Meinung

Ein Lob der Political Correctness

Stellen wir uns spaßeshalber vor, ein afrikanischer Autor – sagen wir: Paulin Hountondji aus Benin – würde eine Reportagereise durch die amerikanischen Südstaaten unternehmen und hinterher ein Buch verfassen, in dem steht, dass es dort von Rassisten wimmelt, nicht nur unter den Mitgliedern des Ku-Klux-Klan.

Stellen wir uns ferner vor, jener amerikanische Verlag, für den Paulin Hountondji sein Buch geschrieben hat, würde sich plötzlich weigern, es zu veröffentlichen, unter anderem mit dem internen Hinweis, bei Hountondji handle es sich um einen »schwarzen Hysteriker«. Und fantasieren wir endlich, in der linksliberalen »New York Times« würde ein tendenziöser Artikel zu dem Vorfall erscheinen, in dem der afrikanische Autor als »der Neger Hountondji« tituliert wird.

Ruf Unmöglich. Dank der vielgescholtenen Political Correctness ist Rassismus in der amerikanischen Öffentlichkeit heute dermaßen verpönt, dass solche Äußerungen schwere Sanktionen nach sich zögen. Der Journalist wäre seinen Job los; die New York Times müsste um Entschuldigung bitten. Der Ruf eines Verlages, der sich auf diese Weise äußert, wäre ruiniert, sollte dies je ans Licht der Öffentlichkeit dringen.

In Deutschland hingegen geschah unterdessen ganz real das Folgende: Tuvia Tenenbom, der Leiter des Jewish Theater of New York, unternahm eine Reportagereise, über die er hinterher ein Buch schrieb. Das sollte bei Rowohlt erscheinen, es kam aber zu einem Zerwürfnis; intern wurde Tenenbom als »jüdischer Hysteriker« bezeichnet. Der Journalist Malte Herwig schrieb darüber einen tendenziösen Artikel in der linksliberalen Süddeutschen Zeitung, in dem er den Autor als »der Jude Tenenbom« bezeichnete. Und was passierte daraufhin? Gar nichts.

Goebbels Dass wir uns nur ja richtig missverstehen: Selbstverständlich ist an dem Wort »Jude« an sich nichts Ehrenrühriges. Erst die Kombination »der Jude Tenenbom« macht daraus ein Skandalon, denn just so pflegte weiland Herr Goebbels zu sprechen (»der Jude Grynszpan«, »der Jude Morgentau« etc.). Und ohne Frage gibt es auch unter Juden Hysteriker – ebenso wie beispielsweise unter den Basken. Allerdings würde bei einem baskischen Hysteriker niemand darauf kommen, die ethnische Zugehörigkeit zu betonen.

Dass Formulierungen wie »der Jude Tenenbom« und »der jüdische Hysteriker« einfach so durchgehen, zeigt, wie verschieden Deutschland von Amerika ist. Hier hat eben nie die Political Correctness über das Ressentiment gesiegt.

Brüssel

»Gegen EU-Grundwerte«: Kommission verurteilt Festival

Eine Sprecherin der Europäischen Kommission hat den Boykott der Münchner Philharmoniker und ihres Dirigenten Lahav Shani in die Nähe von Antisemitismus gerückt und scharf verurteilt

von Michael Thaidigsmann  12.09.2025

Belgien

»Ruf unseres Landes beschmutzt«: Premier rügt Gent-Festival

Premier Bart de Wever kritisiert die Leiter eines belgischen Festivals dafür, die Münchner Philharmoniker und ihren Dirigent Lahav Shani ausgeladen zu haben

 12.09.2025

Berlin

Humboldt-Universität will gegen Antisemitismus vorgehen

Präsidentin Julia von Blumenthal sieht ihre Hochschule für künftige Auseinandersetzungen rund um den Nahost-Konflikt gut vorbereitet

von Lukas Philippi  12.09.2025

Gaza

Die Genozid-Lüge

Wie die Hamas nach dem 7. Oktober vom Täter zum Opfer wurde – und Israel zur Verkörperung des Bösen schlechthin

von Stephan Lehnstaedt  12.09.2025

Nachkriegsjustiz

Verhandlung über Massenmord: Vor 80 Jahren begann der Belsen-Prozess

Fünf Monate nach der Befreiung des Konzentrationslagers Bergen-Belsen erhob ein britisches Militärgericht in Lüneburg Anklage gegen die Täter. In einer Turnhalle begann damit vor 80 Jahren der erste große NS-Kriegsverbrecherprozess in Deutschland

von Karen Miether  12.09.2025

Belgien

Deutsche Botschaft beendet Partnerschaft mit Gent-Festival

Die Deutsche Botschaft in Brüssel hat nach der Ausladung der Münchner Philharmoniker ihre Zusammenarbeit mit dem Flandern-Festival in Gent eingestellt

von Michael Thaidigsmann  11.09.2025

Debatte

Zentralrat nennt Ausladung Shanis »fatales Signal«

Wer einen Künstler aufgrund seiner Staatsangehörigkeit oder seiner jüdischen Religion ausgrenzt und diskreditiert, trete die Demokratie mit Füßen

 11.09.2025

Berlin

Soziale Medien: »TikTok-Intifada« und andere Probleme

Denkfabrik Schalom Aleikum beschäftigt sich auf einer Fachtagung mit Hass im Netz: »Digitale Brücken, digitale Brüche: Dialog in Krisenzeiten«

 11.09.2025

Urteil

Bundesgerichtshof bestätigt Geldstrafen gegen Höcke

Das Landgericht Halle habe in nicht zu beanstandender Weise festgestellt, dass der AfD-Politiker die verbotene SA-Parole »Alles für Deutschland« und »Alles für« gerufen hat

 11.09.2025