Meinung

Etikettenschwindel im Ersten

Man stelle sich vor, ein deutscher Dokumentarfilmer bekäme sechs ehemalige Chefs des Bundesnachrichtendienstes vor die Kamera, die dort offen über ihre Methoden sprächen, bis hin zu tödlichen Anschlägen. Man kann es sich nicht vorstellen. Ein solcher Film käme hierzulande nie zustande. Auch in den USA, in Großbritannien oder Frankreich kennt man das Innenleben der Geheimdienste nur aus den Romanen von John LeCarré oder Robert Littell.

In Israel aber ist so etwas möglich. Der Filmemacher Dror Moreh lässt in seiner Doku, die arte am kommenden Dienstag und die ARD am Mittwoch zeigt, sechs ehemalige Schin-Bet-Chefs über ihren Dienst reden. Die gestandenen Profis nennen dort den blutigen Preis, den Israels Sicherheit verlangt. Sie schonen sich dabei selbst nicht, erzählen im Detail, wie sie und ihre Agenten sich die Hände schmutzig gemacht haben.

Sie lassen auch die Regierungen nicht ungeschoren, in deren Auftrag sie gehandelt haben. So hart und nüchtern wie von diesen Geheimdienstleuten sind Israels Versäumnisse und Dummheiten im Nahostfriedensprozess selten seziert worden. Dass dieser Film gedreht werden konnte und in Israel in großen Multiplex-Kinos läuft, ist ein einzigartiges Zeugnis einer offenen Gesellschaft.

anklage In Deutschland freilich wird daraus eine implizite Anklage gegen Israel. Das fängt schon beim Titel an: Im englischsprachigen Original lautet der The Gatekeepers, »die Torwächter«; daraus hat man ein gruseliges Töte zuerst gemacht, wohl in Anspielung auf das Talmudzitat »Wenn jemand daherkommt, dich zu töten, steh auf und töte ihn zuerst«. Ganz in diesem Geiste spricht der Pressetext des NDR von »gezielten Tötungen von Palästinenserführern« und dem »Terror ultraorthodoxer Juden«. So wird für den Wiedererkennungswert beim »israelkritisch« konditionierten Fernsehpublikum gesorgt. Das nennt man Marketing. Oder Etikettenschwindel.

Man hätte sich vom NDR wenigstens einen klitzekleinen Hinweis auf das gewünscht, was Dror Moreh im Interview mit dieser Zeitung sagt: Dass nämlich nicht nur, wie es im Pressetext des Senders heißt, »es Israel seit 1967 nicht gelungen ist, dauerhaft Frieden zu schließen«, sondern dass die palästinensische Führung dafür mitverantwortlich ist. Und dass ein solcher Film in Ramallah oder Gaza nie hätte gedreht werden können. Doch das passt offenbar nicht ins deutsche Fernsehbild.

Kommentar

Europa ist im Nahen Osten bedeutungsloser denn je

Während die USA unter Präsident Donald Trump keinen Zweifel darüber haben aufkommen lassen, wo es steht, hat Europa komplett versagt

von Daniel Neumann  13.10.2025

Gaza

Hamas kündigt Fortsetzung des Terrors gegen Israel an

Die Hamas will Israel weiterhin zerstören und einen islamischen Staat errichten

 13.10.2025 Aktualisiert

Berlin

Merz: »Der Krieg in Gaza ist zu Ende«

Der Kanzler würdigt den 13. Oktober als historischen Tag. Er hofft nun, dass von der Waffenruhe im Gazastreifen auch ein Signal in ein anderes Kriegsgebiet ausgeht

 13.10.2025

Nahost

Trumps Triumph in Nahost: wie ihm das gelang

Er versprach, schnell den Ukraine-Konflikt zu lösen - doch daran beißt sich US-Präsident Trump bislang die Zähne aus. Nun gelang ihm aber der Durchbruch im Gaza-Krieg. Wie hat Trump das gemacht?

von Andrej Sokolow, Anna Ringle  13.10.2025

Prognose

Beauftragter Klein erwartet nach Waffenruhe Rückgang von Judenhass

Hoffnung über Gaza hinaus: Der Antisemitismusbeauftragte des Bundes schätzt, dass mit der Waffenruhe auch der Judenhass in Deutschland abnimmt. Gleichzeitig brauche es Präventionsarbeit

 13.10.2025

Israel

Donald Trump vor der Knesset: Lob, Preis und Dank

Es war ein Empfang nach seinem Geschmack: Fast zeitgleich zur Freilassung der israelischen Geiseln in Gaza kam Donald Trump für ein paar Stunden nach Israel - und sprach zur Knesset

von Michael Thaidigsmann  13.10.2025

Stimmen

Erleichterung über Geisel-Freilassung - »Wechselbad der Gefühle«

Nach 738 Tagen sind die noch verbliebenen lebenden israelischen Geiseln von der Terrororganisation Hamas freigelassen worden. Unter die Freude über ihre Rückkehr mischt sich auch die Trauer um die Getöteten

von Niklas Hesselmann  13.10.2025

Meinung

Neues Semester, alter Antisemitismus?

Seit zwei Jahren sind deutsche Hochschulen keine sicheren Orte mehr für jüdische Studierende. Es wird viel Mühe kosten, diese Entwicklung zurückzudrehen

von Ron Dekel  13.10.2025

Nach Freilassung

Zentralrat der Juden: Geisel-Rückkehr Beginn eines Heilungsprozesses

Unter die Freude über die Freilassung der lebenden Geiseln mischt sich beim Präsidenten des Zentralrats auch die Trauer über die getöteten. Dieser Tag bedeute auch noch keine Rückkehr zur Normalität

von Niklas Hesselmann  13.10.2025