Antisemitische Schmähskulptur

Entfernen oder erklären?

»Judensau«-Relief an der Stadtkirche Wittenberg Foto: Gregor Zielke

Der Bundesgerichtshof in Karlsruhe befasst sich am Montag mit der sogenannten Wittenberger Judensau.

Das Gericht muss entscheiden, ob die Schmähplastik aus dem 13. Jahrhundert von der Stadtkirche der Lutherstadt entfernt werden muss und ob das Sandsteinrelief den Tatbestand der Beleidigung erfüllt. Kläger ist das Mitglied einer jüdischen Gemeinde, Beklagte ist die evangelische Kirchengemeinde der Stadtkirche zu Wittenberg. (VI ZR 172/20)

Die Plastik von 1290 zeigt eine Sau, an deren Zitzen sich Menschen laben, die Juden darstellen sollen. Ein Rabbiner blickt dem Tier unter den Schwanz und in den After.

revision Der Kläger hatte gegen ein vorangegangenes Urteil des Oberlandesgerichtes Naumburg (OLG) Revision eingelegt. Das OLG hatte damals eine vorherige Berufungsklage des Mannes zurückgewiesen und ein Urteil des Landgerichts Dessau-Roßlau bestätigt. Demnach muss das Relief nicht beseitigt werden, weil es aktuell keinen beleidigenden Charakter mehr habe. Es befinde sich nicht unkommentiert an der Kirche. Das Relief sei in ein Gedenkensemble eingebunden und stellt damit keine Missachtung von Juden mehr dar.

Unterhalb der Schmähplastik gibt es seit 1988 ein Mahnmal mit Erklär-Text, in dem sich die evangelische Kirchengemeinde von Judenverfolgungen, den antijudaistischen Schriften von Reformator Martin Luther (1483-1546) und der verhöhnenden Zielrichtung des mittelalterlichen Reliefs distanziert.

»Antijüdische Geschichte lässt sich nicht ungeschehen machen, indem man ihre Zeugnisse abschlägt und glättet.«

Christian Staffa, Antisemitismusbeauftragter der EKD

Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) betonte vor dem Karlsruher Prozess, die Wittenberger »Judensau« stelle fraglos eine Schmähung dar und könne so nicht bleiben. »Doch die lange Geschichte christlichen Antijudaismus und Antisemitismus, die sich in diesem Relief auf obszöne Weise verdichtet, ist nicht auf juristischem Wege zu klären«, erklärte der Antisemitismusbeauftragte der EKD, Christian Staffa, am Donnerstag in Berlin.

geschichte Die Skulpturen einfach von den Kirchen zu entfernen, würde laut Staffa zu kurz greifen: »Denn antijüdische Geschichte lässt sich nicht ungeschehen machen, indem man ihre Zeugnisse abschlägt und glättet.« Das gelte für das Wittenberger Relief, aber ebenso für das Wittenberger Cranach-Altarbild. Auf diese Formel habe es auch der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, gebracht.

Die Kirche müsse sich ihrer antijüdischen Geschichte stellen und diesen Prozess auch sichtbar machen. Das sei »ein langer Weg«, der mittlerweile begonnen, aber noch lange nicht zu Ende sei. »Davon zeugt auch dieser Rechtsstreit, der unabhängig von seinem Ausgang die vor uns liegende Aufgabe nicht erledigen kann«, sagte Staffa, der auch Studienleiter für Demokratische Kultur und Kirche an der Berliner Evangelischen Akademie ist.

Das Oberlandesgericht hatte in dem Rechtsstreit die Revision zugelassen, wegen der grundsätzlichen Bedeutung und der Frage, wie mit der Herabwürdigung von Personengruppen in solchen zivilrechtlichen Fragen zu verfahren sei. Neben dem Relief in Wittenberg gibt es auch an zahlreichen anderen Kirchen in Deutschland derartige Schmähplastiken, laut Bundesgerichtshof rund 50 Exemplare. epd

Berlin

»UNRWA ist Teil des Problems«

Israels Botschafter Ron Prosor präsentiert Informationen zur engen Verbindung der Terrororganisation Hamas mit dem UN-Palästinenserhilfswerk

 28.03.2024

Halle / Frankfurt

DFB lässt proisraelisches Plakat bei Länderspiel abhängen

Plakat mit der Aufschrift »Bring them Home now« sei nicht genehmigt und entgegen UEFA-Regularien gewesen

 28.03.2024

Sachsen

Trotz antisemitischer Vorfälle: Leipziger Friedenspreis geht an »Handala«-Gruppierung

Die »pro-palästinensische Gruppierung« steht immer wieder wegen antisemitischer Vorfälle in der Kritik

 27.03.2024

Analyse

Allein

Der Jude unter den Staaten: Wie Israel von der Weltgemeinschaft verleumdet und im Stich gelassen wird

von Maria Ossowski  27.03.2024

Manchester Airport

Überlebende des 7. Oktober bei Einreise beschimpft

»Wir müssen sicherstellen, dass Sie hier nicht dasselbe tun wie in Gaza«, sagt ein Grenzbeamter zu den Israelis

von Imanuel Marcus  27.03.2024 Aktualisiert

USA/Israel

US-Verteidigungsminister empfängt israelischen Amtskollegen

»Wir den Kampf in Gaza nicht beenden, bevor wir alle Verschleppten nach Hause bringen«, erklärt Joav Gallant

 27.03.2024

Bundesregierung

Charlotte Knobloch fordert Rauswurf von Kulturstaatsministerin Roth

IKG-Chefin und Schoa-Überlebende: »Was passiert ist, war einfach zu viel«

 26.03.2024

Berlin

Nach Angriff auf jüdischen Studenten: Hochschulgesetz wird verschärft

Möglichkeit der Exmatrikulation wurde zuvor von Rot-Grün-Rot abgeschafft

 26.03.2024

Deutschland

Einbürgerungstests: Das sind die Fragen zu Israel und jüdischem Leben

»Wer unsere Werte nicht teilt, kann keinen deutschen Pass bekommen«, sagt Innenministerin Faeser

 26.03.2024