Berlin

»Die Polizei wird jede Straftat verfolgen«

In Berlin wurden bei einer Kundgebung am Brandenburger Tor Israelfahnen verbrannt und antisemitische Parolen gerufen. Foto: dpa

Die Bundesregierung hat Fahnenverbrennungen in Deutschland aus Protest gegen die Israel-Politik der USA scharf kritisiert. Die Meinungs- und Demonstrationsfreiheit sei kein Freibrief für antisemitische Entgleisungen, für Hetze und Gewalt, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag in Berlin. Dem müsse entschlossen entgegengetreten werden.

Bundeskanzlerin Angela Merkel verurteilte die »gravierenden Ausschreitungen« ebenfalls am Montag: »Wir wenden uns gegen alle Formen von Antisemitismus und Fremdenhass«, sagte Merkel nach einer Sitzung des CDU-Vorstands in Berlin. Der Staat müsse »mit allen Mitteln des Rechtsstaats dagegen einschreiten«. Weiter stellte die Kanzlerin fest: »Keine Meinungsverschiedenheiten, auch bei der Frage des Status von Jerusalem, rechtfertigen solches Vorgehen.«

Auch Bundesinnenminister Thomas de Maizière und Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) haben die antisemitischen Vorfälle bei Berliner Kundgebungen am Freitag und am Wochenende gegen die geplante Verlegung der US-Botschaft in Israel von Tel Aviv nach Jerusalem scharf kritisiert. Deutschland sei »dem Staat Israel und allen Menschen jüdischen Glaubens in ganz besonderer Weise verbunden«, sagte der CDU-Politiker der »Bild«-Zeitung. »Wir akzeptieren nicht, wenn Juden oder der Staat Israel auf diese beschämende Weise beleidigt werden.«

Flaggen Die Bundesregierung sei sich »der besonderen Lage im Nahen Osten bewusst«, sagte de Maizière. »Auch und besonders vor diesem Hintergrund verurteilen wir es auf das Schärfste, wenn im Rahmen der Demonstration Gewalt verübt wird und israelische Flaggen verbrannt werden.«

Müller sagte am Sonntag in Berlin, wer das hohe Gut der freien Meinungsäußerung für Antisemitismus und Rassismus missbrauche und durch das Verbrennen von Fahnen Hass säe, könne dafür nicht den Schutz des Demonstrationsrechts nutzen: »Die Polizei wird klar jede Straftat verfolgen und Demonstrationen, von denen Straftaten ausgehen, auflösen.«

Wer hingegen friedlich und respektvoll vor den Rechten anderer gegen politische Entscheidungen wie die von US-Präsident Trump demonstriere, nehme »sein gutes, von uns geschütztes Demonstrationsrecht« wahr, betonte Müller. Am Freitagabend hatte es am Brandenburger Tor und in Berlin-Neukölln Demonstrationen gegen die Ankündigung von US-Präsident Donald Trump gegeben, die US-Botschaft in Israel von Tel Aviv nach Jerusalem zu verlegen.

Polizei
Die Polizei teilte danach über Twitter mit, im Zusammenhang mit den Vorfällen bei den Demonstrationen habe es zehn Freiheitsentziehungen und zwölf Strafanzeigen gegeben, unter anderem wegen des Verbrennens von Israelfahnen.

Am Sonntag zogen erneut Hunderte Demonstranten durch Berlin, um gegen die Entscheidung des US-Präsidenten zu protestierten. Die pro-palästinensischen Demonstranten zogen laut Medienberichten durch Straßen im Stadtteil Neukölln in Richtung Kreuzberg. Die »Berliner Zeitung« berichtete von 2500 Teilnehmern, die dpa von 1000 Teilnehmern. Am Rande der Demonstration sei erneut eine Fahne mit dem Davidsstern angezündet worden.

Auch Israels Botschafter in Berlin, Jeremy Issacharoff, äußerte sich zu den antisemitischen Demonstrationen in Berlin: »Wer Flaggen verbrennt, verbrennt seinen Anstand und seine Toleranz«, twitterte er.

Das American Jewish Committee (AJC) betonte, bei der Demonstration am Brandenburger Tor seien am Freitag nicht nur israelische und amerikanische Fahnen verbrannt worden, betonte das AJC. Auch die terroristische Hamas sei verherrlicht worden. Zudem seien judenfeindliche Parolen wie »Juden, erinnert euch an Khaybar, die Armee Mohammeds kommt wieder«, »Tod Israel« und »Kindermörder Israel« skandiert worden.

jsud Unterdessen hat die Jüdische Studierendenunion Deutschland (JSUD) gemeinsam mit dem Jungen Forum der Deutsch-Israelischen Gesellschaft und dem AJC Berlin Ramer Institute einen offenen Brief an Innensenator Andreas Geisel geschrieben und ihn darin aufgefordert, »ein klares Zeichen gegen Judenhass zu setzen und verschärfte Auflagen für Kundgebungen, bei denen Hetze gegen Israel und Juden absehbar ist, zu erlassen«.

Konkret bedeute das, sicherzustellen, dass Fahnen von Terrororganisationen wie der Hamas verboten werden und dass bei antisemitischen Sprechchören eingeschritten wird. »Solche Maßnahmen sind nicht nur für Berlin dringend notwendig, sondern hätten auch eine bundesweite Signalwirkung«, heißt es in dem Schreiben. ja/epd

Antiisraelischer Beschluss

Linken-Spitze distanziert sich von Parteijugend

Die Linksjugend Solid wirft Israel unter anderem einen »kolonialen und rassistischen Charakter« vor – und löst in der Partei Empörung aus

 06.11.2025

Urteil

Betätigungsverbot für israelfeindlichen Aktivisten war rechtswidrig

Ghassan Abu-Sittah, der der israelischen Armee vorwirft, vorsätzlich Kinder zu töten, hätte auf dem »Palästina-Kongress« sprechen dürfen

 06.11.2025

Terrorismus

Nach Hamas-Festnahme: Waffenfund in Österreich

Der österreichische Verfassungsschutz stellte fünf Faustfeuerwaffen und zehn Magazine sicher

 06.11.2025

Gedenken

Neues Denkmal für jüdische Häftlinge in Gedenkstätte Ravensbrück

Etwa 20.000 Jüdinnen und Juden sind im ehemaligen Konzentrationslager Ravensbrück in Brandenburg inhaftiert gewesen. Die heutige Gedenkstätte hat nun ein neues Denkmal enthüllt - im Beisein von Überlebenden

von Daniel Zander  06.11.2025

Kommentar

Warum Zürichs Entscheid gegen die Aufnahme von Kindern aus Gaza richtig ist

Der Beschluss ist nicht Ausdruck mangelnder Menschlichkeit, sondern das Ergebnis einer wohl überlegten Abwägung zwischen Sicherheit, Wirksamkeit und Verantwortung

von Nicole Dreyfus  06.11.2025

Ehrung

»Wir Nichtjuden sind in der Pflicht«

Am Mittwochabend wurde Karoline Preisler mit dem Paul-Spiegel-Preis des Zentralrats der Juden in Deutschland ausgezeichnet. Wir dokumentieren ihre Dankesrede

 06.11.2025 Aktualisiert

Medien

So erzeugt man einen gefährlichen Spin

Wie das Medienunternehmen »Correctiv« den Versuch unternimmt, die Arbeit des israelischen Psychologen Ahmad Mansour fragwürdig erscheinen zu lassen

von Susanne Schröter  06.11.2025

Meinung

Wenn deutsche Linke jüdische Selbstbestimmung ablehnen

In einer Resolution delegitimiert die Linksjugend Israel als koloniales, rassistisches Projekt. Dabei ist der Staat der Juden nicht zuletzt eine Konsequenz aus den Verbrechen der Deutschen im Nationalsozialismus

von Frederik Schindler  06.11.2025

Ostdeutschland

AfD-Regierung als »Schreckensszenario«

Zehn Monate vor den Landtagswahlen in Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt wächst in den jüdischen Gemeinden die Sorge vor einem Sieg der AfD

von Joshua Schultheis  06.11.2025