Interview

»Es gibt keine Brandmauer«

Peter R. Neumann Foto: Laurence Chaperon

Herr Neumann, ein Prinz, eine Ärztin, eine Richterin, ein Polizist, ehemalige Bundeswehrsoldaten: Wie groß war die Gefahr, die von dieser Gruppe mutmaßlicher Umstürzler ausging?
Man kann das sicher nicht als Lappalie abtun. Es ist gut, dass diese Gruppe rechtzeitig gesprengt wurde. Ich glaube zwar nicht, dass von ihr eine echte Gefahr für die Demokratie ausging. Ein paar Dutzend Verschwörer sind dafür schlicht zu wenig. Aber: Laut Bundesamt für Verfassungsschutz ist rund ein Zehntel der 20.000 Reichsbürger-Sympathisanten gewaltbereit. Zahlenmäßig bewegen wir uns also auf demselben Niveau wie bei der Islamistenszene. Letztere ist zwar besser organisiert, aber bei den Reichsbürgern gibt es sehr viele Waffennarren – Leute, die nicht nur einen Waffenschein besitzen, sondern auch Schusswaffen und Munition im Keller horten.

Welchen Stellenwert hat Antisemitismus in deren Ideologie?
Sicher sind nicht alle antisemitisch eingestellt. Aber wie bei vielen Verschwörungsnarrativen, die auf dem Glauben basieren, eine kleine, geheimnisvolle Elite ziehe die Strippen, landet man auch hier schnell beim Antisemitismus.

Besteht hier eine besondere Bedrohung für jüdische Einrichtungen?
Sie sind ja bereits Zielscheibe für Rechtsextremisten aller Art. Es lässt sich nicht ausschließen, dass auch Reichsbürger auf die Idee kommen, sie anzugreifen. Aber ein gesondertes Problem sehe ich hier nicht.

Unter den Verhafteten ist auch eine ehemalige AfD-Bundestagsabgeordnete. Welche Rolle spielt die Partei in diesem Zusammenhang?
Eine sehr problematische. Was mir, neben den Verbindungen der Verschwörer zur Bundeswehr, am meisten Sorge bereitet, ist die Tatsache, dass einzelne AfD-Vertreter immer mal wieder Sympathien für die Reichsbürger bekunden, auch wenn die Partei nicht deren Ideologie übernimmt. Es gibt keine Brandmauer.

Sollte man über ein Verbot der AfD nachdenken?
Davon halte ich nichts. Solche Verfahren bringen nicht viel. Die rechtlichen Hürden sind hoch, und es würde sich schnell eine neue Partei formieren, die ähnliche Gedanken verfolgt. Vielmehr sollte man die Beobachtung der AfD durch den Verfassungsschutz auf ganz Deutschland ausweiten, das wäre effektiver.

Viele der Verhafteten arbeiteten im Staatsdienst, als Polizisten, Richter und Soldaten. Sehen Sie da einen Hebel?
Definitiv. Beamte schwören einen Eid auf die Verfassung. Sie genießen deswegen große Privilegien. Wer sich verfassungsfeindlich betätigt, sollte aus dem Staatsdienst leichter entfernt werden können. Hier braucht es schnell eine entsprechende Reform des Beamtenrechts.

Mit dem Terrorismusexperten sprach Michael Thaidigsmann.

Senat

Mehrere Berliner Abgeordnete verlassen Linkspartei

Wegen eines Antisemitismus-Streits kehren einige Politiker der Linkspartei den Rücken - auch der ehemalige Senator Klaus Lederer

 23.10.2024

Straßburg

Alle Klarheiten beseitigt

Der Streit über EU-Gelder für die Palästinenser und die UNRWA entzweit das Europäische Parlament

von Michael Thaidigsmann  23.10.2024

USA/Israel

FBI übernimmt Ermittlungen nach Geheimdienstleck

Dokumente über Israels Vorbereitungen für einen Angriff gegen den Iran gelangten an die Öffentlichkeit. Wer steckt dahinter?

 23.10.2024

Washington D.C.

Trump wollte »Militärs wie Hitlers Generäle«

Sein ehemaliger Stabschef John Kelly erinnert sich an höchst problematische Aussagen

 23.10.2024

Herta Müller

»Das Wort ›Märtyrer‹ verachtet das Leben schlechthin«

Die Literaturnobelpreisträgerin wurde mit dem Arik-Brauer-Publizistikpreis ausgezeichnet. Wir dokumentieren ihre Dankesrede

von Herta Müller  23.10.2024

Dokumentation

»Eine Welt ohne Herta Müllers kompromisslose Literatur ist unvorstellbar«

Herta Müller ist mit dem Arik-Brauer-Publizistikpreis ausgezeichnet worden. Lesen Sie hier die Laudatio von Josef Joffe

von Josef Joffe  23.10.2024

Antisemitismus

Auch in Halle Stolpersteine gestohlen

In Halle wurden ebenfalls Stolpersteine aus dem Boden gebrochen

 22.10.2024

USA

Israelfeindliche Gruppen an Unis werden immer radikaler

Auch an der Columbia University ist die Situation alarmierend

von Imanuel Marcus  22.10.2024

Umfrage

Grüne am ehesten für Waffenexporte nach Israel

Die Mehrheit der Deutschen lehnt Waffenlieferungen an den jüdischen Staat jedoch ab

 22.10.2024