Bayern

Hubert Aiwangers späte Reue und der »Scheiß« aus seiner Jugend

Hubert Aiwanger (Freie Wähler), Staatsminister für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie von Bayern, steht vor seiner Festrede bei der Eröffnung des Aschauer Marktes im Chiemgau auf einer Bierbank. Foto: picture alliance/dpa

Als Hubert Aiwanger das Bierzelt betritt, werden »Hubert! Hubert!«-Rufe laut. Von Blasmusik begleitet geht der stellvertretende bayerische Ministerpräsident an voll besetzten Biertischen entlang, die Menschen strecken ihm die Hände entgegen, filmen, fotografieren und applaudieren begeistert.

Der Freie-Wähler-Politiker steht seit einer Woche wegen eines antisemitischen Flugblatts aus seiner Schulzeit in den 1980er Jahren unter Druck. Zwar sagt er, nicht der Verfasser gewesen zu sein, jedoch gibt es weitere Vorwürfe. Aiwangers Anhänger lassen sich davon zumindest bei dessen Bierzelt-Auftritt in Niederbayern nicht beirren.

Beim Karpfhamer Fest samt großer Landwirtschaftsschau hat der niederbayerische Landwirt Aiwanger in doppelter Hinsicht quasi ein Heimspiel. Als er an seinem Tisch angekommen ist, nimmt er einen Schluck Bier, steigt wenig später auf die Bank und winkt dem Publikum zu. Heiß und stickig ist es. Journalisten, Sicherheitsleute und Festbesucher drängen sich um den Politiker. »Durchhalten!«, ruft ihm ein Mann zu.

»Danke für diesen wunderbaren Empfang, das tut mir gut«, sagt Aiwanger dann am Rednerpult auf der Bühne. Er geht gleich in medias res: »Jawohl, auch ich habe in meiner Jugend Scheiß‘ gemacht. Jawohl, ich habe auch Mist gemacht.« Und weiter: »Das Flugblatt war scheußlich, das ist nicht wegzudiskutieren.«

Aiwanger hatte bereits vergangenen Samstag schriftlich zurückgewiesen, zu Schulzeiten das antisemitische Flugblatt geschrieben zu haben, über das die »Süddeutsche Zeitung« berichtet hatte. Gleichzeitig räumte er ein, es seien »ein oder wenige Exemplare« in seiner Schultasche gefunden worden. Kurz darauf sagte Aiwangers älterer Bruder, er sei der Verfasser gewesen.

Am Donnerstag entschuldigte sich Aiwanger dann erstmals öffentlich, was Ministerpräsident Markus Söder (CSU) am Freitag als »überfällig« bezeichnete. Gleichzeitig war Aiwanger aber auch zum Gegenangriff übergegangen und beklagte eine politische Kampagne gegen sich. Das wiederholte er auch beim Auftritt in Bad Griesbach (Landkreis Passau).

Es sei nicht in Ordnung, jemanden mit Dingen zu konfrontieren, die 35 bis 40 Jahre zurücklägen, »bis zu seiner beruflichen Existenzvernichtung«. Es gebe viele Dinge, die man im Nachhinein nicht mehr machen würde. Aber man müsse einem Menschen auch zubilligen, im Leben gescheiter zu werden. Es handele sich um eine von langer Hand geplante Schmutzkampagne gegen ihn, »vielleicht, um die Grünen in die Landesregierung zu bringen«.

Zu Aiwangers Verhalten in der Affäre sagte der Kommunikationsexperte Olaf Hoffjann am Freitag dem »Fränkischen Tag«, die Freien Wähler könnten sogar gestärkt daraus hervorgehen, sollte Aiwanger ihr Spitzenmann bleiben. Aiwanger agiere populistisch und habe »etwas vom Charakter eines Donald Trump«, sagte der Bamberger Professor. Seine Einschätzung: Das könnten eingefleischte Aiwanger-Anhänger womöglich sogar gut finden.

Die Zuhörer im Festzelt in Bad Griesbach stehen jedenfalls in weiten Teilen hinter Aiwanger. Am Biertisch empören sie sich über die »Journaille«, die sich endlich zurückhalten möge. »Nächste Woche schreiben sie dann, was er im Kindergarten alles gemacht hat«, sagt ein Mann. »Er ist denen einfach zu stark geworden. Jetzt soll er fertig gemacht werden.« Der Mann glaubt nicht, dass die Affäre Aiwanger schade.

Als der Politiker nach seiner Rede das Bierzelt verlässt, gehen der Trubel und die »Hubert«-Rufe weiter. Draußen drängen sich Menschen um Aiwanger, bitten um Selfies, schütteln ihm die Hand. Als sich der 52-Jährige an einem Süßigkeiten-Stand eine Schokobanane kauft, ruft ein Besucher: »Hubert, lass‘ Dich nicht verarschen! Weiter so!« Und ein anderer analysiert: »Wir haben einfach keine gute Presse.«

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