Die Deutsch-Israelische Gesellschaft hat die Entscheidung der Bundesregierung scharf kritisiert, vorerst keine Kriegswaffen und Rüstungsgüter an Israel zu liefern, die auch im Gazastreifen zum Einsatz kommen könnten.
DIG-Präsident Volker Beck sagte in einer am Nachmittag verbreiteten Erklärung: »Was jetzt im Gazastreifen das richtige Vorgehen ist, ist auch in Israel politisch wie militärisch umstritten. Das wissen wir selbst auch nicht. Aber wir wissen es vor allem nicht besser.«
Die Entscheidung der Bundesregierung sei »ein Punktsieg der Hamas im globalen Propagandakrieg«. Die Hamas sei militärisch immer noch handlungsfähig. Bundeskanzler Merz habe zu Recht darauf hingewiesen, dass Israel das Recht habe, sich gegen den Terror der Hamas zu verteidigen. Die Frage sei nur, so Beck, wie die Bundesregierung die »unerlässliche Entwaffnung« der Hamas ohne Waffengewalt erreichen wolle.
»Schlecht bestellt«
Außerdem befürchtet Beck Gegenmaßnahmen Israels. »Vor deutscher Hochnäsigkeit sei gewarnt. Wenn sich Israel bei Rüstungslieferungen nach Deutschland revanchieren sollte, sieht es um die Zukunft deutscher Luftsicherheit schlecht bestellt aus.«
Carsten Ovens, Geschäftsführer von ELNET Deutschland, schrieb auf der Plattform X: »Deutschland bezieht selbst regelmäßig Rüstungsgüter, Technologie und Geheimdienstinformationen aus Israel - zum Schutz unserer deutschen Bevölkerung. Und nun wollen wir unserem israelischen Partner versagen, sich mit deutschen Produkten zu schützen, während der Judenhass auf unseren Straßen tobt.«
Remko Leemhuis vom American Jewish Committee in Berlin erklärte: »Statt Israel notwendiges Material vorzuenthalten, sollte die Bundesregierung endlich alle zur Verfügung stehenden ökonomischen und politischen Mittel einsetzen, um den Druck auf die Hamas und ihre wichtigsten Unterstützer wie den Iran zu erhöhen.« Es passe, so Leemhuis, nicht zusammen, einerseits Israels Recht auf Selbstverteidigung zu betonen und dieses Recht dann »in einem beispiellosen Schritt zu schwächen«. Denn dies sende erneut ein »Signal an die Hamas aus, dass, je länger sie durchhalte, der Druck auf Israel steigen werde.
Renée Röske, Vorsitzende des Arbeitskreises jüdischer Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten Berlin-Brandenburg, sagte dieser Zeitung: »Die Bundesregierung hat sich denjenigen gebeugt, die sich angeblich für Frieden einsetzen. Deutschlands Hilfsgüter werden von der Hamas fast vollständig geklaut. Aber Kanzler Merz macht für die prekäre Lage nun wieder Israel und nicht die Hamas verantwortlich. Für das gute Gewissen wird dann noch gefordert, dass die Hamas entwaffnet werden soll, aber nicht mit Waffen aus Deutschland.«
Allein gegen den Terror
Erneut, so Röske in Anlehnung an das Zitat von Merz zum Einsatz im Iran, solle Israel »die Drecksarbeit« für den Westen machen und den Kampf gegen eine Terrororganisation allein führen. Die Hamas quäle seit knapp zwei Jahren auch deutsche Geiseln. »Ich hoffe, dass diejenigen, die Israel nun allein lassen beim Kampf gegen Raketen an allen Fronten, wenigstens aufhören, sich als Freunde Israels zu bezeichnen«, so das SPD-Mitglied.
Der Bundesvorsitzende der Jungen Union, Johannes Winkel, äußerte sich ähnlich. Auf X schrieb der CDU-Bundestagsabgeordnete: »Israel macht ab heute die Drecksarbeit für uns, nur ohne deutsche Waffen.»Der hessische Landesverband der CDU-Nachwuchsorganisation nannte die Entscheidung einen »historischen Fehler« und einen »Schlag ins Gesicht unserer Wertegemeinschaft«. Auf Instagram postete der Bundesverband der Jungen Union eine Kachel, auf der geschrieben stand: »Staatsräson abgehakt? Ein Bruch mit den Grundsätzen der CDU«.
Kritisch gegenüber dem Kurswechsel der Bundesregierung zeigte sich auch der Münchner Bundestagsabgeordnete Stephan Pilsinger. »Deutschland kann damit de facto keine Waffen mehr nach Israel liefern, da der Einsatz in Gaza ausgeschlossen sein muss. Israels Sicherheit gegenüber seinen zahlreichen gefährlichen Feinden wird dadurch sicher nicht verbessert«, schrieb der CSU-Politiker auf X.
Ludwig Spaenle (CSU), der einst Staatsminister und heute Antisemitismusbeauftragter der Regierung von Markus Söder, sprach von einer »krassen Fehlentscheidung«. Die Entscheidung, Israels militärische Schlagkraft zu gefährden, so Spaenle, mache das »Gerede von der Staatsräson zum hohlen Gefasel«.
In der CSU rumort es offenbar noch mehr. Die Entscheidung zum Lieferstopp sei ein »Affront«, hieß es laut »Bild« aus Parteikreisen. Offenbar war die CSU-Führung um Söder vorab nicht von Merz eingeweiht worden.
Rückhalt für Merz kam dagegen aus der Führung der Sozialdemokraten. SPD-Chef und Vizekanzler Lars Klingbeil sagte in einer Erklärung, Israel gelte zwar die volle Solidarität Deutschlands, aber Falsches müsse auch benannt werden. Es dürften zudem keine weiteren Fakten geschaffen werden, die einer Zwei-Staaten-Lösung entgegenstünden. Die Freilassung der Geiseln sei »von größter Dringlichkeit«, so Klingbeil.
Auch die Linke begrüßte den deutschen Exportstopp für bestimmte Rüstungsgüter nach Israel und forderte weitere Schritte. Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu spreche von Vertreibung, Angriffe auf den Gazastreifen hielten an, sagte Lea Reisner, außenpolitische Sprecherin der Linken im Bundestag, der »Deutschen Presse-Agentur«. «Angesichts dieser Vertreibungspläne und der humanitären Katastrophe muss die Bundesregierung ihrer Verantwortung nachkommen und entschieden handeln: das EU-Assoziierungsabkommen aussetzen, Palästina anerkennen und die Maßnahmen des Gutachtens des Internationalen Gerichtshofs umsetzen», meinte Reisner. mth