Deutschland

Heftige Kritik nach Ausladung von Michel Friedman in Klütz

Michel Friedman Foto: picture alliance / dts-Agentur

Die Ausladung des Publizisten Michel Friedman zu einer Lesung im Oktober 2026 im mecklenburgischen Klütz schlägt hohe Wellen. Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, hat die Entscheidung der Gemeinde hart kritisiert. Das sei »ein direkter Angriff auf die grundgesetzlich geschützte Meinungsfreiheit in unserem Land und ein Armutszeugnis für die dortige Gemeinde«, sagte Klein.

Friedman sollte im Oktober 2026 anlässlich des 120. Geburtstags von Hannah Arendt in Klütz über Demokratie sprechen. Doch die Veranstaltung mit dem 69-Jährigen sei abgesagt worden, hatte der Leiter des Literaturhauses, Oliver Hintz, der Deutschen Presse-Agentur am Montag gesagt.

Sorge vor rechten Störern als Grund genannt

Demnach habe ihm der Bürgermeister der Stadt Klütz, Jürgen Mevius (Unabhängige Wählergemeinschaft UWG), am Telefon mitgeteilt, dass sich die Mehrheit eines städtischen Gremiums gegen eine Lesung von Friedman ausgesprochen habe, hatte Hintz gesagt. Die Begründung sei: Man habe Sorge, dass rechte Störer oder Hamas-Sympathisanten nach Klütz kommen und demonstrieren könnten. 

Friedman wiederum hatte Mevius in einem Interview mit dem NDR kritisiert: Kunst-, Kultur und Meinungsfreiheit dürften nicht gefährdet sein, weil eine Einschüchterung durch Rechtsextreme angenommen werde.

Mevius widersprach dieser Darstellung und nannte finanzielle Gründe. Friedmans Honorar sei deutlich höher als bei Lesungen von Schriftstellern dort üblich. Eine Vertreterin des Fördervereins des Literaturhauses entgegnete, die Kosten würden nicht von der Stadt, sondern von anderen Trägern übernommen.

»Begründung erscheint vorgeschoben«

Die Begründung, man habe Angst vor Störungen durch Rechtsextremisten und könne nicht die Sicherheit garantieren, erscheine vorgeschoben bei einer Veranstaltung, die erst in über einem Jahr stattfinden soll, kritisierte der Antisemitismus-Beauftragte der Bundesregierung. »Um weiteren Imageschaden abzuwenden, sollte der Beschluss im eigenen Interesse rasch rückgängig gemacht werden«, forderte Felix Klein. 

Ein vorauseilendes Zurückweichen staatlicher Stellen vor Demokratiefeinden richte sich gegen die grundlegenden Werte unserer Gesellschaft, erklärte Klein. Dabei sei es unerheblich, dass der betroffene Redner Michel Friedman jüdischen Glaubens ist. »Es bleibt der Gemeinde unbenommen, zu gegebener Zeit eine Gefährdungsanalyse durch die zuständigen Sicherheitsbehörden einzuholen«, sagte der Antisemitismusbeauftragte.

Klützer Bürgermeister spricht von »missverständlichem Signal«

Der Klützer Bürgermeister Jürgen Mevius reagierte am Dienstag mit einer Pressemitteilung im Namen aller Stadtvertreterinnen und Stadtvertreter. Man verstehe, »dass die Kontroverse um Michel Friedmans Teilnahme an der Hannah-Arendt-Woche ein missverständliches Signal gesendet hat«, schrieb Mevius. »Umso mehr möchten wir bekräftigen, dass Toleranz, Vielfalt und Meinungsfreiheit stets klare Leitbilder unserer politischen Arbeit waren und sind.« 

Gemeinsam mit dem Uwe-Johnson-Literaturhaus und dem Förderverein werde man die Entscheidungsprozesse rund um die geplante Jubiläumsveranstaltung im Detail aufarbeiten, kündigte Mevius an. »Das Literaturhaus ist und bleibt für uns ein Ort, an dem die kritische Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen und kulturellen Themen einen wichtigen Platz einnimmt.«

Aufarbeitung in Klütz

Bürgermeister, Stadtvertreter und der Förderverein des Literaturhauses kamen am Dienstagabend zu einem ersten Gespräch zusammen. »Es war ein sehr gutes, sachliches Gespräch«, berichtete Mevius im Anschluss. Es sei über das Thema Finanzen gesprochen worden. Am Mittwochabend soll demnach ein weiteres Gespräch stattfinden, dann mit dem wissenschaftlichen Leiter des Literaturhauses, Oliver Hintz.

Auf die Frage, ob entschieden wurde, die Veranstaltung mit Friedman im Oktober 2026 doch durchzuführen oder bei der Ausladung zu bleiben, sagte Mevius: »So weit sind wir noch lange nicht.«

Kommenden Montag soll auch Friedman in Klütz sprechen

Die Autorenvereinigung PEN Berlin hat zu einer Kundgebung am kommenden Montag aufgerufen. »Die Ausladung unseres Gründungsmitglieds Michel Friedman hat zu Irritationen geführt – auch bei uns«, schrieb PEN in einer Mitteilung. Man bedauere die Absage der Veranstaltung. »So ist ein Eindruck entstanden, den niemand wollen kann, dem Demokratie, Kunst und der zivilisierte Austausch am Herzen liegen.«

Darum rufe PEN Berlin zu einer Kundgebung am 29. September um 17.00 Uhr am Klützer Markt auf. Dort werde neben dem Leiter des Literaturhauses Klütz, Oliver Hintz, auch die Schriftstellerin und PEN-Berlin-Sprecherin Thea Dorn sprechen sowie Michel Friedman, um dessen Ausladung die Kontroverse entbrannt ist.

Die Sorge vor Störungen gleich von welcher Seite könne niemals ein Argument sein, eine Veranstaltung abzusagen. »Das vorauseilende Einknicken vor Leuten, die nicht Kritik im Sinn haben, sondern Verhinderung, ist inakzeptabel«, schrieb PEN Berlin. 

Die Linke im Schweriner Landtag nannte die Absage an Friedman »nicht nachvollziehbar und deutlich zu kritisieren«. Alle Argumente, die bislang öffentlich kolportiert worden seien, wirkten schlicht vorgeschoben. »Besonders verheerend ist meines Erachtens die Aussage, den Auftritt von Friedman wegen befürchteter rechter Aufmärsche abzusagen«, sagte der innenpolitische Sprecher der Linksfraktion, Michael Noetzel. »Wir dürfen vor rechten Demokratiefeinden und Antisemiten nicht einknicken – erst recht nicht in vorauseilendem Gehorsam.«

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