Berlin

Hologramme gegen Judenhass

Der Berliner Unternehmer Nicolai Schwarzer. Sein im Jahr 1923 in Berlin-Friedrichshain geborener Großvater Harry Schwarzer überlebte das Warschauer Ghetto und die Vernichtungslager Auschwitz und Treblinka. Foto: picture alliance/dpa

Promis und Influencer, die im Klassenzimmer über Demokratie und Toleranz sprechen: Berliner Schüler sollen das ab Herbst erleben können - und zwar per Hologramm. Dahinter steht der Verein »Nie wieder ist jetzt« des Unternehmers Nicolai Schwarzer.

Ab Mitte Juni werden die Hologramme - also eine Art dreidimensionale Videos - produziert. Unter den ersten Prominenten im Studio sollen der Rapper Eko Fresh, der Schauspieler Kida Khodr Ramadan und der Moderator Klaas Heufer-Umlauf sein.

Schwarzer war Organisator einer Solidaritätsdemonstration für jüdisches Leben in Deutschland nach dem Terrorangriff der Hamas auf Israel. Am Brandenburger Tor versammelten sich am 10. Dezember 2023 mehrere Tausend Menschen. Schirmherrin war die damalige Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD), heute Bundesarbeitsministerin. Nach der Demo habe Bas ihn gebeten, die Initiative weiterzuführen, sagte Schwarzer der Deutschen Presse-Agentur.

»Da läuft etwas schief«

»Auf der Demonstration waren nur wenige junge Menschen«, sagte Schwarzer, selbst Nachkomme von Holocaust-Überlebenden. »Darüber mache ich mir Gedanken, weil in Umfragen sehr viele Schülerinnen und Schüler sagen, sie hätten noch nie vom Holocaust und Auschwitz gehört. Da läuft etwas schief bei der Aufklärung der jungen Leute.« So sei die Idee für den Verein »Nie wieder ist jetzt« und das Schulprojekt entstanden. »Ziel ist, über Demokratie aufzuklären und gegen Hass, Antisemitismus und Rassismus anzugehen.«

Für Jugendliche kann das ein schwieriges Thema sein, oft gibt es Spannungen im Klassenzimmer. Deshalb holte sich Nicolai Schwarzer Rat. »Ich habe meinen damals zwölfjährigen Sohn gefragt: Wenn du ein blödes Thema in der Schule hast, was bringt dich dazu, trotzdem zuzuhören? Und er brachte mich darauf, Prominente und Influencer anzusprechen.«

Hinter Schwarzers Verein stehen bekannte Namen wie Günther Jauch, Hape Kerkeling, Herbert Grönemeyer oder Tim Bendzko. Aber der Teenager hatte andere im Sinn. »Viele Namen kannte ich gar nicht«, sagte Schwarzer zu den Vorschlägen seines Sohns.

»Großer Aha-Effekt«

Da einzelne Promis nicht viele Klassen abdecken könnten, kam die Idee mit den Hologrammen auf. »Das kommt bei den Jugendlichen super an«, meinte Schwarzer. Mit Lehrerinnen und Lehrern sei ein pädagogisches Konzept entwickelt worden, das werde nun technisch umgesetzt, sagte der Initiator.

Im Team ist Carolin Kleinfeld, Geschichtslehrerin an der Evangelischen Schule Frohnau. »Wir versprechen uns einen großen Aha-Effekt« von den Hologrammen, sagte sie der dpa. Schwarzers Wunsch sei gewesen: »Denkt bitte groß.« Inhaltlich soll es nach ihren Worten zunächst allgemeiner um Demokratie und Toleranz gehen - und das möglichst nicht mit »erhobenem Zeigefinger«. Später sollen die Schüler selbst kleine Filme zu Themen wie Homophobie, Rassismus oder Antisemitismus produzieren.

Vorerst gibt es laut der Lehrerin noch technische Hürden: Wo und wie werden die Hologramme übertragen? »Die Technik ist unglaublich teuer und herausfordernd«, sagte sie. Deshalb soll das Projekt ab Anfang des nächsten Schuljahrs an einzelnen Schulen ausprobiert werden. Die Schulverwaltung sei an Bord. Auch Berlins Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) ist Unterstützer und soll als Hologramm auftauchen.

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Initiator Schwarzer finanziert die Hologramme nach eigenen Angaben ohne öffentliche Förderung vor. Er hoffe allerdings, dass es noch Zuschüsse und Spenden dafür gebe, sagte der Unternehmer. Außerdem lasse er die gesamten Einnahmen aus dem Verkauf eines Buchs mit dem Titel »Nie wieder ist jetzt« einfließen, in dem er seine Motivation und Ziele beschreibt und das inzwischen im Handel ist.

Was ihn ärgert: »Leider gab es von vielen dieser Promis gar keine Rückmeldung. Aber einige machen nun doch mit.« Schirmherrin Bas sagte jüngst der »Berliner Zeitung«, noch als Bundestagspräsidentin habe auch sie Prominente angeschrieben, um für das Schulprojekt zu werben. »Die Reaktionen waren unterschiedlich. Wir haben erlebt, dass viele sich nicht positionieren wollen.« Die SPD-Politikerin selbst will aber »die eine oder andere Schulklasse besuchen.«

Ihre Position beschrieb Bas in dem Interview so: »Ich denke, es ist wichtig für junge Menschen zu wissen, dass man das Existenzrecht des Staates Israel unterstützen und gleichzeitig die Politik der israelischen Regierung kritisieren kann. Viele haben Angst, wenn sie das tun, werden sie als Israelhasser abgestempelt. Die Angst, etwas falsch zu machen, ist groß.«

Andererseits beschäftige sie sehr, dass sich viele die Angst von Juden in Deutschland nicht bewusst machten. »Nicolai Schwarzer gibt nicht auf, trotz Anfeindungen. Seine Familie hat Angst um ihn, weil er jetzt in der Öffentlichkeit steht.« Für sie sei klar: »Wir können doch nicht Jüdinnen und Juden den Kampf gegen Antisemitismus allein überlassen. Wir müssen etwas tun als Gesellschaft insgesamt.«

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