Analyse

Freunde in der Not

»Am Israel Chai«: Demonstranten fordern Solidarität mit dem jüdischen Staat. Foto: dpa

Der zweite Gaza-Krieg ist beendet. Der dritte kommt bestimmt. Weitere werden folgen, denn ein Lösungskonzept ist weit und breit nicht in Sicht. Die viel besungene Zwei-Staaten-Lösung ist keine Lösung, sie schafft neue Probleme. Dass sie unrealistisch ist, zeigte gerade dieser Kurz-Krieg: Es gibt schon jetzt faktisch zweimal »Palästina«: Gaza-Palästina und Palästina-Westjordanland. Das ist mehr als nur der Unterschied zwischen Hamas und Fatah, Fundamentalisten (besser: Terroristen) und Gemäßigten, Moschee- und Diskobesuchern. Hier stehen sich zwei fundamentale Lebenswünsche und -entwürfe gegenüber, deren geografische Trennung vielleicht auch für die Palästinenser selbst am besten ist.

»Freunde in der Not gehen tausend auf ein Lot«, sagt das deutsche Sprichwort. Es hilft auch bei der politischen Analyse, denn unausgesprochen vergleicht es Wort und Tat. Dieser Kurz-Krieg zeigte einmal mehr, auf wen sich Israel in Deutschland verlassen kann, wenn es hart auf hart kommt.

antiisraelisch Die Medien waren, wie so oft, Israel gegenüber distanziert, um es diplomatisch zu formulieren. Ausnahmen bestätigen die Regel. Die meisten (nicht nur) deutschen Journalisten sind weniger antiisraelisch als, vor allem sicherheitspolitisch, ahnungslos. Ein Beispiel: Guerillas und Terroristen feuern (auch Raketen) aus dem eigenen Zivil auf den Feind. Wenn dieser zurückschießt (um das eigene Zivil zu schützen), sind zivile Opfer bei den Angreifern die Folge. Genau das wollen die Guerilla-Terroristen, denn ihre toten Zivilisten sind die beste politische psychologische Propaganda. Soweit ich sehe, haben hierauf nur wenige Korrespondenten aufmerksam gemacht.

Zu den Freunden Israels zählte auch jetzt nicht die breite deutsche Öffentlichkeit, wohl aber die CDU/CSU und die Nach-Möllemann-FDP. Das ist ausgesprochen mutig, denn seit rund 30 Jahren gehört Israel in der Wertschätzung der Deutschen stets zum Trio der weltweit unbeliebtesten Staaten. So gesehen, ist die Israel-Solidarität von Union und FDP einerseits politisch fast selbstmörderisch, andererseits Zeichen echter Freundschaft. Wer sich offen für Israel einsetzt, ist in diesem Lande automatisch und demoskopisch nachweisbar in der Minderheit. Das mag man bedauern oder begrüßen – so ist es.

machtpolitisch Erfreulich, erstaunlich, energisch und beherzt agierte Außenminister Westerwelle. Gutdeutscher Manier entsprechend »setze er ein Zeichen« der Freundschaft. Doch auf ihn und Deutschland kam es bei der Vermittlung des Waffenstillstands weniger an als auf den hochgeschickten, machtpolitisch geradezu genial machiavellistischen Neu-Präsidenten Ägyptens und den Wieder-Präsidenten der USA.

SPD, Grüne und Die Linke schwiegen beredt, und die Deutsch-Israelische Parlamentariergruppe war im vorzeitigen Winterschlaf: »Reden ist Silber, Schweigen ist Gold.« Angesichts der Israel-Distanz der Öffentlichkeit verhielt sich die Opposition opportunistisch. Auch aus Überzeugung? Dann wäre die viel besungene deutsch-israelische Freundschaft ein (schönes) Trugbild. Abgesehen von den üblichen substanzlos-lieben, wirkungs- und folgenlosen »Keine-Gewalt!«-Appellen waren alle (mir bekannten) Stellungnahmen der Oppositionsparteien (wenn es sie gab) sehr staatsmännisch und nicht freundschaftlich. Sie waren ausgewogen, korrekt. Tenor: »Sowohl als auch«, also wortreiches Nichts. Selbst und allein Reinhold Robbe (SPD), sonst eher ein Parteisoldat, kritisierte seine Genossen. Nun ja, er ist Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, sonst aber immer zuerst biederer Parteisoldat.

staatsmännisch Wenn man den Nahostkonflikt nicht wieder bis Adam und Eva zurückverfolgen und über die Ursachen des 130-jährigen Palästina-Krieges streiten wollte, war gerade diesmal völlig unstrittig, wer die Gewaltspirale ausgelöst hatte: Hamas, »Jihad« & Co. aus dem Gazastreifen. Statt Ursache und Wirkung zu nennen, Aktion und Reaktion, bedauerten Oppositionspolitiker sowohl palästinensische Raketen auf israelische als auch israelische Bomben auf palästinensische Zivilisten. Wahrhaft staatsmännisch, wenn »staatsmännisch« »nichtssagend« bedeutet.

Angela Merkel, die beständige Israelfreundin schlechthin, hat, wie EU-Frau Ashton (sonst eher Israel-weich), US-Präsident Obama, Großbritanniens Cameron oder Frankreichs Hollande, Ross und Reiter, also Gaza-Raketen und -abfeuerer, benannt. Anders als unsere SPD, Grüne, Linke und auch die sonst so redseligen Herren Steinbrück und Gysi, die sich in ungewohnter Zurückhaltung übten.

Zwei altneue Lehren zeigte der Gaza-Kurz-Krieg 2012. Erstens: Die sicherheitspolitische Ahnungslosigkeit und Enthaltsamkeit in Deutschland muss überwunden werden, wenn dieses Land außenpolitisch nicht so gewichtig wie Andorra werden will. Zweitens: Israel und »die Juden« – das sind politisch, medial und gesellschaftlich immer noch und immer wieder schlüpfrige Themen, sozusagen Bananenschalen. Nur wenige finden den Mut, sich auf diesem Terrain zu bewegen. Gerade deshalb einmal mehr: Danke, Angela Merkel, und Dank den wenigen, durchaus kritischen, aber aufrichtigen Israelfreunden.

Der Autor ist Historiker und Autor des Buchs »Wem gehört das Heilige Land?«.

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