Standpunkt

»Diplomaten waren eingebunden«

Bundesaußenminister Guido Westerwelle Foto: Bund

Am morgigen Freitag jährt sich zum 70. Mal die Wannsee-Konferenz. Das Protokoll der Konferenz gilt als eines der Schlüsseldokumente des Holocaust. Es dokumentiert den Zivilisationsbruch der Schoa schwarz auf weiß.

Das einzige erhaltene Exemplar des Protokolls der Wannsee-Konferenz wurde nach dem Krieg in den Akten des Auswärtigen Amtes gefunden. Dies war kein bloßer Zufall: Deutsche Diplomaten waren in die Maschinerie der Verbrechen Hitlers eingebunden.

verantwortung Die Dokumente zur berüchtigten Wannsee-Konferenz verdeutlichen, mit welch eiskaltem Zynismus die Handelnden vorgingen und welch unglaubliche Schuld Deutschland mit den Verbrechen an den deutschen und europäischen Juden auf sich lud. Im Bewusstsein dieser Schuld haben auch die deutschen Nachkriegsgenerationen eine ganz besondere Verantwortung, die wir immer im Herzen tragen müssen.

Dass jüdisches Leben sieben Jahrzehnte nach der Wannsee-Konferenz wieder fester Bestandteil unserer Gesellschaft sein würde, war angesichts der einzigartigen Dimension des Holocaust lange Zeit kaum vorstellbar. Und doch erleben wir heute eine wahre Renaissance jüdischen Lebens in Deutschland: In etwa 110 jüdischen Gemeinden sind gut 100.000 Gemeindemitglieder aktiv, es werden wieder Rabbiner ordiniert und Synagogen gebaut, jüdische Kinder besuchen – häufig gemeinsam mit Kindern anderer Religionen – jüdische Kindergärten und Schulen.

zukunft Diese Vitalität jüdischen Lebens in Deutschland ist immer noch alles andere als selbstverständlich. Der von mir hochverehrte Ignatz Bubis sagte kurz vor seinem Tod pessimistisch, er wolle die »Ausgrenzerei, hier Deutsche, dort Juden, weghaben«, habe aber »fast nichts bewegt«. Ich hoffe zutiefst, dass Ignatz Bubis auf Dauer unrecht behalten wird.

Er selbst würde sich darüber am meisten freuen. Seine Worte sind uns Mahnung und Auftrag zugleich, auch künftig jüdisches Leben in Deutschland in all seinen vielfältigen Facetten zu stärken und jeglicher Form von Antisemitismus entschieden entgegenzutreten. Denn Judentum in Deutschland und deutsches Judentum sind nicht nur ein untrennbarer Teil unserer Geschichte, sondern Teil unserer Zukunft.

Deshalb werden wir auch künftig unsere historische Verantwortung für die Menschen in Israel wahrnehmen. Sie ist Grundkonstante unserer Außenpolitik. Umso wichtiger ist es daher, das über die Jahrzehnte gewachsene enge Netzwerk der Verständigung und Freundschaft zwischen den Menschen unserer beiden Staaten weiter auszubauen.

Die unzähligen Initiativen der Zivilgesellschaft, das Engagement tausender deutscher Freiwilliger in Israel und inzwischen auch israelischer Freiwilliger in Deutschland und schließlich die vielen engen und herzlichen Freundschaften zwischen Deutschen und Israelis – all das ist vor dem Hintergrund des morgigen Jahrestages ein unschätzbares Gut, das es zu bewahren gilt.

Vatikan

Robert Francis Prevost ist neuer Papst

Er ist der erste Amerikaner in diesem Amt und hat sich den Namen Leo XIV. gegeben

von Philipp Znidar, Sabina Crisan  08.05.2025

Gedenken

Steinmeier: »Flüchten wir nicht aus unserer Geschichte«

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sprach bei der Gedenkstunde im Bundestag zum Ende des Zweiten Weltkriegs über Gefahren für die Demokratie

 08.05.2025

Gericht

AfD rechtsextrem? Verfassungsschutz gibt Stillhaltezusage ab

Damit können die Verfassungsschützer die AfD nicht beobachten, bis das Verwaltungsgericht Köln ein Urteil gefällt hat

 08.05.2025

Kommentar

Die Menschen in Gaza brauchen schnell Hilfe

Eine Demokratie wie Israel sollte sich nicht auf schmutzige Kriegstaktiken wie die Blockade von Hilfsgütern einlassen, weil der Gegner ohne Anstand, Ehre und Verantwortungsbewusstsein kämpft

von Nils Kottmann  08.05.2025

Kommentar

Ulrike Eifler, die Linkspartei und die Auslöschung Israels

Ein hochrangiges Mitglied der Partei delegitimiert auf X Israel. Die Linke muss sich klar davon distanzieren, wenn sie glaubwürdig für Menschenrechte eintreten will

von Andreas Büttner  08.05.2025

Kommentar

Der Ukraine-Krieg überlagert die Pluralität der Erinnerungen

Die Auffassung, dass jeder nach seiner Fasson dem Zweiten Weltkrieg gedenkt, wurde durch Russlands Einmarsch in die Ukraine zerstört. Lenin- und Roter Stern-Orden jüdischer Veteranen und Veteraninnen und ihre »hundert Gramm« in Erinnerung an die gefallenen Kameraden wirken deplatziert

von Dmitrij Belkin  08.05.2025

Umfrage

80 Jahre Kriegsende – Jeder fünfte Deutsche will mehr Gedenken

Am 8. Mai 1945 kapitulierte die Wehrmacht. Der Zweite Weltkrieg war vorüber. In Berlin und anderswo erinnern die Menschen an die Millionen Opfer. Jüdische Vertreter würdigen die Erinnerungskultur - und warnen zugleich

von Leticia Witte  08.05.2025

Debatte

Schuster: AfD-Regierung wäre für Juden das Signal zur Auswanderung

Die hohen Zustimmungswerte der AfD machen gerade Juden besorgt. Zentralratspräsident Josef Schuster erinnert an die 1930er Jahre: Auch in der NS-Zeit hätten viele Juden lange nicht für möglich gehalten, was dann folgte

von Christoph Schmidt  07.05.2025

Globaler Antisemitismus

J7 beklagen Staatsversagen beim Kampf gegen Judenhass

Ziele sind Einrichtungen wie Synagogen und Schulen - aber auch Menschen. Ein Bericht zeigt erschreckende Zahlen zu Antisemitismus in Deutschland, den USA, Argentinien, Großbritannien, Kanada, Frankreich und Australien

von Leticia Witte  07.05.2025