Antisemitismus

»Ein angstfreier Campus«

Julia Bernstein Foto: TR

Antisemitismus

»Ein angstfreier Campus«

Julia Bernstein über den Angriff auf Lahav Shapira und ein neues Netzwerk jüdischer Lehrer an Hochschulen

von Ralf Balke  08.02.2024 09:22 Uhr

Frau Bernstein, Sie sind Teil eines neuen Netzwerks jüdischer Hochschullehrender. Was ist die Idee dieser Initiative?
Viele jüdische Hochschullehrende, darunter auch ich, haben ein Forum vermisst, in dem ein Austausch in einer »Wir Gruppe« über die schmerzlichen Ereignisse, Antisemitismus und Studierendenbelange stattfinden kann, sowie über die Frage, wie jüdisches Leben auf dem Campus sichtbarer und vielleicht auch sicherer gemacht werden kann.

Hat Sie der Angriff auf den israelischen Studenten am Wochenende überrascht?
Es trifft einen immer auch persönlich, wenn Jüdinnen oder Juden attackiert werden. Aus der Perspektive der Antisemitismusforschung wundert es mich, dass so etwas nicht schon häufiger passiert ist.

Machen jüdische Hochschullehrende ähnliche Erfahrungen mit Antisemitismus wie jüdische Studierende?
Zum einen muss man sich von der Illusion befreien, dass die Universität ein antisemitismusfreier Raum ist, weil die Menschen dort als aufgeklärt oder intellektuell gelten – der Campus ist schließlich ein Mikrokosmos der Gesellschaft. Als Hochschulangehörige sind wir etwas geschützter als Studierende und finden leichter Gehör bei der Hochschulleitung. Aber auch wir müssen viel verarbeiten.

Wie sehen Anfeindungen aus?
Das hängt immer davon ab, inwieweit die jüdische Identität nach außen sichtbar ist, etwa durch religiöse Symbolik. Zudem ist bei Veranstaltungen zum Antisemitismus oder zu Israel der Schutz durch Sicherheitsdienste oder Taschenkontrollen ein Teil der neuen beunruhigenden Realität geworden.

Welche Resonanz auf die Gründung des Netzwerkes gab es?
Offensichtlich füllen wir eine große Lücke. In nur wenigen Tagen haben sich so bereits mehr als 80 Hochschullehrende vernetzt, darunter solche mit einer ex-sowjetischen Biografie, Nachfahren von Displaced Persons oder auch Israelis, also insgesamt eine recht heterogene Gruppe.

Wie würden Sie die Ziele definieren?
Bedrohungen und antisemitische Übergriffe an Hochschulen werden oft als politische Auseinandersetzungen missverstanden. Entsprechend sehen die Reaktionen aus. Wir wollen ein respektvolles und angstfreies Miteinander, auch wenn es um Themen wie Israel oder jüdische Identitäten geht. Deshalb streben wir Veranstaltungsformate und geeignete Anlaufstellen an, damit der Campus ein sicherer Ort für Juden und Jüdinnen wird. Wichtig ist uns ebenfalls der Hinweis auf Verletzungsdispositionen und historische Kontinuitäten, in denen die aktuellen Ereignisse stehen. Denn oft wird unterschlagen, dass in universitären Räumen Jüdinnen und Juden schon einmal Zielscheibe von Anfeindungen und Ausschluss waren. Dieses Kapitel wirkt bis heute nach.

Mit der Professorin an der Frankfurt University of Applied Science sprach Ralf Balke.

Genf

Entscheidung gefällt: Israel bleibt im Eurovision Song Contest

Eine Mehrheit der 56 Mitgliedsländer in der European Broadcasting Union stellte sich am Donnerstag gegen den Ausschluss Israels. Nun wollen Länder wie Irland, Spanien und die Niederlande den Musikwettbewerb boykottieren

von Michael Thaidigsmann  04.12.2025

Medien

»Die Kritik trifft mich, entbehrt aber jeder Grundlage«

Sophie von der Tann wird heute mit dem Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis geehrt. Bislang schwieg sie zur scharfen Kritik an ihrer Arbeit. Doch jetzt antwortete die ARD-Journalistin ihren Kritikern

 04.12.2025

Karlsruhe/München

Mutmaßlicher Huthi-Terrorist angeklagt

Ein Mann soll für die Terrororganisation im Jemen gekämpft haben. Deutschlands oberste Anklagebehörde will ihn vor Gericht sehen

 04.12.2025

Antisemitismus

Litauen: Chef von Regierungspartei wegen Antisemitismus verurteilt

In Litauen ist der Chef einer Regierungspartei mehrfach durch antisemitische Aussagen aufgefallen. Dafür musste er sich vor Gericht verantworten. Nun haben die Richter ihr Urteil gefällt

 04.12.2025

Berlin

Verfassungsschutz nimmt neue AfD-Jugend ins Blickfeld

Ist auch die »Generation Deutschland« rechtsextremistisch? Sie rückt bereits in den Fokus des Bundesamts für Verfassungsschutz

 04.12.2025

Berlin

Merz und Wegner nennen Lübcke-Statue geschmacklos

Auch Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) äußerte Unmut: Das Schicksal eines von einem Rechtsradikalen ermordeten Politiker zu instrumentalisieren, sei an Geschmacklosigkeit nicht zu überbieten

 04.12.2025

Bayern

Landtag wirbt für Yad Vashem-Außenstelle in München

Ein fraktionsübergreifenden Antrag – ohne Beteiligung der AfD - für eine Außenstelle der israelischen Gedenkstätte im Freistaat liegt vor

 04.12.2025

Ehrung

»Ahmad Mansour kämpft nicht gegen Symptome, sondern gegen Ursachen«

Der Islamismusexperte Ahmad Mansour wurde mit dem Hanns-Martin-Schleyer-Preis ausgezeichnet. Die Laudatio hielt Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland. Wir dokumentieren die Rede

von Josef Schuster  04.12.2025

Graz

Verharmlosung von NS-Verbrechen: Haft für Deutschen in Österreich

Lange Haftstrafe für einen Publizisten: Was steckt hinter dem Urteil, und wie stufen Extremismusforscher seine bereits eingestellte Zeitschrift ein?

 04.12.2025