Grusswort

Gleich allen anderen Völkern

Zentralratspräsident Josef Schuster Foto: Thomas Lohnes/Zentraltrat der Juden

Eine Staatsgründung wie jene vor 70 Jahren hatte es zuvor noch nie und hat es seitdem nie mehr gegeben: Ein Volk, das in alle Welt zerstreut und gerade erst knapp der Vernichtung entronnen war, erlangte seine staatliche Souveränität. So feiern wir in diesem Jahr mit dem 70. Jahrestag der Unabhängigkeitserklärung Israels diese einzigartige und hart errungene Staatswerdung.

Eine tiefe Sehnsucht spiegelt sich im Text der Unabhängigkeitserklärung wider: »Gleich allen anderen Völkern, ist es das natürliche Recht des jüdischen Volkes, sein eigenes Schicksal als souveräner Staat selbst zu bestimmen.« Nach Jahrhunderten der Fremdbestimmung, Unterdrückung und Verfolgung wurde 1948 der Traum von der jüdischen Heimstätte wahr.

Ihre Pforten stehen bis heute jedem Juden offen.
Heute, 70 Jahre später, mischt sich in unsere Freude über den Geburtstag Israels aber auch Sorge. Von seinen unmittelbaren Nachbarn wird Israel nach wie vor nicht als »gleich allen anderen Völkern« akzeptiert. Und auch hier in Deutschland wird Israel mitunter so stark angegriffen, dass es einer Infragestellung seines Existenzrechts nahekommt.

Traum Wo stehen wir also mit diesem wahr gewordenen Traum im Jahr 2018? Am stärksten muss uns die außenpolitische Lage Israels beunruhigen. Der Krieg in Syrien, in den viele Mächte und islamistische Gruppen verstrickt sind, die instabile Lage im Libanon und in Ägypten sowie vor allem die anhaltende Bedrohung durch den Iran bilden eine Gemengelage, die hochexplosiv ist. Bemühungen um einen Frieden mit den Palästinensern oder eine Zweistaatenlösung sind schon allein aufgrund dieser politischen Lage im gesamten Nahen Osten derzeit fast unmöglich.

Israel hat derweil sehr viel für den Schutz seiner Bürger getan. Dennoch sind die Israelis immer noch Attentaten ausgesetzt. Die deutsche Gesellschaft kann viel von Israel lernen, was die Abwehr von Gefahren durch Terroranschläge angeht. Vor allem aber können wir uns alle von der Mentalität der Israelis eine Scheibe abschneiden. Sie lassen sich ihre Lebensfreude nicht nehmen! Beim jüngsten »Welt-Glücksbericht« der UN landete Israel von 156 Staaten auf dem elften Platz, wohingegen Deutschland nur Rang 15 erreichte.

Gesellschaft Leider werden der israelische Alltag und die äußerst heterogene israelische Gesellschaft in Deutschland nur sehr wenig wahrgenommen. Bei kaum einem anderen Land haben so viele Menschen schnell Pauschalurteile zur Hand wie bei Israel. Kenntnisse sind häufig kaum vorhanden, negative Bewertungen erstaunlicherweise umso rascher.

Und Bewegungen wie BDS, die weit über Deutschland hinaus aktiv sind, streuen mit ihren Boykottaufrufen gegen israelische Waren breites Misstrauen gegenüber Israel. Es ist daher sehr zu begrüßen, dass München, Frankfurt und Berlin BDS-Aktivisten keine städtischen Räume mehr zur Verfügung stellen. Andere Städte und die Universitäten sollten diesem Beispiel folgen.
Uns Juden in der Diaspora schmerzen diese Angriffe auf Israel.

Israel ist unsere Rückversicherung, unser sicherer Hafen. Hätte es Israel vor 80 Jahren gegeben, wäre es nicht zu dem gekommen, zu dem es gekommen ist. Dies wird in der Mehrheitsgesellschaft kaum wahrgenommen. Stattdessen werden Juden in Deutschland von einigen in Generalhaftung genommen für die israelische Regierungspolitik und mit antisemitischen Vorurteilen konfrontiert, die unter dem Deckmantel der Kritik an Israel weiter existieren.

Verantwortung Das kann jedoch nur eines bedeuten: Wir werden uns noch stärker für Israel einsetzen! Es kann nicht sein, dass sich ausgerechnet in Deutschland mit seiner aus der Geschichte erwachsenen Verantwortung für Israel eine Abneigung gegen den jüdischen Staat immer mehr ausbreitet.

Israel als einzige Demokratie im Nahen Osten zu seinem Geburtstag zu gratulieren, ist das eine. Etwas anderes ist es, Tag für Tag mit Israel solidarisch zu sein und den Staat darin zu unterstützen, in Frieden und »gleich allen anderen Völkern« existieren zu können. Das erwarten wir von der Politik – nicht nur zum Jahrestag der Staatsgründung. Masal tow, Israel!

Judenhass

Charlotte Knobloch warnt: Zukunft jüdischen Lebens ungewiss

Die Hintergründe

 16.11.2025

Extremismus

Beobachtungsstelle: Tausende christenfeindliche Straftaten in Europa

Europa gilt immer noch als christlicher Kontinent. Doch Experten warnen: Christen sind von einem Klima wachsender Intoleranz bedroht. Auch in Deutschland muss die Lage Besorgnis erregen

 16.11.2025

Deutschland

Auktion von Besitztümern von NS-Opfern abgesagt

Im Online-Katalog waren unter anderem Dokumente und Post von NS-Verfolgten aus Konzentrationslagern sowie Täterpost zu finden

 16.11.2025 Aktualisiert

Meinung

Mit Martin Hikel geht einer, der Tacheles redet

Der Neuköllner Bürgermeister will nicht erneut antreten, nachdem ihm die Parteilinke die Unterstützung entzogen hat. Eine fatale Nachricht für alle, die sich gegen Islamismus und Antisemitismus im Bezirk einsetzen

von Joshua Schultheis  16.11.2025

Berlin

Merz verspricht Schutz jüdischen Lebens in Deutschland

Bei der diesjährigen Verleihung des Preises für Verständigung und Toleranz im Jüdischen Museum Berlin an Amy Gutmann und David Zajfman gab Bundeskanzler Friedrich Merz ein klares Versprechen ab

 16.11.2025

Meinung

Die Ukrainer brauchen unsere Hilfe

Die Solidarität mit ukrainischen Geflüchteten in Deutschland nimmt ab. Aus einer jüdischen Perspektive bleibt es jedoch wichtig, auch weiterhin nicht von ihrer Seite abzuweichen

von Rabbinerin Rebecca Blady  16.11.2025

Berlin

Angriff auf Leiter deutsch-arabischer Schule in Neukölln

Al-Mashhadani gilt als Kritiker islamistischer Netzwerke und setzt sich für einen arabisch-israelischen Austausch ein

 15.11.2025

Debatte

»Hitler hatte eine unentdeckte genetische sexuelle Störung«

Eine neue britische Dokumentation über Adolf Hitler sorgt für Diskussionen: Kann die Analyse seiner DNA Aufschluss über die Persönlichkeit des Massenmörders geben?

 15.11.2025

Deutschland

Auschwitz-Komitee: Geplante Auktion ist schamlos 

Ein Neusser Auktionshaus will einen »Judenstern« und Briefe von KZ-Häftlingen und deren Angehörigen versteigern. Das internationale Auschwitz-Komitee reagiert

 15.11.2025