Reaktionen

Freund und Bruder Franziskus – Juden verabschieden sich vom Papst

Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland Foto: imago

Reaktionen

Freund und Bruder Franziskus – Juden verabschieden sich vom Papst

Mit Wärme und Respekt würdigen Vertreter der jüdischen Gemeinschaft in Deutschland und weltweit den Papst. Nicht immer war das Verhältnis von katholischer Kirche und Judentum aber einfach, etwa nach dem 7. Oktober 2023

von Leticia Witte  23.04.2025 12:30 Uhr

Freund der jüdischen Gemeinschaft, Bruder Franziskus: Mit bewegenden Worten haben Vertreter des Judentums sowie Überlebende des früheren NS-Vernichtungslagers Auschwitz den gestorbenen Papst Franziskus gewürdigt. Das Oberhaupt von 1,4 Milliarden Katholiken weltweit war am Ostermontag im Alter von 88 Jahren an den Folgen einer schweren Lungenentzündung gestorben.

Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, sprach von einem »Freund der jüdischen Gemeinschaft«. »Möge seine entschiedene Haltung gegen Antisemitismus, die er noch am gestrigen Ostersonntag klar formuliert hat, auch in Zukunft die katholische Kirche und die gesamte Weltgemeinschaft leiten.«

Lesen Sie auch

Noch am Ostersonntag hatte sich der Papst der Öffentlichkeit auf dem Petersplatz gezeigt und den Segen erteilt. In seiner Osterbotschaft kritisierte er Antisemitismus sowie den Krieg im Gazastreifen. »Den leidenden Christen in Palästina und Israel wie dem gesamten israelischen und palästinensischen Volk bekunde ich meine Nähe.« Der Papst bezeichnete das »wachsende Klima des Antisemitismus, das sich in der ganzen Welt ausbreitet« als besorgniserregend.

Tiefe Verbundenheit zu Juden in Buenos Aires

»Jeder, der ihn kannte, konnte die tiefe Verbundenheit gerade zur jüdischen Gemeinde in seiner Heimat Buenos Aires spüren«, betonte Schuster. Franziskus stammte aus Argentinien und war der erste Lateinamerikaner an der Spitze der katholischen Kirche. Bevor er am 13. März 2013 zum Papst gewählt wurde, war er Erzbischof von Buenos Aires.

Für den Präsidenten des Jüdischen Weltkongresses, Ronald S. Lauder, war Franziskus eine »wahre moralische Führungspersönlichkeit, ein Mann tiefen Glaubens und Humanität und ein standhafter Freund des jüdischen Volkes«. Lauder unterstrich die Bemühungen des Papstes um den interreligiösen Dialog und den Erhalt des Gedenkens an die Schoah auch für kommende Generationen.

Eine Welt ohne Angst vor Fremden

Auschwitz-Überlebende bezeichneten ihn als »Bruder Franziskus«. Sie verabschiedeten sich mit großer Wehmut, Zuneigung und Anerkennung, so der Exekutiv-Vizepräsident des Internationalen Auschwitz-Komitees, Christoph Heubner. Franziskus sei für Überlebende ein Mensch gewesen, dem sie tiefes Vertrauen entgegengebracht hätten.

»Seine Einladungen und Aufforderungen an alle Menschen, eine Welt zu gestalten, in der die Angst vor Fremden, Antisemitismus und Rassenhass keinen Platz mehr haben sollen, hat die Überlebenden tief berührt«, hieß es.

Europäische Rabbiner würdigten den Papst für ein unermüdliches Engagement »für den Frieden und den guten Willen in der Welt«. Der Präsident der orthodox geprägten Konferenz Europäischer Rabbiner, Oberrabbiner Pinchas Goldschmidt, übermittelte dem Heiligen Stuhl die tiefe Trauer der Konferenz. Sie vertritt als Europäisches Rabbinat nach eigenen Angaben rund 1.000 Mitglieder und 800 aktive Rabbiner.

Goldschmidt sagte, er erinnere sich gerne an seine vielen Begegnungen mit dem Papst und dessen Bemühungen um die Stärkung der katholisch-jüdischen Beziehungen. Dazu gehöre auch ein Treffen zur Vatikan-Erklärung »Nostra aetate« über das Verhältnis der Kirche zum Judentum. Die Erklärung, deren 60. Jahrestag in diesem Jahr begangen wird, habe den interreligiösen Dialog tiefgreifend verändert.

Würdigungen und Kritik zu Lebzeiten des Papstes

Von jüdischer Seite war das Wirken von Franziskus auch zu Lebzeiten immer wieder gewürdigt worden, etwa seine Aufrufe gegen Judenhass. Aufsehen erregte auch sein Besuch der Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau 2016 im Rahmen seiner Reise zum Weltjugendtag in Krakau. Kritik von jüdischer Seite am Papst kam jedoch im Zuge des Gazakriegs als Folge des Terrorüberfalls der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 auf: Franziskus wurde wiederholt einseitige Parteinahme für die Palästinenser in unterschiedlichen Äußerungen vorgeworfen.

Darauf hob jetzt auch der Jüdische Weltkongress ab, der gleichwohl eine Repräsentanz nahe dem Vatikan unterhält: Gerade in den vergangenen Monaten habe es schwierige Momente gegeben.

Meinung

Ein Friedensplan, der keiner ist?

Die von den Amerikanern vorgelegten Punkte zur Beendigung des Ukraine-Kriegs sind kein fairer Vorschlag, sondern eine Belohnung für den russischen Aggressor

von Alexander Friedman  24.11.2025

Münster

Gericht macht Unterschiede bei propalästinensischen Parolen

Wann ist Kritik am Staat Israel von der Meinungsfreiheit gedeckt? Ein Gericht in NRW sieht das generelle Verbot, das Existenzrecht Israels zu bestreiten, als rechtswidrig an

 24.11.2025

Berlin

Friedrich Merz besucht Israel

Als Kanzler ist es sein erster Aufenthalt im jüdischen Staat. Die Beziehungen hatten zuletzt unter Druck gestanden

 24.11.2025

Portrait

Die Frau, die das Grauen dokumentieren will

Kurz nach dem 7. Oktober 2023 gründete die israelische Juristin Cochav Elkayam-Levy eine Organisation, die die Verbrechen der Hamas an Frauen und Familien dokumentiert. Unser Redakteur sprach mit ihr über ihre Arbeit und ihren Frust über die Vereinten Nationen

von Michael Thaidigsmann  24.11.2025

Potsdam

BSW-Fraktionsvize tritt nach Reaktion auf AfD-Zitat zurück

Die Landtagsfraktion in Brandenburg ist nach vier Parteiaustritten in einer Krise. Nun tritt auch noch Fraktionsvize Dorst von seinem Amt zurück. Die Hintergründe

 24.11.2025

Soziale Medien

Plattform X: Israelfeindliche und antisemitische Inhalte aus Pakistan und der Türkei

Ein neues Transparenz-Feature zeigt: Angeblich von westlichen »Israelkritikern« betriebene Konten werden in Wirklichkeit aus anderen Teilen der Welt bearbeitet

 24.11.2025

Washington D.C.

Trump kündigt Einstufung der Muslimbrüder als Terrororganisation an

Der Organisation würde mit diesem Schritt der Zugang zu finanzieller Unterstützung verwehrt. Die Muslimbruderschaft wird immer wieder mit radikalen Ablegern in Verbindung gebracht

 24.11.2025

Existenzrecht Israels

Objektive Strafbarkeitslücke

Nicht die Gerichte dafür schelten, dass der Gesetzgeber seine Hausaufgaben nicht macht. Ein Kommentar

von Volker Beck  23.11.2025

Dortmund

Ermittlungen gegen Wachmann von NS-Gefangenenlager 

Die Polizei ermittelt gegen einen Ex-Wachmann des früheren NS-Kriegsgefangenenlagers in Hemer. Er soll an Tötungen beteiligt gewesen sein - und ist laut »Bild« inzwischen 100 Jahre alt

 22.11.2025