Hessen

Hetze gegen den Zentralrat

Foto: dpa

Nein, ein Antisemit will Gottfried Klasen nicht sein. Immer wieder hat der hessische AfD-Politiker das beteuert, seit bekannt wurde, dass er im Internet in großer Zahl rechtsextreme Postings veröffentlicht hat. Von denen viele kaum anders zu nennen sind als: unverhohlen antisemitisch.

ecke Vor einer Woche legte der 67-Jährige zwar schließlich doch noch sein Abgeordnetenmandat im Kasseler Kreistag nieder, aber nicht aus Einsicht, sondern nur, um Schaden von der Fraktion abzuwenden, wie es hieß. »Er sieht seinen Rücktritt nicht als gerechtfertigt an«, sagte AfD-Landesvorsitzender Peter Münch. »Er kann es nicht verstehen, dass er in diese Ecke gerückt werden soll.«

Nach dem Eklat um den baden-württembergischen AfD-Landtagsabgeordneten Wolfgang Gedeon war es das zweite Mal binnen kurzer Zeit, dass ein Mandatsträger der AfD sein antisemitisches Weltbild offenbarte. Anders als Gedeon griff Klasen dabei auch den Zentralrat der Juden direkt an. Anlässlich eines Berichts der Jüdischen Allgemeinen über eine mögliche Annäherung der AfD an Israel erklärte er via Facebook, der Zentralrat der Juden habe die »politische Meinungsbildungshoheit sowie die politische Kontrolle über Deutschland«. Er infiltriere alle Parteien, auch die AfD, um diese Kontrolle nicht zu verlieren. »Seine Fleischtöpfe muss man ja nun schließlich hüten, damit man sich auch in Zukunft üppig daraus bedienen kann.«

polen Es war nicht Klasens einziges einschlägiges Statement in dem sozialen Netzwerk. So kommentierte er einen Bericht über den polnischen Großvater von Bundeskanzlerin Angela Merkel, der im Ersten Weltkrieg möglicherweise gegen das Deutsche Reich gekämpft haben könnte: »Na ja, polnische Juden halt …« Von Juden war in dem Artikel freilich nirgends die Rede. Er fabulierte über den Einfluss und die bösen Absichten amerikanischer Juden (die er »USraelis« nennt). Und er verstieg sich zu der Aussage, es würde ihn »nicht wundern«, wenn Abu Bakr al-Baghdadi, Anführer des IS, israelischer Mossad-Agent wäre.

Von alledem hat er sich bis heute nicht distanziert. Er erklärte lediglich: Falls seine Beiträge zu »Missverständnissen« geführt hätten, so bedauere er das. Als einzigen Fehler räumte er ein, dass er ein boshaft erfundenes Zitat des früheren israelischen Ministerpräsidenten Menachem Begin weiterverbreitet hatte, in dem dieser sich angeblich über die Herrschaft einer jüdischen »Herrenrasse« ausließ: »Im Vergleich zu uns sind andere Rassen wie Vieh, sie sind der Abfall der Menschheit.« Eine plumpe antisemitische Fälschung, in die Welt gesetzt, um Angriffe auf Juden zu legitimieren. Er sei darauf hereingefallen, gab Klasen zu. Aber nur, weil das Zitat bei einer jüdischen Journalistin zu finden sei. Was allerdings ebenfalls nicht stimmt.

distanzierung Mittlerweile hat der nordhessische AfD-Politiker die meisten seiner rechtsextremen Äußerungen gelöscht. Dafür hat er eine Erklärung veröffentlicht, in der er sich gegen »jede Form von Extremismus, Fanatismus und Rassismus« ausspricht. Nur wenig später im selben Text schwadroniert er dann jedoch über die »Pläne einiger US-amerikanischer Politiker (mit jüdischen Wurzeln) zur Vernichtung der deutschen Bevölkerungsstruktur« und nennt als angeblichen Beleg dafür den »Hooton-Plan« und den »Kaufman-Plan« – beides Erfindungen der NS-Propaganda.

Laut AfD-Landeschef Münch wird über ein Parteiausschlussverfahren gegen Klasen erst bei der nächsten Landesvorstandssitzung in einigen Wochen beraten.

Deutschland

»Völlige Schamlosigkeit«: Zentralrat der Juden kritisiert AfD-Spitzenkandidat für NS-Verharmlosung

Der AfD-Spitzenkandidat aus Sachsen-Anhalt, Ulrich Siegmund, äußert sich einschlägig in einem Podcast zur NS-Zeit

von Verena Schmitt-Roschmann  21.11.2025

München

»Wir verlieren die Hoheit über unsere Narrative«

Der Publizist und Psychologe Ahmad Mansour warnte in München vor Gefahren für die Demokratie - vor allem durch die sozialen Netzwerke

von Sabina Wolf  21.11.2025

Tobias Kühn

Wenn Versöhnung zur Heuchelei wird

Jenaer Professoren wollen die Zusammenarbeit ihrer Universität mit israelischen Partnern prüfen lassen. Unter ihnen ist ausgerechnet ein evangelischer Theologe, der zum Thema Versöhnung lehrt

von Tobias Kühn  21.11.2025

Kommentar

Martin Hikel, Neukölln und die Kapitulation der Berliner SPD vor dem antisemitischen Zeitgeist

Der bisherige Bezirksbürgermeister von Berlin-Neukölln ist abgestraft worden - weil er die Grundwerte der sozialdemokratischen Partei vertreten hat

von Renée Röske  21.11.2025

Gespräch

»Der Überlebenskampf dauert an«

Arye Sharuz Shalicar über sein neues Buch, Israels Krieg gegen den palästinensischen Terror und die verzerrte Nahost-Berichterstattung in den deutschen Medien

von Detlef David Kauschke  21.11.2025

Nazivergangenheit

Keine Ehrenmedaille für Rühmann und Riefenstahl

»NS-belastet« oder »NS-konform« – das trifft laut einer Studie auf 14 Persönlichkeiten der Filmbranche zu. Ihnen wird rückwirkend eine Auszeichnung aberkannt, die die Spitzenorganisation der Filmwirtschaft (SPIO) zukünftig nicht mehr vergeben will

von Niklas Hesselmann  21.11.2025

Deutschland

»Hitler ist niedergekämpft worden. Unsere Städte mussten in Schutt und Asche gelegt werden, leider«

Militanter Linker, Turnschuhminister, Vizekanzler und Außenminister: Das sind die Stationen im Leben des Grünenpolitikers Joschka Fischer. Warum er heute vom CDU-Kanzler Konrad Adenauer ein anderes Bild als früher hat

von Barbara Just  21.11.2025

Berlin

Bundesinnenministerium wechselt Islamismusberater aus

Beraterkreis statt Task Force: Die schwarz-rote Bundesregierung setzt einen anderen Akzent gegen islamistischen Extremismus als die Ampel. Ein neues Expertengremium, zu dem auch Güner Balci gehören wird, soll zunächst einen Aktionsplan erarbeiten

von Alexander Riedel  21.11.2025

Glosse

Auf, auf zum bewaffneten Kampf!

Eine deutsche Komikerin wechselte am Wochenende wieder einmal das Genre. Enissa Amani versuchte allen Ernstes, rund 150 Berlinern zu erklären, dass Nelson Mandela das Vorgehen der Hamas gegen Israel gutgeheißen hätte

von Michael Thaidigsmann  21.11.2025 Aktualisiert