Horst Köhler

Er hörte zu, er fragte nach

Bundespräsident Horst Köhler (links mit Hut) besuchte 2005 gemeinsam mit Überlebenden das ehemalige Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau Foto: Michael Thaidigsmann

Vor dem Hintergrund der Ereignisse der letzten Tage ist »Anstand« kein Wort, das man unbedingt mit der deutschen Politik verbindet. Die traurige Nachricht von Horst Köhlers Tod erinnert einen daran, dass das nicht immer so war.

Denn »Anstand« könnte man als Überschrift über sein ganzes politisches Leben setzen. »Anstand« und »Pflichtgefühl«. Diese beiden Begriffe ziehen sich durch seine lange und erfolgreiche Beamtenkarriere, durch seine Zeit als Bundespräsident und sein Leben danach, in dem sein Engagement nicht nachließ.

Köhler ist vielfach vorgeworfen worden, eitel zu sein. Ich fand das immer ein wenig verwunderlich. Jeder, der sich entscheidet, ein hohes politisches Amt zu bekleiden, ist eitel. Ohne die Lust, in der Öffentlichkeit zu stehen, würde niemand die mit diesem Beruf zwangsläufig einhergehende Bürde, ständig kritisiert zu werden, auf sich nehmen.

Und Köhlers Kritiker hatten recht damit, dass er seine hohe Beliebtheit bei den Bürgern gesucht und auch genossen hat. Wer hätte das nicht? Was Köhler jedoch auszeichnete, war, dass er diese Beliebtheit nicht durch billige Effekte zu erreichen suchte, sondern indem er versuchte, die Probleme der Bürger zu lösen. Wenn er - was er als Bundespräsident häufiger tat - die Bundesregierung kritisierte, geschah das, weil er fest an die Möglichkeit der Politik glaubte, Verbesserungen herbeizuführen, und an die Verpflichtung, dies auch zu tun.

Dabei fiel auf, dass Köhler nicht für sich in Anspruch nahm, immer schon zu wissen, worin die Probleme genau bestanden. Stattdessen war er ein geduldiger Zuhörer, der erst lernen wollte, bevor er handelte.

So habe ich ihn auch in den wiederholten Treffen erlebt, die ich mit ihm hatte. Bei Horst Köhler war zu spüren: Jüdisches Leben in Deutschland war ihm ein Herzensanliegen.

Er war historisch gebildet, und wusste um die Gefahr des wiederauflebenden Antisemitismus. Genauso verstand er den unschätzbaren Wert, den der Staat Israel für uns Juden darstellt. Er hörte zu, er fragte nach.

Seine Betroffenheit während unseres gemeinsamen Besuchs in Auschwitz 2005 war so echt wie sein Versuch, sie in Worte zu fassen, und die Erkenntnis, daran scheitern zu müssen.

Er, der Mensch Horst Köhler, hatte ein echtes Interesse, und hat dann auf Grundlage des Erfahrenen als Bundespräsident entsprechend gehandelt: anständig und voller Pflichtgefühl.

Wir trauern um einen großen Staatsmann.

Maram Stern ist geschäftsführender Vizepräsident des Jüdischen Weltkongresses (WJC).

Interview

»Wir hatten keine Verwandten«

Erst seit einigen Jahren spricht sie über ihre jüdischen Wurzeln: Bildungsministerin Karin Prien erzählt, warum ihre Mutter davon abriet und wann sie ihre eigene Familiengeschichte erst begriff

von Julia Kilian  02.11.2025 Aktualisiert

Meinung

Ich kann euch nicht hören

Während im Sudan die schwerste humanitäre Krise der Welt tobt, schweigen die selbst ernannten Menschenrechts-Demonstranten in Europa und auf der Welt

von Sophie Albers Ben Chamo  02.11.2025

Berlin/München

Nach Terror-Skandal beim ZDF: ARD überprüft Mitarbeiter in Gaza

Alle in Gaza tätigen Mitarbeiter hätten versichert, keinerlei Nähe zu Terrororganisationen zu haben, sagt der zuständige Bayerische Rundfunk

 02.11.2025 Aktualisiert

Jerusalem/Düsseldorf

Yad Vashem will beim Standort in Deutschland eine schnelle Entscheidung

In Nordrhein-Westfalen, Bayern oder Sachsen soll erstmals außerhalb Israels ein Bildungszentrum zum Holocaust entstehen. Die Entscheidung soll zügig fallen

 02.11.2025 Aktualisiert

Düsseldorf

Wolfgang Rolshoven mit Josef-Neuberger-Medaille geehrt

Mit der Auszeichnung würdigte die Jüdische Gemeinde Rolshovens jahrzehntelanges Engagement für jüdisches Leben und seinen entschlossenen Einsatz gegen Judenhass

 31.10.2025

Nürnberg

»Nie wieder darf Hass die Oberhand gewinnen«

Kongressabgeordnete aus Washington D.C., Touristen aus China und Geschichtsinteressierte aus Franken: Das Interesse an den Nürnberger Prozessen ist 80 Jahre nach dem Start des historischen Justizereignisses ungebrochen

von Michael Donhauser  31.10.2025

Ankara

Offene Konfrontation zwischen Erdogan und Merz über Israel und Gaza

Eigentlich wollte der Bundeskanzler bei seinem Antrittsbesuch neue Harmonie in die deutsch-türkischen Beziehungen bringen. Bei einer Pressekonferenz mit mit türkischen Präsidenten kommt es stattdessen zur offenen Konfrontation

von Anne Pollmann, Michael Fischer, Mirjam Schmitt  31.10.2025

Halle

»Hetze gegen Israel«: Rektorin der Uni Halle gibt Fehler zu 

Die Veranstaltung an der (MLU) fand unter dem Titel »Völkermord in Gaza« statt

 30.10.2025

Bayern

Jüdischer Landesverband kritisiert Dehler-Preis für Imam Idriz scharf

Kritisch äußert sich der Verbandspräsident Josef Schuster insbesondere zu Äußerungen des Imams in Zusammenhang mit dem Krieg in Gaza

 30.10.2025