Sachsen-Anhalt

Mike Pompeo in Halle

US-Außenminister Mike Pompeo Foto: imago images/Pacific Press Agency

Vor der Synagoge in Halle stehen Polizisten. Ein großer, grauer Metallcontainer nimmt direkt vor dem jüdischen Gotteshaus ein gutes Stück der schmalen Straße ein. Es ist eine neue, mobile Polizeiwache. Sie macht spürbar: Die Stadt hat sich verändert.

Aber nicht nur die Polizeipräsenz ist neu, auch die Stadtgesellschaft ist heute eine andere. »Das Attentat vom 9. Oktober hat Halles Zivilgesellschaft stark getroffen«, sagt Oberbürgermeister Bernd Wiegand (parteilos). Die Menschen seien zusammengerückt. Es habe in den vergangenen vier Wochen eine Vielzahl bewegender Veranstaltungen an den Anschlagsorten – vor der Synagoge und vor dem Dönerladen in der Ludwig-Wucherer-Straße –, aber auch auf dem Marktplatz gegeben.

rückblende Vor einem Monat, am 9. Oktober, schießt mitten in der Saale-Stadt ein schwer bewaffneter Attentäter auf die verschlossene Tür zur Synagoge. Er will das Gebäude, in dem mehr als 50 Menschen Jom Kippur feiern, stürmen und ein Massaker anrichten. Sein Plan scheitert, weil die Tür standhält. Aber zwei zufällige Opfer verlieren durch ihn ihr Leben. Die Polizei trifft Minuten später ein.

Nicht nur die Polizeipräsenz ist neu, auch die Stadtgesellschaft ist nach dem Anschlag eine andere.

Vier Wochen später wehen im Herbstwind bunte Wimpel quer über Straßen, Bäume und Zäune – wenige Hundert Meter von der Synagoge entfernt. An einem Zaun neben einer der farbenfrohen Girlanden hängt noch der Aufruf: »Macht mit! Eine Wimpelkette für Zusammenhalt.« Die Schrift ist von Regen und Sonne verblichen. Der Oberbürgermeister sagt: »Die erste Konsequenz für mich persönlich lautet: Der Kampf gegen Intoleranz, Rassismus und Antisemitismus wird sichtbar in unserer Stadt und in unserer Verwaltungsstruktur verankert.«

An diesem Donnerstag will US-Außenminister Mike Pompeo Halle – mit rund 240 000 Einwohnern die bevölkerungsstärkste Stadt in Sachsen-Anhalt – im Rahmen seiner Deutschland-Reise besuchen.

schutz Nicht nur vor der Synagoge, überall in der Stadt, sind dieser Tage deutlich mehr Polizisten unterwegs. An mehreren Orten wurden Streifenwagen und Beamte positioniert. Insbesondere sei der Schutz von jüdischen Einrichtungen und Moscheen erhöht worden, teilt das Magdeburger Innenministerium mit.

Der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde, Max Privorozki, steht seit dem Anschlag in regem Austausch mit den Beamten, sagt er. Noch immer sei die jüdische Gemeinde unter Schock, so der gebürtige Ukrainer. Doch die Mitglieder müssten auch darauf vertrauen, dass das Land und die Sicherheitsorgane sie künftig schützen würden.

Die Synagogentür mit den Einschusslöchern soll bald ausgetauscht und zu einem Gedenkort werden, erklärt Gemeindevorsitzender Max Privorozki.

Die Synagogentür mit den Einschusslöchern soll bald ausgetauscht und zu einem Gedenkort werden, erklärt er weiter. Sie habe viele Menschen vermutlich vor dem sicheren Tod bewahrt. Ein Termin stehe noch nicht fest. »Sie wird aber nicht weggeschmissen.«

anteilnahme Direkt vor der Synagoge, an der eine 40 Jahre alte Passantin zufällig auf den Attentäter traf und erschossen wurde, liegen noch immer Blumen als Zeichen der Anteilnahme. Auch vor dem Döner-Imbiss, in dem ein 20 Jahre alte Merseburger kaltblütig von dem Attentäter getötet wurde, sind noch Beileidsbekundungen zu sehen. Etliche Blumen sind bereits verwelkt. Fan-Artikel des Halleschen FC, dessen Anhänger der 20-Jährige war, hängen noch immer an einem Baum vor dem Laden.

Der 27 Jahre alte Attentäter übertrug seine Taten per Helmkamera und stellte sie live ins Netz. Nachdem er an der Synagogentür scheiterte, die 40 Jahre alte Fußgängerin erschoss und zum Döner-Imbiss zu gehen, um wahllos auf den 20-Jährigen zu schießen, flüchtete der Täter. Die Polizei konnte ihn Stunden nach dem ersten Schuss festnehmen. Er gab ein rechtsextremistisches, antisemitisches Motiv zu. Heute sitzt er in Untersuchungshaft in Halle, keine zwei Kilometer von den Anschlagsorten entfernt.

Berlin

Friedrich Merz besucht Israel

Als Kanzler ist es sein erster Aufenthalt im jüdischen Staat. Die Beziehungen hatten zuletzt unter Druck gestanden

 25.11.2025

TV-Tipp

Ein äußerst untypischer Oligarch: Arte-Doku zeigt Lebensweg des Telegram-Gründers Pawel Durow

Der Dokumentarfilm »Telegram - Das dunkle Imperium von Pawel Durow« erzählt auf Arte und in der ARD-Mediathek die Geschichte der schwer fassbaren Messengerdienst-Plattform-Mischung und ihres Gründers Pawel Durow

von Christian Bartels  25.11.2025

Israel

Antisemitismus-Beauftragter wirft Sophie von der Tann Verharmlosung der Hamas-Massaker vor

Die ARD-Journalistin soll in einem Hintergrundgespräch gesagt haben, dass die Massaker vom 7. Oktober eine »Vorgeschichte« habe, die bis zum Zerfall des Osmanischen Reiches zurückreiche

 25.11.2025

Interview

»Weder die Verwaltung noch die Politik stehen an meiner Seite«

Stefan Hensel hat seinen Rücktritt als Antisemitismusbeauftragter Hamburgs angekündigt. Ein Gespräch über die Folgen des 7. Oktober, den Kampf gegen Windmühlen und kleine Gesten der Solidarität

von Joshua Schultheis  25.11.2025

Ramallah

Nach Hammer-Angriff auf Israeli - mutmaßlicher Täter getötet

Vor mehr als einem Jahr kam ein israelischer Wachmann im Westjordanland bei einem Angriff ums Leben. Seitdem haben israelische Sicherheitskräfte nach dem flüchtigen Täter gesucht

 25.11.2025

Orange Day

Palina Rojinski spricht über Gewalt in früherer Beziehung

Wie viele Frauen hat auch die Moderatorin einst in einer Beziehung Gewalt durch ihren Partner erfahren. Darüber spricht sie nun auf Instagram. Sie will anderen Mut machen, sich Hilfe zu holen

 25.11.2025

Entscheidung

Berlin benennt Platz nach Margot Friedländer

Jahrzehntelang engagierte sich die Holocaust-Überlebende Margot Friedländer für Aussöhnung. Nun erfährt die Berlinerin nach ihrem Tod eine besondere Ehrung

 25.11.2025

Hanau

Rabbiner antisemitisch beleidigt

Für die Gemeinde ist die Pöbel-Attacke kein Einzelfall

 25.11.2025

Berlin

RIAS: Polizei erfasst antisemitische Taten lückenhaft

Der Bundesverband sagt, es gebe strukturelle Probleme, Unsicherheiten im Umgang mit Betroffenen und ein insgesamt unzureichendes Bild antisemitischer Hasskriminalität in den offiziellen Statistiken

 25.11.2025