Diplomatie

Harmlose Geste?

»Palästina« wird von 145 Mitgliedsstaaten der UN als eigenständiger Staat anerkannt. Foto: picture alliance / empics

Am Dienstagvormittag trat Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez auf die Treppe vor seinem Regierungspalast und gab Statements auf Spanisch und auf Englisch ab, in denen er erneut der Welt die formelle Anerkennung des Staates Palästina durch Spanien kundtat. In der Vorwoche hatte er bereits das Parlament darüber informiert und sich dafür Jubel von den eigenen Leuten, aber scharfe Kritik von der Opposition eingefangen.

Der umstrittene Schritt sei jedoch »unbedingt notwendig«, um Frieden in Nahost zu erreichen, sagte Sánchez. Er richte sich nicht gegen Israel (»ein befreundetes Land, mit dem wir die bestmöglichen Beziehungen pflegen wollen«) und auch nicht gegen die Juden in Spanien (»ein bewundernswertes Volk, dessen Identität eng mit Spaniens Geschichte und Kultur verwoben ist«), beteuerte der Sozialist. Nur gehe es nun mal nicht anders.

Sánchez beließ es nicht bei einer bloßen Anerkennung der Staatlichkeit. Er definierte auch gleich noch ein paar Parameter, die bislang zumindest eher als Sache der Konfliktparteien angesehen wurden: »Der Staat Palästina muss lebensfähig sein, mit dem Westjordanland und dem Gazastreifen durch einen Korridor verbunden und mit Ost-Jerusalem als Hauptstadt.«

Anerkennung der Grenzen von 1967

Spanien werde keine Änderung der Grenzen von 1967 anerkennen, es sei denn, eine solche werde von Israelis und Palästinensern vereinbart. Die Hamas bezeichnete Sánchez als Terrororganisation, die zerstört werden müsse. Partner seiner Regierung auf palästinensischer Seite sei einzig und allein die Palästinensische Autonomiebehörde in Ramallah.

Zeitgleich mit Spanien erkannten auch Irland und Norwegen den »Staat Palästina« offiziell an. Der Schritt war zuvor zwischen den drei Regierungen abgesprochen worden. Weitere EU-Staaten könnten bald nachziehen – die bisher nur mit Murren eingehaltene gemeinsame Position der EU-Länder ist damit Geschichte.

Vor allem unter dem Eindruck der israelischen Militäroperation gegen die Hamas im Gazastreifen ist vielerorts der Wunsch gewachsen, Solidarität mit den Palästinensern zu zeigen, und sei es auch nur symbolisch. Hinzu kommen die Wahlen zum Europäischen Parlament am 9. Juni, bei denen vor allem linkspopulistische Parteien aggressiv mit dem Thema Gaza auf Stimmenfang gehen.

Einige scheuen selbst vor hetzerischen Parolen nicht zurück. Yolanda Díaz, die Chefin der Linkskoalition Sumar und Stellvertreterin von Sánchez im Amt des Ministerpräsidenten, hatte bereits im Oktober die Anerkennung eines Palästinenserstaates zur Bedingung für den Eintritt in eine Regierung mit dem Sozialisten gemacht. Jetzt veröffentlichte Díaz ein Video, das in Israel für Empörung sorgte und als antisemitisch aufgenommen wurde.

Darin freute sie sich nicht nur über die Entscheidung ihrer Regierung zur Anerkennung des Staates Palästina, sondern sprach auch von einem »Genozid« an den Palästinensern in Gaza. Jeden Tag wache man »mit Bildern der Barbarei auf«; der Staat Israel habe bereits 35.000 Menschen ermordet. Díaz forderte EU-Sanktionen gegen Israel. Und endete dann ihre kurze Videobotschaft mit dem Satz: »Palästina wird frei sein, vom Fluss bis zum Meer.«

Für viele Beobachter sind die diplomatischen Anerkennungen nicht viel mehr als heiße Luft.

Die Reaktion der israelischen Regierung auf die Worte aus Madrid ließ nicht lange auf sich warten. Außenminister Israel Katz nannte Díaz eine »ignorante, hasserfüllte Person«. Ihre Worte seien ein »Affront gegen Israels Sicherheit und Souveränität«. Katz untersagte Spaniens Generalkonsulat in Jerusalem, künftig die Belange der Palästinenser außerhalb der Stadtgrenzen, also im Westjordanland und in Gaza, zu vertreten. Die israelischen Botschafter in den drei Ländern, die Palästina als Staat anerkannt hatten, rief Katz zu Konsultationen nach Jerusalem zurück.

Wenn es nach den Deutschen geht, ist es noch zu früh für eine diplomatische Anerkennung Palästinas als unabhängiger Staat. Das zumindest ergab eine Forsa-Umfrage für das Magazin »Stern«. Demnach hält genau die Hälfte der Befragten einen solchen Schritt für falsch, 38 Prozent befürworten ihn.

Bundesregierung: »Kein Anlass« für einen solchen Schritt

Die Bundesregierung sieht Aussagen von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zufolge auch »keinen Anlass« für einen solchen Schritt, obwohl aus der Kanzlerpartei bereits Forderungen erhoben wurden, Deutschland möge es Spanien, Irland und Norwegen möglichst bald nachtun. Die SPD-Bundestagsabgeordnete Isabel Cademartori sagte dem »Stern«, falls die Geiseln der Hamas freigelassen würden und es einen Waffenstillstand in Gaza gebe, könne die Anerkennung eines Palästinenserstaates ein »wichtiger erster Schritt« sein auf dem Weg zur Lösung des Nahostkonflikts.

Nicht nur die Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, sondern auch viele westliche Politiker sehen das fundamental anders. Cademartoris Genosse Michael Roth, der dem Auswärtigen Ausschuss des Bundestags vorsteht, sagte, so komme man der Zweistaatenlösung nicht näher. Roth nannte den Schritt das »falsche Signal zur falschen Zeit« und einen »weiteren Sieg für brutale und zynische Terroristen«.

Für viele Beobachter sind die diplomatischen Anerkennungen nicht viel mehr als heiße Luft. Immerhin haben bereits drei Viertel der UN-Mitgliedsstaaten einen Palästinenserstaat anerkannt, ohne dass es zu einer positiven Veränderung der Lage vor Ort gekommen wäre. Der Journalist und Netanjahu-Biograf Anshel Pfeffer nannte auch die heftige Gegenreaktion der israelischen Seite »lächerlich« und den Rückruf der Botschafter »sinnlosen Blödsinn«.

Pfeffer schrieb auf X: »Die atemlose Berichterstattung über die Anerkennung eines palästinensischen Staates durch drei europäische Länder ist nur ein weiteres Beispiel dafür, wie oberflächlich ein Großteil der Berichterstattung über den Konflikt ist. Es ist eine bedeutungslose Geste, die Israel keinen Schaden zufügt und den Palästinensern keinen Nutzen bringt.«

Krieg

Iran feuert neue Raketenwelle auf Israel ab. Drei Tote

Die Mullahs holen erneut zu einem Angriff auf den jüdischen Staat aus

 14.06.2025

Meinung

Nie wieder Opfer!

Israels Angriff auf Irans Atomanlagen war unausweichlich. Denn eine Konsequenz aus der jüdischen Geschichte lautet: Wenn es hart auf hart kommt, besser zuerst schlagen als zuerst und dann für immer geschlagen zu werden

von Michael Wolffsohn  14.06.2025

Thüringen

Verfassungsschutzchef warnt vor islamistischen Anschlägen gegen jüdische und israelische Einrichtungen

Kramer: Wir müssen davon ausgehen, dass die Hemmschwelle weiter sinken wird, auch gewalttätig zu werden

 13.06.2025

Gerhard Conrad

»Regime Change im Iran wäre noch wichtiger als die Zerstörung der Atomanlagen«

Der Ex-BND-Geiselunterhändler und Nahostexperte zum israelischen Militärschlag gegen den Iran und die Konsequenzen für den Nahen Osten

von Michael Thaidigsmann  13.06.2025

Gespräch

Beauftragter Klein: Kirche muss Antijudaismus aufarbeiten

Der deutsche Antisemitismusbeauftragte Felix Klein kritisiert die Heiligsprechung des Italieners Carlo Acutis. Ihm geht es um antijüdische Aspekte. Klein äußert sich auch zum christlich-jüdischen Dialog - und zum Papst

von Leticia Witte  13.06.2025

Schlag gegen Iran

Ein notwendiger Schritt

Israel hat alles Recht der Welt, sich gegen das iranische Atomprogramm zu wehren. Teheran darf niemals in den Besitz von Atomwaffen gelangen. Ein Kommentar von Philipp Peyman Engel

von Philipp Peyman Engel  13.06.2025

Angriff auf Iran

Dobrindt hält Israels Angriff für richtig

Die Operationen seien Israels Sicherheit dienlich, sagt der deutsche Innenminister. Die Sicherheitsbehörden wappnen sich für mögliche Folgen in Deutschland

 13.06.2025

Bundesregierung

»Das Ziel muss sein, dass Iran keine Nuklearwaffen entwickelt.«

Regierungssprecher Stefan Kornelius äußerte sich in Berlin zum israelischen Angriff auf Ziele im Iran und dem Recht Israels auf Selbstverteidigung

 13.06.2025

Schlag gegen Iran

Israelische Botschaften geschlossen

Der Krieg zwischen Israel um dem Iran hat Folgen in Berlin und anderen Hauptstädten. Die diplomatischen Vertretungen des jüdischen Staates arbeiten aus Sicherheitsgründen nicht

 13.06.2025