt fragte mich diese Lehrerin nach dem Holocaust - und ich wusste gar nichts«, erzählte er.
»Ich bin dankbar, dass sie meine Ahnungslosigkeit nicht durchgehen ließ.« Er habe gelernt, »was für eine Verantwortung man für das jüdische Leben hat, wenn man in Deutschland lebt und Deutscher sein will«.
Nouripour forderte mehr Anstrengungen für die Integration. »Wir haben vieles geschafft, aber vieles auch nicht hinbekommen«, sagte er. Vor zehn Jahren hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in diesem Zusammenhang mit dem Ausspruch »Wir schaffen das« für Aufsehen gesorgt. »Integration läuft über den Arbeitsmarkt. Bei den Männern, die damals gekommen sind, hat das gut geklappt - bei den Frauen ist die Erwerbsquote dramatisch schlecht.«
Der Bundestagsvizepräsident kritisierte: »Wir haben die Frauen alleine gelassen, als sie hier ankamen und arbeiten wollten.« Wer sich den ganzen Tag um seine Kinder kümmern müsse, habe es schwer, an Sprachkursen teilzunehmen und sich in den Arbeitsmarkt zu integrieren. »Teilweise hatten die Frauen in ihrer Heimat keinen Zugang zu Bildung«, fügte er hinzu. »In manchen Herkunftsländern dürfen Frauen viele Berufe erst gar nicht ergreifen.«
Einwanderung müsse gesteuert werden, fügte Nouripour hinzu. Der verschärften Asylpolitik der schwarz-roten Bundesregierung erteilte er allerdings eine Absage. »Wir brauchen eine europäische Lösung, keine nationalen Alleingänge. Denn wenn wir die Freizügigkeit in der Europäischen Union preisgeben, ist das gerade für die deutsche Wirtschaft giftig.« kna