Meinung

Falsches Signal aus Göttingen

Raphel Gross Foto: dpa

Antisemitismus ist kein statisches Phänomen. Er enthält sowohl tradierte Elemente als auch neue Ausdrucksformen. In einer säkularen, wenn auch christlich geprägten Welt ist er – trotz vieler Ähnlichkeiten – nicht dasselbe wie in einer islamisch geprägten Umgebung; und er ist in Deutschland nach dem Holocaust nicht identisch mit seinen aktuellen Formen in Großbritannien. Während man ihn politisch zu bekämpfen und wissenschaftlich zu erforschen versucht, wandelt er sich.

Umso dringlicher ist es, dass man sich theoretisch, politisch-empirisch und in seiner langen historischen Dimension mit dem Antisemitismus auseinandersetzt, um beides zu begreifen: Kontinuitäten und Veränderungen. Das sind wichtige Voraussetzungen, damit Politik, Gesellschaft und jeder Einzelne auch angemessen darauf reagieren kann.

erforschung
In den vergangenen Jahren hat der gewalttätige Antisemitismus weltweit massiv zugenommen, gerade in Europa: Marseille, Brüssel, Kopenhagen, Paris. Jüdische Institutionen ohne starke Sicherheitsmaßnahmen sind heute fast undenkbar geworden. Zu Recht können sich deshalb die Erforschung des Antisemitismus und seine Aufnahme in die akademischen und schulischen Curricula in Deutschland eines breiten Konsens sicher sein. Umso erstaunlicher erscheint es nun, dass an der Universität Göttingen gerade der Vertrag für eine Stelle nicht verlängert werden soll, an der Samuel Salzborn aufgrund seiner Publikationen und öffentlichen Interventionen zu einer eigenen »Ein-Mann-Institution« der Antisemitismus- und Rechtsradikalismusforschung geworden ist.

Der europäische Antisemitismus wächst leider von Jahr zu Jahr, auch in Deutschland. Die Universität Göttingen setzt mit ihrem Vorhaben, ausgerechnet jetzt einen ausgewiesenen Spezialisten in diesem Themenfeld, wie es Salzborn ist, als leicht ersetzbar zu betrachten, ein falsches Zeichen. Gewiss ist es nicht gut, wenn Personalentscheidungen in diesem Bereich allzu schnell skandalisiert werden.

Die Universitätspräsidentin betonte zudem im Gespräch, sie wolle das Thema nach dem Auslaufen des Vertrages von Salzborn keineswegs beenden, sondern in Göttingen weiter verfolgen. Aber offenbar hat man sie nicht darüber informiert, dass es so viele Experten auf seinem Niveau dazu gar nicht gibt. Sie sollte deshalb ihre Entscheidung, die Stelle des Kollegen auf gerade diesem Lehrstuhl auslaufen zu lassen, noch einmal überdenken.

Der Autor ist Historiker und Direktor des Simon-Dubnow-Instituts in Leipzig.

Genf

Entscheidung gefällt: Israel bleibt im Eurovision Song Contest

Eine Mehrheit der 56 Mitgliedsländer in der European Broadcasting Union stellte sich am Donnerstag gegen den Ausschluss Israels. Nun wollen Länder wie Irland, Spanien und die Niederlande den Musikwettbewerb boykottieren

von Michael Thaidigsmann  04.12.2025

Medien

»Die Kritik trifft mich, entbehrt aber jeder Grundlage«

Sophie von der Tann wird heute mit dem Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis geehrt. Bislang schwieg sie zur scharfen Kritik an ihrer Arbeit. Doch jetzt antwortete die ARD-Journalistin ihren Kritikern

 04.12.2025

Karlsruhe/München

Mutmaßlicher Huthi-Terrorist angeklagt

Ein Mann soll für die Terrororganisation im Jemen gekämpft haben. Deutschlands oberste Anklagebehörde will ihn vor Gericht sehen

 04.12.2025

Antisemitismus

Litauen: Chef von Regierungspartei wegen Antisemitismus verurteilt

In Litauen ist der Chef einer Regierungspartei mehrfach durch antisemitische Aussagen aufgefallen. Dafür musste er sich vor Gericht verantworten. Nun haben die Richter ihr Urteil gefällt

 04.12.2025

Berlin

Verfassungsschutz nimmt neue AfD-Jugend ins Blickfeld

Ist auch die »Generation Deutschland« rechtsextremistisch? Sie rückt bereits in den Fokus des Bundesamts für Verfassungsschutz

 04.12.2025

Berlin

Merz und Wegner nennen Lübcke-Statue geschmacklos

Auch Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) äußerte Unmut: Das Schicksal eines von einem Rechtsradikalen ermordeten Politiker zu instrumentalisieren, sei an Geschmacklosigkeit nicht zu überbieten

 04.12.2025

Bayern

Landtag wirbt für Yad Vashem-Außenstelle in München

Ein fraktionsübergreifenden Antrag – ohne Beteiligung der AfD - für eine Außenstelle der israelischen Gedenkstätte im Freistaat liegt vor

 04.12.2025

Ehrung

»Ahmad Mansour kämpft nicht gegen Symptome, sondern gegen Ursachen«

Der Islamismusexperte Ahmad Mansour wurde mit dem Hanns-Martin-Schleyer-Preis ausgezeichnet. Die Laudatio hielt Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland. Wir dokumentieren die Rede

von Josef Schuster  04.12.2025

Graz

Verharmlosung von NS-Verbrechen: Haft für Deutschen in Österreich

Lange Haftstrafe für einen Publizisten: Was steckt hinter dem Urteil, und wie stufen Extremismusforscher seine bereits eingestellte Zeitschrift ein?

 04.12.2025