Meinung

Ein Bumerang für Karim Khan

Chefankläger Karim Khan (M.) Foto: picture alliance / newscom

Es ist ein aufsehenerregender Beschluss: Am Donnerstag hob die Berufungskammer des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) die Entscheidung einer sogenannten Vorverfahrenskammer des Gerichts aus dem November 2024 auf, mit der diese eine Zuständigkeit des IStGH für die strafrechtliche Verfolgung israelischer Staatsbürger bejaht hatte.

Der Beschluss bezieht sich indes nicht unmittelbar auf die bekannten Haftbefehle gegen Premierminister Netanjahu und Ex-Verteidigungsminister Gallant. Es geht in diesem von Israel eigens angestrengten Verfahren nur um die Grundsatzfrage der Zuständigkeit des IStGH.

Israel ist dem Römischen Statut nie beigetreten

Stellt man sich den IStGH als Schiedsgericht für die Bürger seiner Mitgliedsstaaten vor, fragt sich, wie er für sich in Anspruch nehmen kann, auch über die Bürger von Nichtmitgliedern zu urteilen; das ist ein massiver Eingriff in die Souveränität jedes Staates, aber vor allem eines Landes mit einer unabhängigen Justiz. Israel ist dem Römischen Statut zur Gründung des IStGH ebenso wenig beigetreten wie zum Beispiel die USA. Israel könne, so meinte die Vorverfahrenskammer im November 2024 allerdings, seine Bedenken in einem späteren Strafverfahren adressieren - also letztlich nach der Verhaftung der beiden Spitzenpolitiker.

Entweder hat der IStGH-Chefankläger seine Befugnisse überschritten oder ist vor internationalem Druck »eingeknickt«.

Ein politisch zumindest von IStGH-Chefankläger Karim Khan gewollter Erfolg, der jetzt dahin ist: Mit den Argumenten Israels müsse sich die Vorverfahrenskammer erneut und in »ausreichendem« Maße auseinandersetzen. Gleichzeitig könne sie selbst entscheiden, ob sie die Haftbefehle suspendieren wolle.

Eine eigene Entscheidung über diese Haftbefehle wollte die Berufungskammer nicht treffen. Diese Frage ist hochpolitisch. Denn Israel stützt sich nicht nur auf seine fehlende Mitgliedschaft - sondern ein ganzes politisches Minenfeld an juristischen Argumenten. Dazu gehört die delikate Frage, ob ein Staat wie »Palästina«, dessen Existenz völkerrechtlich nicht gesichert ist, irgendwelche Rechte auf den IStGH übertragen konnte -  und das, obwohl seine Vertreter Fragen der Jurisdiktion in den Osloer Verträgen bilateral mit Israel abschließend geregelt hatten.

Gegen die Haftbefehle laufen Beschwerdeverfahren

Über die Haftbefehle laufen dem Vernehmen nach eigene Beschwerdeverfahren, unter Beteiligung des prominenten amerikanischen Juristen Alan Dershowitz etwa. Werden die Haftbefehle in jenem Prozess aufgehoben, bedeutet das nicht automatisch ein Ende des jetzt entschiedenen Verfahrens.

Beinahe gleichgültig, wie das Ergebnis lautet: Die Reputation des IStGH wird leiden, denn entweder hat er seine Befugnisse überschritten oder ist vor internationalem Druck »eingeknickt«. Die politische Instrumentalisierung des Gerichtshofs durch einen umstrittenen Chefankläger droht also einmal mehr zum Bumerang zu werden.

Der Autor ist Jurist und lebt in Berlin.

Potsdam

BSW vor Zerreißprobe: Dorst stellt Parteiverbleib infrage

Die jüngsten Ereignisse haben Implikationen für die Landesregierung. Bei nur zwei Stimmen Mehrheit im Landtag könnte jeder Bruch in der BSW-Fraktion ihr Ende bedeuten

 26.11.2025

USA

Staatsanwaltschaft rollt den Fall Etan Patz neu auf

Der jüdische Junge Etan Patz verschwindet am 25. Mai 1979 auf dem Weg zur Schule. Jahre später wird er für tot erklärt

 26.11.2025

Buenos Aires

Milei will 2026 Botschaft in Jerusalem eröffnen

Israels Außenminister Sa’ar erklärte in der argentinischen Hauptstadt, »im April oder Mai« werde die Eröffnung erfolgen

 26.11.2025

Montréal

Air Canada prüft Beschwerde über Palästina-Anstecker in der Form Israels

Der Passagier Israel Ellis beschwert sich über das israelfeindliche Symbol an der Jacke einer Stewardess. Sie habe ihn zudem angeschrien, als sie seine Davidstern-Kette gesehen habe

 26.11.2025

Berlin

Friedrich Merz besucht Israel

Als Kanzler ist es sein erster Aufenthalt im jüdischen Staat. Die Beziehungen hatten zuletzt unter Druck gestanden

 25.11.2025

TV-Tipp

Ein äußerst untypischer Oligarch: Arte-Doku zeigt Lebensweg des Telegram-Gründers Pawel Durow

Der Dokumentarfilm »Telegram - Das dunkle Imperium von Pawel Durow« erzählt auf Arte und in der ARD-Mediathek die Geschichte der schwer fassbaren Messengerdienst-Plattform-Mischung und ihres Gründers Pawel Durow

von Christian Bartels  25.11.2025

Israel

Antisemitismus-Beauftragter wirft Sophie von der Tann Verharmlosung der Hamas-Massaker vor

Die ARD-Journalistin soll in einem Hintergrundgespräch gesagt haben, dass die Massaker vom 7. Oktober eine »Vorgeschichte« habe, die bis zum Zerfall des Osmanischen Reiches zurückreiche

 25.11.2025

Interview

»Weder die Verwaltung noch die Politik stehen an meiner Seite«

Stefan Hensel hat seinen Rücktritt als Antisemitismusbeauftragter Hamburgs angekündigt. Ein Gespräch über die Folgen des 7. Oktober, den Kampf gegen Windmühlen und kleine Gesten der Solidarität

von Joshua Schultheis  25.11.2025

Ramallah

Nach Hammer-Angriff auf Israeli - mutmaßlicher Täter getötet

Vor mehr als einem Jahr kam ein israelischer Wachmann im Westjordanland bei einem Angriff ums Leben. Seitdem haben israelische Sicherheitskräfte nach dem flüchtigen Täter gesucht

 25.11.2025