Meinung

Die Nackten und die Toten

Michael Wuliger Foto: Marco Limberg

Gastfreundschaft ist eine Tugend. Zumal bei hohem Besuch. Hassan Rohani war diese Woche in Rom und gab eine Pressekonferenz in den Kapitolinischen Museen. Zuvor wurden dort eine Reihe antiker Statuen verhüllt, um die religiösen Gefühle des iranischen Präsidenten, der im Zivilberuf islamischer Geistlicher ist, nicht durch den Anblick nackter Körper zu verletzen.

Das diplomatische Feingefühl der Italiener hat seinen Preis: 17 Milliarden Euro. Das ist das Volumen der neuen Wirtschaftsabkommen zwischen beiden Staaten. Seit Mitte dieses Monats die Sanktionen gegen die Islamische Republik aufgehoben wurden, stehen die Emissäre des Westens in Teheran Schlange, um mit den Mullahs ins Geschäft zu kommen. Die wollen durch Kooperation mit dem Westen, so Präsident Rohani, »das Wirtschaftswachstum ankurbeln und Arbeitsplätze für junge Beschäftigte schaffen«.

Hinrichtungen Für diejenigen jedenfalls, die man nicht aufgehängt hat. Laut Amnesty International wurden im Iran zwischen 2005 und 2015 73 Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren hingerichtet, unter anderem wegen »Feindschaft gegen Gott«. Vielleicht hatten sie sich nicht züchtig genug verhüllt.

Aber das sind Petitessen. Der Iran soll schließlich ein Stabilitätsfaktor in Nah- und Mittelost werden. Dafür hat man jahrelang in Genf verhandelt. Zwar galt das Land bis vor Kurzem noch als das ziemliche Gegenteil. Die Mullahs bauten an einer Atombombe und drohten Israel mit der Vernichtung. Aber jetzt ist die Gefahr einer nuklearen Aufrüstung Teherans »auf absehbare Zeit gebannt«. Bundesaußenminister Steinmeier hat das gesagt, es muss also stimmen.

Hassan Rohani ist derweil von Rom nach Paris weitergereist, um dort 114 Airbus-Flugzeuge zu kaufen. Deutschland stand diesmal nicht auf seiner Reiseroute. Eigentlich schade. Was wäre wohl in Berlin verhüllt worden, um die sensible Seele des iranischen Präsidenten zu schonen? Vielleicht das Holocaust-Mahnmal? Mit der Anerkennung der Schoa tut das Regime sich nämlich immer noch schwer.

Erst vor zwei Wochen hat die Stadt Teheran einen neuen internationalen Karikaturenwettbewerb zur Leugnung des Holocausts ausgeschrieben. Und weil dank der Aufhebung der Wirtschaftssanktionen der Iran wieder flüssig ist, wurde auch gleich das Preisgeld mehr als vervierfacht: Dem Sieger winken statt bisher 12.000 US-Dollar jetzt 50.000 US-Dollar. Vorausgesetzt natürlich, er zeichnet keine Nackten.

Der Autor ist Publizist in Berlin.

Fernsehen

»Mord auf dem Inka-Pfad«: War der israelische Ehemann der Täter?

Es ist einer der ungewöhnlichsten Fälle der deutschen Kriminalgeschichte. Die ARD packt das Geschehen nun in einen sehenswerten True-Crime-Vierteiler

von Ute Wessels  30.04.2025

Nahost

Heftige Gefechte in Syrien: Erneut mehrere Tote. Jetzt schaltet sich Israel ein

Eine Tonaufnahme löst in Syrien erneut eine Welle der Gewalt aus. Mehrere Menschen werden getötet

von Amira Rajab, Nehal ElSherif  30.04.2025

Bergen-Belsen

Die Lebenden und die Toten

Das Lager war ein Ort des Sterbens, doch hier wurden auch Menschen geboren. Überlebende, Angehörige und sogenannte DP-Babys trafen sich nun zum gemeinsamen Gedenken. Unsere Autorin war dabei

von Amie Liebowitz  30.04.2025

Joshua Schultheis

Lieber Friedrich Merz!

Der künftige Kanzler steht vor einer historischen Aufgabe im Umgang mit den Juden und mit Israel. Unser Autor hat ihm einen Brief geschrieben

von Joshua Schultheis  30.04.2025

Prozess

Terror-Unterstützerin kommt mit Verwarnung davon

Aitak Barani hatte kurz nach dem 7. Oktober 2023 die Massaker der Hamas als »gelungene Widerstandsaktion« bezeichnet. Dafür bekam sie vom Amtsgericht Frankfurt eine Geldstrafe - die sie aber vorerst nicht zahlen muss

 30.04.2025

20 Jahre Holocaust-Mahnmal

Tausende Stelen zur Erinnerung - mitten in Berlin

Selfies auf Stelen, Toben in den Gängen, Risse im Beton - aber auch andächtige Stille beim Betreten des Denkmals. Regelmäßig sorgt das Holocaust-Mahnmal für Diskussionen. Das war schon so, bevor es überhaupt stand

von Niklas Hesselmann  30.04.2025

Bern

Schweizer Juden reagieren auf Verbot der Terrororganisation Hamas

Deutschland hat die Terrororganisation schon kurz nach dem Angriff vom 7. Oktober 2023 verboten. Die Schweiz zieht jetzt erst nach

 30.04.2025

Den Haag

USA rechtfertigen vor UN-Gericht Israels Blockade humanitärer Hilfe

Israel habe ein berechtigtes Sicherheitsinteresse, sagt der Rechtsvertreter aus Washington D.C.

 30.04.2025

Regierung

Mit Davidstern ins Kabinett

Karin Prien wird Deutschlands erste Bundesministerin mit jüdischen Wurzeln. Erst seit wenigen Jahren spricht die CDU-Politikerin öffentlich über ihre Familiengeschichte

von Michael Thaidigsmann  30.04.2025