Meinung

Dilemma in Doha

Arye Sharuz Shalicar Foto: Uwe Steinert

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Dilemma in Doha

Unser Autor freut sich als Fußballfan auf die WM. Zugleich hat er als Israeli einige Probleme mit den Gastgebern in Katar

von Arye Sharuz Shalicar  17.11.2022 09:10 Uhr

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Wie viele von uns stehe ich vor einem Dilemma: den Fernseher einschalten oder besser nicht? In wenigen Tagen ist Anpfiff der Fußball-Weltmeisterschaft. Der Ball wird wieder rollen. Doch wie schon bei der letzten WM 2018 in Russland gibt es da ein Problem. Die FIFA hat mit Katar erneut ein Land als Austragungsort gewählt, das sich die Bezeichnung »problematisch« nun wirklich redlich verdient hat.

Ein Land, das eine moderne Massensklaverei einführte, um in Rekordzeit modernste Stadien und eine perfekte Infrastruktur präsentieren zu können. Es sind Stadien, die inmitten der Wüste mit dem Schweiß und leider auch Blut von Tausenden von Gastarbeitern aus dem indischen Subkontinent erbaut wurden. Menschenleben spielten da offenbar keine Rolle. Hauptsache, alles ist fertig geworden, wenn die Welt zuschaut.

propaganda Die Berichte über unmenschliche Arbeitsbedingungen in Katar haben wir seit vielen Jahren den Medien entnommen. Katar behauptet, dass jetzt alles besser geworden sei. Das mag man glauben oder auch nicht. Man kann es auch für die übliche Propaganda halten.

Die Berichte über unmenschliche Arbeitsbedingungen in Katar haben wir seit vielen Jahren den Medien entnommen.

Was die Diskriminierung der LGBTQ-Community angeht, haben wir jetzt ja Gewissheit, wie im offiziellen Katar gedacht wird: Ein früherer katarischer Natio­nalspieler und jetziger WM-Botschafter nannte Homosexualität im ZDF-Interview einen »geistigen Schaden«. Mag sein, dass dort nicht alle so denken, und schließlich gibt es auch in unseren Breitengraden homophobe Einstellungen.

Fest steht: Der Wüstenstaat Katar, auf den ab Sonntag vier Wochen lang die Blicke der Weltöffentlichkeit gerichtet sein werden, dieser kleine Inselstaat zwischen Iran und Saudi-Arabien, wird wahrscheinlich zum ersten Mal in seiner Geschichte im Fokus stehen. Und alle, die dort hinfahren – ja selbst jene, die sich die Spiele nur am Fernseher ansehen wollen –, geraten unter Rechtfertigungsdruck.

nahostpolitik Ich stehe da wirklich vor einem Dilemma. Ich lebe in Israel, und anders als den meisten Fußballbegeisterten in Deutschland sind mir Katar und die fragwürdige Rolle, die das Land in der Nahostpolitik spielt, schon länger ein Begriff. Mit den Scheichs hatte ich indirekt schon mehrfach zu tun, insbesondere in meiner Funktion als Sprecher der israelischen Verteidigungsstreitkräfte.

Seit Jahrzehnten gilt Katar als Zufluchtsort von Terroristen.

Es ist kein Geheimnis, dass Katar im Nahen Osten eine äußerst problematische Position einnimmt. Denn lange bevor das Land in Fußballstadien investiert hat, erwarb der Staat sich den Ruf als einer der Hauptgeldgeber radikal-islamistischer Organisationen. Die Liste ist lang und liest sich wie das Who’s who des Terrorismus der letzten Jahrzehnte: Al-Qaida ist ebenso darunter wie der Islamische Staat, die Taliban in Afghanistan und natürlich auch die palästinensische Hamas.

Hunderte Millionen Euro wurden – und werden immer noch – von Katar Jahr für Jahr auf direktem und indirektem Wege an die erbitterten Feinde der freien Welt und an die Hauptverursacher von Mord und Totschlag im Nahen Osten und darüber hinaus investiert. Was könnte man mit diesem Geld für schöne Fußballstadien bauen!

dschihad Etwas zugespitzt könnte man sagen, dass es in der islamischen Welt zwei Staaten gibt, die sich auf die Fahnen geschrieben haben, den Dschihad, also den sogenannten Heiligen Krieg, zu unterstützen: den Iran als Hochburg des schiitischen Terrors und unseren WM-Gastgeber Katar in Bezug auf sunnitischen Terror. Aus israelischer Sicht ist allen voran Katars Verbindung zur Hamas eine Herausforderung.

Um die 30 Millionen Euro fließen jeden Monat aus Doha an die Terrororganisation, die auch deswegen seit 15 Jahren den Gazastreifen beherrscht. Teilweise wird dieses Geld für humanitäre Angelegenheiten eingesetzt, was auch in Israel durchaus positiv gesehen wird, denn wer will schon seine Nachbarn leiden sehen.

Um die 30 Millionen Euro fließen jeden Monat aus Doha an die Hamas.

Mit dem anderen Teil des Geldes aus Katar werden jedoch die Gehälter von Terroristen bezahlt und die Terrorinfrastruktur im Gazastreifen gestärkt. Katar ist so eine große Stütze für einen der ärgsten Feinde Israels. Es trägt dazu bei, dass die Hamas, um es in der Sprache des Fußballs zu sagen, weiter am Ball bleibt.

weltanschauung Doch damit nicht genug. Seit Jahrzehnten ist Katar eine Art Kuba des Nahen Ostens und dient Terroristen als Zufluchtsort. Mit seinem Staatssender Al-Dschasira wird über einer Milliarde Muslime weltweit eine ziemlich einseitige Weltanschauung vermittelt.

Al-Dschasira stachelt regelmäßig auf, wenn es bei Unruhen in Jerusalem die radikale Propaganda der Terroristen verbreitet und so mit dazu beiträgt, dass noch mehr Blut fließt. Man könnte noch mehr zu Katar sagen. Man könnte sogar dorthin fliegen und sich die Sache vor Ort anschauen, denn Israel und Katar haben sich zu allem Überfluss auch noch darauf geeinigt, dass internationale Fluglinien (israelische bleiben ausgenommen) Fans aus Israel und den Palästinensergebieten während der WM-Wochen aus Tel Aviv nach Doha fliegen können.

Das Dilemma wird daher nicht kleiner, im Gegenteil: Fußball ist mein Lieblingssport, die WM mein absolutes Lieblingsereignis.

Vom Autor erschien zuletzt »Schalom Habibi. Zeitenwende für jüdisch-muslimische Freundschaft und Frieden« (Hentrich & Hentrich).

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