Meinung

Die Liberalen schaffen sich ab

Samuel Salzborn Foto: Marta Krajinovic

Die FDP macht sich selbst überflüssig, das hat die 1,8-Prozent-Pleite bei den Berliner Abgeordnetenhauswahlen erneut gezeigt. Die neue junge Elite der Partei ist meilenweit vom politischen Liberalismus vergangener Tage entfernt. Auch ohne ihr Zutun radikalisiert sich der Markt fortlaufend selbst, und der Populismus, den der neue Parteivorsitzende Philipp Rösler von seinem Vorgänger Guido Westerwelle übernommen hat, ist nicht nur gnadenlos provinziell, sondern obendrein auch noch humorlos.

strömungen Die FDP dieser Tage verkörpert politisch nichts, was wirklich noch einen demokratischen Nutzen hätte – und die Wählerinnen und Wähler merken, dass die Werte des politischen Liberalismus heute bei anderen Parteien zu Hause sind.

Der Liberalismus hatte ideengeschichtlich immer zwei Strömungen: die politische und die ökonomische. Nur da, wo beide vereint waren und sich wechselseitig befruchteten, war er erfolgreich. Freiheit als Freiheit von Zwang, aber eben auch als Freiheit von ökonomischer Sicherheit war und ist eine attraktive, aber auch riskante Angelegenheit. Wer nur noch das ökonomische Risiko anbietet, aber den Kampf für die politische Freiheit anderen überlässt, macht sich unattraktiv.

möllemann Der Beginn der Talfahrt der FDP datiert spätestens auf die Möllemann-Affäre in den Jahren 2002/2003: als die Partei es nicht schaffte oder nicht schaffen wollte, sich kompromisslos von einem Antisemiten wie Jürgen W. Möllemann zu trennen. Politischer Liberalismus basiert auf gleichen Rechten, auf persönlicher Freiheit, auf einem starken Bürgertum. Dazu gehört auch immer, unmissverständlich gegen Antisemitismus einzutreten, denn das gehört zum liberalen Wesen.

Wer aber für diese Werte nicht eintritt, der relativiert Politik, da er den Nutzen abwägt: Bringt es Wählerstimmen, wenn man einen Antisemiten wie Möllemann in den eigenen Reihen toleriert? Dass dieses ökonomische Kalkül überhaupt angestellt wurde, war der Todesstoß für den politischen Liberalismus. Übrig geblieben sind gut zehn Jahre später fast nur noch die Karrieristen, die die Partei bevölkern.

Ohne ihre eigentliche Kernkompetenz braucht man aber eine freidemokratische Partei nicht mehr. Nicht einmal in der deutschen Provinz.

Der Autor ist Vertretungsprofessor für Demokratieforschung an der Universität Gießen.

Berlin

Späte Gerechtigkeit? Neue Schiedsgerichte zur NS-Raubkunst

Jahrzehnte nach Ende der Nazi-Zeit kämpfen Erben jüdischer Opfer immer noch um die Rückgabe geraubter Kunstwerke. Ab dem 1. Dezember soll es leichter werden, die Streitfälle zu klären. Funktioniert das?

von Cordula Dieckmann, Dorothea Hülsmeier, Verena Schmitt-Roschmann  27.11.2025

USA

Staatsanwaltschaft rollt den Fall Etan Patz neu auf

Der jüdische Junge Etan Patz verschwindet am 25. Mai 1979 auf dem Weg zur Schule. Jahre später wird er für tot erklärt

 26.11.2025

Urteil

Verbot des Berliner Palästina-Kongresses war rechtswidrig

Das Berliner Verwaltungsgericht hat das Verbot eines Palästina-Kongresses nachträglich für rechtswidrig erklärt

 26.11.2025

Hans-Jürgen Papier

»Es ist sehr viel Zeit verloren gegangen«

Der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts zieht eine Bilanz seiner Arbeit an der Spitze der »Beratenden Kommission NS-Raubgut«, die jetzt abgewickelt und durch Schiedsgerichte ersetzt wird

von Michael Thaidigsmann  26.11.2025

Wehrpflicht

Freiheit gemeinsam verteidigen

Russlands Angriffskrieg unterstreicht die Notwendigkeit einer starken Bundeswehr. Wenn die Situation es erfordert, dann müssen auch wir Juden bereit sein, unseren Beitrag zu leisten

von Josef Schuster  26.11.2025

Verhandlung

Verbot israelfeindlicher Proteste: Berlin mit Klagen konfrontiert

Das Verwaltungsgericht prüft zwei unterschiedlich gelagerte Klagen von Veranstaltern einer Demonstration im Dezember 2023 und des sogenannten Palästina-Kongresses im April 2024

 26.11.2025

Potsdam

BSW vor Zerreißprobe: Dorst stellt Parteiverbleib infrage

Die jüngsten Ereignisse haben Implikationen für die Landesregierung. Bei nur zwei Stimmen Mehrheit im Landtag könnte jeder Bruch in der BSW-Fraktion ihr Ende bedeuten

 26.11.2025

Buenos Aires

Milei will 2026 Botschaft in Jerusalem eröffnen

Israels Außenminister Sa’ar erklärte in der argentinischen Hauptstadt, »im April oder Mai« werde die Eröffnung erfolgen

 26.11.2025

Montréal

Air Canada prüft Beschwerde über Palästina-Anstecker in der Form Israels

Der Passagier Israel Ellis beschwert sich über das israelfeindliche Symbol an der Jacke einer Stewardess. Sie habe ihn zudem angeschrien, als sie seine Davidstern-Kette gesehen habe

 26.11.2025