Meinung

Erinnerung braucht Namen

Bis hierher und nicht weiter», mag man über den Mahnmalstreit in Saarbrücken denken. Der aus Buenos Aires stammende Designer Ariel Auslender hat mit seinem Entwurf «Unterbrochener Wald» ein Kunstwerk geschaffen, das den Kulturausschuss der Stadt sowie alle Ratsfraktionen überzeugt hatte. Bronzene Baumstümpfe weisen den Weg über eine Freitreppe von der Saar hinauf auf einen mit echten Bäumen begrünten Platz. Eine Tafel mit dem Spruch des Saarbrücker Rabbiners Schlomo Friedrich Rülf: «Es war eine große schöne Gemeinde von dreitausend Seelen» soll das Mahnmal zum Gedenkort machen.

Kunst, die nicht wehtut. Doch nun erinnert uns der Vorsitzende der Synagogengemeinde Saar, Richard Bermann, daran, dass ein Gedenken ohne Erinnerung an einzelne Personen nicht möglich ist. Daher möchte er das Mahnmal um eine Wand mit den Namen der in der Schoa ermordeten Juden aus dem Saarland ergänzen. «Das geht nicht», erzürnen sich jetzt die Mahnmalbefürworter – mit Ausnahme der Grünen –, eine Erinnerungswand sei zu monumental.

kriegshelden Dabei kennen auch Nichtjuden eine namentliche Erinnerung. In jedem noch so kleinen Ort stehen Kriegerdenkmale auf zentralen Plätzen, dem Zeitgeist von einst entsprechend monumental und scheußlich. Ehrfurchtsvoll lesen Passanten die Namen der vermeintlichen Kriegshelden, die hier in ganzen Familienverbänden aufgelistet stehen: Otto, Heinrich und Emil Schulze, viel zu jung fürs Vaterland gestorben. Doch: «Dr. Simon, Richard; Hirsch, Max oder Oppenheimer, Julius», wie es auf der Spiegelwand in Berlin-Steglitz steht, will man nicht lesen. Hier werden die Namen plötzlich «unzumutbar». Namen ermordeter Juden seien ein «optischer Hagel einer Dachau-Auschwitz-Struthof-Aufzählung», heißt es in Saarbrücken.

Mit Helden identifiziert man sich gerne, mit Ermordeten und Verfolgten nicht. Seltsam, denn einige Städte haben es durchaus geschafft, sich ihrer Vergangenheit zu stellen und die Opfer namentlich zu nennen: etwa auf der Spiegelwand in
Steglitz, auf dem Glaskubus mitten auf der Mannheimer Einkaufsstraße oder am Frankfurter Börneplatz mit den Namenskästchen in einer Steinmauer. Hier können nach jüdischer Tradition sogar noch Steinchen abgelegt werden. Erinnerung braucht Namen. Vergisst man sie, tötet man die Opfer ein zweites Mal.

Debatte

Neue Leitlinie zum Umgang mit NS-Raubgut für Museen und Bibliotheken

In Ausstellungshäusern, Archiven und Bibliotheken, aber auch in deutschen Haushalten finden sich unzählige im Nationalsozialismus entzogene Kulturgüter. Eine neue Handreichung soll beim Umgang damit helfen

von Anne Mertens  27.11.2025

Düsseldorf

Breite Mehrheit im Landtag wirbt für Holocaust-Zentrum in NRW

Große Mehrheit im NRW-Landtag: Fast alle Fraktionen werben für NRW als Standort eines vom Bund geplanten Holocaust-Bildungszentrums. Bayern und Sachsen sind ebenfalls im Rennen

von Andreas Otto  27.11.2025

Terrorismus

Berlin: Waffenkurier der Hamas wohnte in unmittelbarer Nähe zu mehreren jüdischen Einrichtungen

Im Auftrag der Terrororganisation Hamas sollen mehrere Männer jüdische und proisraelische Ziele unter anderem in der Hauptstadt ausgespäht und Waffen eingeschmuggelt haben. Nun berichten »Zeit« und »Welt« über die Hintergründe

 27.11.2025

Bildung

Im Land der Täter

Bis März soll die Entscheidung fallen, wo die Dependance der Schoa-Gedenkstätte Yad Vashem in Deutschland angesiedelt wird

von Michael Thaidigsmann  27.11.2025

München

Uschi Glas: Christen müssen jüdische Mitbürger schützen

Uschi Glas mahnt Christen zum Schutz von Juden. Sie warnt vor neuer Ausgrenzung und erinnert an eigene Erfahrungen nach dem Krieg. Was sie besonders bewegt und warum sie sich Charlotte Knobloch verbunden fühlt

von Hannah Krewer  27.11.2025

Entscheidung

Uni Jena lehnt Prüfung von Kontakten mit israelischen Hochschulen ab

Die Friedrich-Schiller-Universität Jena wird Kooperationen mit israelischen Hochschulen nicht auf mögliche Verbindungen zum Militär überprüfen. Der Senat lehnte einen entsprechenden Antrag von Teilen der Professorenschaft ab

 27.11.2025

Berlin

Der falsche Konsens

Der israelische Militärhistoriker Danny Orbach stellt im Bundestag eine Studie und aktuelle Erkenntnisse zum angeblichen Genozid im Gazastreifen vor – und beklagt eine einseitige Positionierung von UN-Organisationen, Wissenschaft und Medien

 27.11.2025

Berlin

Prozess um Angriff am Holocaust-Mahnmal: »Tat zugegeben«

Polizisten berichten von der Begegnung mit dem Angeklagten wenige Stunden nach der Tat

 27.11.2025

Debatte um Hamas-Nähe

Mitglieder des ZDF-Kontrollgremiums fordern Konsequenzen

Nachdem ein mutmaßlicher Terrorist über eine Partnerfirma an Produktionen des öffentlich-rechtlichen Senders mitgewirkt hat, soll der Fall nun parlamentarisch aufgearbeitet werden

 27.11.2025