Andrej Hermlin

Gelbwesten gegen Juden

Andrej Hermlin Foto: PR

Andrej Hermlin

Gelbwesten gegen Juden

Der Musiker verurteilt die Attacke auf Alain Finkielkraut – und fordert eine Distanzierung durch die Linke

von Andrej Hermlin  20.02.2019 18:19 Uhr

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Vor einigen Jahren kaufte ich an einer Raststätte unweit der österreichischen Grenze eine gelbe Warnweste. Jemand hatte mich auf die Pflicht hingewiesen, eine solche Warnweste fortan im Auto mitzuführen. Andernfalls sei bei einer Kontrolle durch die Polizei mit hohen Geldbußen zu rechnen.

Bis heute habe ich sie nicht gebraucht, ich hatte weder eine Panne noch einen Unfall, die Weste liegt noch immer unbenutzt im Kofferraum meines Wagens. Ich hatte sie längst vergessen, als im Spätherbst des vergangenen Jahres in gelbe Warnwesten gekleidete Menschen in Paris und anderen französischen Städten damit begannen, zu Tausenden protestierend durch die Straßen zu ziehen.

Kürzlich tauchte eine bekannte deutsche Politikerin vor dem Bundeskanzleramt mit giftgelber Warnweste auf.

vater Mein Vater Stephan Hermlin hatte als jüdischer Emigrant einige Jahre in Frankreich gelebt, seine erste Tochter war in Paris zur Welt gekommen, mein Vater war mit Éluard und Aragon befreundet gewesen, er hat immer voller Sympathie von den lauten, widerspenstigen Franzosen gesprochen.

Seit Wochen nun versuchen Autoren, Journalisten und politische Beobachter, diese neue Rebellion der Franzosen zu begreifen. Es scheint ihnen schwerzufallen, zu diffus ist das Bild, es gibt keine erkennbare Struktur, keine wirkliche Führung, nur Wut, unbändige Wut auf ein System, das von den Demonstranten als kalt und feindselig angesehen wird.

Kürzlich tauchte eine bekannte deutsche Politikerin vor dem Bundeskanzleramt auf, auch sie trug eine giftgelbe Warnweste und sprach wohlmeinende Worte der Solidarität –  verbunden mit dem Wunsch, auch in unserem Land mögen Tausende mit Warnwesten Bewaffnete den Regierenden in ihre Mauern aus Arroganz fahren.

Der Aufruf zum Pogrom verdient keine Solidarität, nur Verachtung!

bouillabaisse Als ich ein Kind von fünf oder sechs Jahren war, führte mein Vater mich in eine kleine Brasserie auf dem Boulevard Saint-Germain. Seitdem liebe ich Bouillabaisse, die berühmte französische Fischsuppe. Es ist nicht leicht, in Deutschland eine gute Bouillabaisse zu bekommen. Mit den Gelbwesten in Paris – so sagte ich mir gestern – ist es wie mit einer Bouillabaisse. Der beste Fond und der erlesenste Fisch nützen wenig, wenn man zum Schluss noch eine Prise Arsen dazugibt.

Gelbwesten haben nun in Paris den jüdischen Philosophen Alain Finkielkraut attackiert. Der Angriff galt dem Juden Finkielkraut. »Frankreich gehört uns, du dreckiger Zionist!«, riefen sie. »Das Volk wird dich bestrafen!«

Der Aufruf zum Pogrom ist weder widerspenstig noch eine Rebellion. Er verdient keine Solidarität, nur Verachtung! Niemals kann eine Bewegung dem gesellschaftlichen Fortschritt von Nutzen sein, wenn sie Verachtenswertes in ihren Reihen duldet. Am Umgang mit den Geschehnissen in Paris wird abzulesen sein, was von alldem zu halten ist.

Vorsorglich bleibt meine Warnweste an ihrem Platz – im Kofferraum!

Der Autor ist Musiker und langjähriges Mitglied der Linken.

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