Zweistaatenlösung

Idee ohne Zukunft

Hier der jüdische Staat Israel, dort der Staat Palästina – wie soll das in konkrete Politik umgesetzt werden? Foto: Thinkstock

Nur eine Vergangenheit – nie Zukunft – hat die Zweistaatenlösung. Hier der jüdische Staat Israel, dort der Staat Palästina – das war stets eine Kopfgeburt. Sobald sie in konkrete Politik umgesetzt werden sollte, war sie entweder eine Totgeburt, oder sie wurde getötet. US-Präsident Donald Trump scheint sie nun unfeierlich beerdigt zu haben. Die Internationale Gemeinschaft (die so heißt und leider keine Gemeinschaft ist), die EU und auch Deutschland klammern sich trotzdem weiter an diesen Plan.

Großen Eifer beweist Schwedens Außenministerin Margot Wallström. Als Gegengewicht zur Nahostpolitik des US-Präsidenten will sie einen schwedischen Nahost-Sonderbotschafter benennen. Der Diplomat oder (weil im geschlechtspolitisch besonders korrekten Schweden) wohl eher die Diplomatin soll den Uralt-Konflikt lösen.

Planungsfehler Abgesehen von der Überheblichkeit eines relativ mindergewichtigen internationalen Akteurs könnte sich der oder die Gesandte dabei politisch überheben. Selbst Schwergewichte sind an dieser Aufgabe gescheitert. Mit den historischen Planungsfehlern dieser Lösung mögen sich Historiker-Seminare befassen. Hier interessiert diese Frage: Warum ist die vielbeschworene Zweistaatenlösung keine Lösung?

Kerngedanke der Lösung ist ein Israel in den Grenzen vom 4. Juni 1967, also vor den Gebietsgewinnen des jüdischen Staates im Junikrieg 1967. Daneben solle »Palästina« entstehen. Bestehen solle es aus dem Westjordanland und aus dem Gazastreifen. Für Jerusalem gibt es verschiedene Vorstellungen. Die häufigste besagt, dass West-Jerusalem zu Israel, Ost-Jerusalem zu Palästina gehören solle.

Staaten verfügen üblicherweise über räumliche Durchgängigkeit. Ost-Palästina, also das Westjordanland, und West-Palästina, also der Gazastreifen, sind territorial durch Israel getrennt.

Die Geschichte lehrt: Staaten mit zwei territorial voneinander getrennten Gebieten verfügen über eingebaute Sprengkörper. Ihre politische Geografie beziehungsweise ihre Staatsgrenzen sind dynamit-geladen dynamisch.

Pakistan Erfahrung eins: Die beiden Teile verselbständigen sich. Aus einem Staat werden zwei. Ein Beleg für diese Dynamik ist die Spaltung des Staates Pakistan. Die beiden Staatsteile waren rund 4000 Kilometer voneinander entfernt. Getrennt waren sie durch das riesige Indien, das sozusagen wie ein Keil in der Mitte zwischen beiden lag. Ein Land, zwei Teile mit teilweise völlig unterschiedlichen Volks-, Kultur- und Sprachgruppen. Damit war es 1971 zu Ende. Aus West-Pakistan wurde »Pakistan«, aus Ost-Pakistan »Bangladesch«. Auch die geschrumpften Staaten sind demografisch alles andere als einheitlich und eher Kunst- als organisch gewachsene Staaten.

Die Entfernung zwischen dem Gazastreifen und dem Westjordanland ist bekanntlich erheblich geringer als die zwischen Ost- und Westpakistan, doch das geografische Muster ist ähnlich: In der Mitte, zwischen beiden Teilen, liegt der »Erzfeind«. Hier ist es Israel, nicht Indien. Man übersehe auch nicht, dass die Palästinenser im Westjordanland moderner und westlicher leben als im Gazastreifen. Diese beiden Teile in einem Palästina wären ebenfalls ein Kunststaat.

Einen Beleg für die zweite Erfahrung bezüglich der dynamitgeladenen Dynamik der politischen Grenzgeografie bietet die Territorialgeschichte von Brandenburg-Preußen-Deutschland. Brandenburg bestand nach dem Dreißigjährigen Krieg aus drei jeweils durch andere Staaten voneinander getrennten Teilen: Im Westen aus Gebieten an Rhein und Weser, in der Mitte quasi zwischen Elbe und Oder die Kurmark und im Osten das Herzogtum Preußen. Nach 1815 gab es auf Kosten kleinerer Staaten in der Mitte nur noch zwei erheblich vergrößerte Teile Brandenburg-Preußens. Die Reichseinheit von 1871 war letztlich Groß-Preußen auf Kosten deutscher Kleinstaaten.

Erfahrung eins plus zwei lehren: Die Zweistaatenlösung Israel-Palästina wird entweder zum Modell Pakistan oder Brandenburg-Preußen führen. Im Klartext: zur Spaltung von Palästina in Palästina 1 (Gazastreifen) und Palästina 2 (Westjordanland).

Dynamik Damit nicht genug: Welche Dynamik würde ein Gesamt-Palästina oder Palästina 1 und 2 bei Israels arabischen Staatsbürgern auslösen? Auch sie sind, wie rund drei Viertel der Bürger Jordaniens, Palästinenser. Auch damit nicht genug: Welche Dynamik würde Palästina oder auch nur Palästina 2 (Westjordanland) bezüglich der jüdischen Siedler auslösen? Soll, muss, wird das Westjordanland »judenrein« werden? Und wie? Würde der Staat Palästina die dortigen Juden »nur« diskriminieren oder gar liquidieren, also vernichten? Auch das wäre zu bedenken: Würden die Siedler sich selbst bei freiem Geleit von der israelischen Regierung oder gar der EU und UNO widerstandslos den Abzug vorschreiben lassen? Eher ist mit Bürgerkrieg, einem neuen Jüdischen Krieg, zu rechnen.

Erfahrung zwei, Brandenburg-Preußen, lehrt: Die Mitte expandiert nach Osten und Westen. Das hieße Groß-Israel. Gaza plus Westjordanland wollen nicht einmal Israels Superfalken. Doch strukturell wäre auch das eine Möglichkeit der Zweistaatenlösung. Die Folgen der Zweistaatenlösung sind klar. Wer will da noch von »Lösung« sprechen?

Der Autor ist Historiker und Publizist, von ihm erschienen unter anderem: »Wem gehört das Heilige Land«, »Israel«, »Zum Weltfrieden«.

Existenzrecht Israels

Objektive Strafbarkeitslücke

Nicht die Gerichte dafür schelten, dass der Gesetzgeber seine Hausaufgaben nicht macht. Ein Kommentar

von Volker Beck  23.11.2025

Dortmund

Ermittlungen gegen Wachmann von NS-Gefangenenlager 

Die Polizei ermittelt gegen einen Ex-Wachmann des früheren NS-Kriegsgefangenenlagers in Hemer. Er soll an Tötungen beteiligt gewesen sein - und ist laut »Bild« inzwischen 100 Jahre alt

 22.11.2025

Deutschland

»Völlige Schamlosigkeit«: Zentralrat der Juden kritisiert AfD-Spitzenkandidat für NS-Verharmlosung

Der AfD-Spitzenkandidat aus Sachsen-Anhalt, Ulrich Siegmund, äußert sich einschlägig in einem Podcast zur NS-Zeit

von Verena Schmitt-Roschmann  21.11.2025

München

»Wir verlieren die Hoheit über unsere Narrative«

Der Publizist und Psychologe Ahmad Mansour warnte in München vor Gefahren für die Demokratie - vor allem durch die sozialen Netzwerke

von Sabina Wolf  21.11.2025

Kommentar

Wenn Versöhnung zur Heuchelei wird

Jenaer Professoren wollen die Zusammenarbeit ihrer Universität mit israelischen Partnern prüfen lassen. Unter ihnen ist ausgerechnet ein evangelischer Theologe, der zum Thema Versöhnung lehrt

von Tobias Kühn  21.11.2025

Kommentar

Martin Hikel, Neukölln und die Kapitulation der Berliner SPD vor dem antisemitischen Zeitgeist

Der bisherige Bezirksbürgermeister von Berlin-Neukölln ist abgestraft worden - weil er die Grundwerte der sozialdemokratischen Partei vertreten hat

von Renée Röske  21.11.2025

Gespräch

»Der Überlebenskampf dauert an«

Arye Sharuz Shalicar über sein neues Buch, Israels Krieg gegen den palästinensischen Terror und die verzerrte Nahost-Berichterstattung in den deutschen Medien

von Detlef David Kauschke  21.11.2025

Nazivergangenheit

Keine Ehrenmedaille für Rühmann und Riefenstahl

»NS-belastet« oder »NS-konform« – das trifft laut einer Studie auf 14 Persönlichkeiten der Filmbranche zu. Ihnen wird rückwirkend eine Auszeichnung aberkannt, die die Spitzenorganisation der Filmwirtschaft (SPIO) zukünftig nicht mehr vergeben will

von Niklas Hesselmann  21.11.2025

Deutschland

»Hitler ist niedergekämpft worden. Unsere Städte mussten in Schutt und Asche gelegt werden, leider«

Militanter Linker, Turnschuhminister, Vizekanzler und Außenminister: Das sind die Stationen im Leben des Grünenpolitikers Joschka Fischer. Warum er heute vom CDU-Kanzler Konrad Adenauer ein anderes Bild als früher hat

von Barbara Just  21.11.2025