Antisemitismus

In der Mitte der Gesellschaft tief verankert

Zoom-Präsentation der AJC-Studie Foto: screenshot

Die gute Nachricht vorweg: »Das Problembewusstsein für den Antisemitismus hat sich deutlich verschärft«, betont Felix Klein, Antisemitismusbeauftragter der Bundesregierung, anlässlich der Vorstellung der Ergebnisse einer Repräsentativbefragung zu antisemitischen Einstellungen in Deutschland, die das Institut für Demoskopie Allensbach im Auftrag des American Jewish Committee (AJC) unternommen hatte.

»Als ich mein Amt 2018 antrat, sahen nur 20 Prozent der Gesamtbevölkerung darin ein Problem. Aktuell sind es nun 60 Prozent.« Doch von Entwarnung kann ansonsten definitiv keine Rede sein.

studie Denn für eine neue Studie, die judenfeindliche Einstellungen in der Gesamtgesellschaft sowie unter Muslimen, die in Deutschland leben, auf den Grund geht, gibt es einige handfeste Argumente. So hatten sich in den vergangenen Jahren immer neue Erscheinungsformen des Antisemitismus manifestiert, beispielsweise in der sogenannten Querdenkerszene mit ihren Verschwörungserzählungen rund um das Thema Corona.

Aber auch in migrantischen Milieus war dieser verstärkt zu beobachten – wie im Mai 2021, als ein Mob vor Synagogen seinem Judenhass freien Lauf ließ. 3028 antisemitische Straftaten allein 2021 – der höchste jemals gemessene Wert seit Beginn der Erfassung in der polizeilichen Kriminalstatistik im Jahr 2001 – sprechen eine deutliche Sprache.

»Es sind ausnahmslos alle demokratischen Parteien gefordert, diese Realität anzuerkennen und entsprechend zu handeln.«

AJC-Direktor Remko Leemhuis

»Die Ergebnisse verdeutlichen abermals, dass Antisemitismus nicht allein ein Problem der politischen Ränder ist, sondern in der Mitte der Gesellschaft tief verankert ist«, lautet das Fazit von Remko Leemhuis, Direktor des AJC Berlin. »Hier sind deshalb ausnahmslos alle demokratischen Parteien gefordert, diese Realität anzuerkennen und entsprechend zu handeln.«

muslime Doch zwei Gruppen fallen im Kontext der Untersuchungen auf. Zum einen die Wähler der AfD, zum anderen existiert unter Muslimen ein Zusammenhang zwischen dem Grad der Religiosität sowie dem Vorhandensein antisemitischer Einstellungen.

Exemplarisch zeigt sich dies an der Zustimmung der Befragten zu der Aussage, dass Juden ihren Status als Opfer des Zweiten Weltkriegs zu ihrem eigenen Vorteil ausnutzen würden. Während 34 Prozent der Gesamtbevölkerung diesen Satz bejahen würden, liegt der Wert bei den Anhängern der AfD deutlich höher, und zwar bei 48 Prozent.

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Unter Muslimen, die häufig Gottesdienste besuchen, lag die Zustimmung zu dieser Aussage sogar bei 65 Prozent. Bei denen, die sich dagegen selten in der Moschee blicken lassen, war das nur in 39 Prozent der Fall.

afd-sympathisanten Ähnlich zeigt sich das Bild bei der Zustimmung zu der Behauptung, Juden hätten in der Wirtschaft und im Finanzwesen zu viel Macht: 39 Prozent der AfD-Sympathisanten sehen darin einen Wahrheitsgehalt im Vergleich zu 23 Prozent in der Gesamtbevölkerung. Bei Muslimen, die häufig in die Moschee gehen, waren es 68 Prozent. Wer aber nur ab und zu Gottesdienste besucht, bejaht in 32 Prozent aller Fälle diesen Satz.

Auch wenn es um das Gedenken an die Schoa geht, stechen die Rechtspopulisten hervor. Nur 24 Prozent halten dieses für »unbedingt notwendig« – ganz im Gegensatz zu der Gesamtbevölkerung, von denen 48 Prozent die Aussage so unterstützen.

Unter anderem lassen sich zwei wichtige Erkenntnisse aus diesen Zahlen ablesen, und zwar, »dass die Aussagen der AfD zum Schutz jüdischen Lebens und die vermeintliche Solidarität mit dem Staat Israel allein taktischer Natur sind«, wie AJC-Direktor Leemhuis hervorhebt. Und der Antisemitismusbeauftragte Klein ergänzt, dass bis heute zu wenig getan werde, um den Einfluss von außen, beispielsweise durch die türkische DITIB, auf Moscheevereine zu verringern. Darin sieht Felix Klein eine wichtige Aufgabe für die Zukunft.

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