Kriegsberichterstattung

»Der schrecklichste Ort der Welt«

Gedenkstätte Majdanek Foto: dpa

»Ich habe gerade den schrecklichsten Ort der Welt gesehen - das deutsche Konzentrationslager Majdanek, ein wahrer Zubringer für die Produktion des Todes«, schrieb der US-amerikanische Kriegsreporter William H. Lawrence im August 1944 in der »New York Times«.

Kurze Zeit vorher, am 23. Juli vor 80 Jahren, befreiten sowjetische Truppen das Konzentrationslager Majdanek in der Nähe von Lublin in Polen. Es war das erste KZ, das befreit wurde, und die Berichte über das, was dort passiert war, veränderten das Denken.

»Ich bin durch das ganze Lager gegangen, habe die hermetisch versiegelten Gaskammern inspiziert, in denen die Opfer erstickt wurden, und die fünf Öfen, in denen die Leichen verbrannt wurden. Ich habe auch mit den deutschen Offizieren des Lagers gesprochen, die ganz frei zugegeben haben, dass das Lager ein hochgradig organisierter Ort der Vernichtung gewesen sei, sie aber natürlich nicht an den Morden teilnahmen«, fuhr der Kriegsreporter fort.

Er gehörte zu den ersten westlichen Journalisten, die die Spuren des Massenmords zu Gesicht bekamen. Sein Bericht wurde ohne Bilder veröffentlicht; diese lieferten kurz darauf das US-amerikanische Magazin »Life« und die »Illustrated London News« mit der Überschrift: »Das schrecklichste Beispiel für organisierte Grausamkeit in der Geschichte der Zivilisation«. Mit der weiteren Befreiung von Konzentrationslagern kamen immer mehr Beispiele für diese Einschätzung dazu.

Keine Propaganda, sondern Fakt

Der Historiker Norman Domeier schreibt in seinem Buch über die Auslandskorrespondenten im »Dritten Reich« (2021), erst das Erleben der eigenen Truppen sowie die Berichte der eigenen Journalisten habe den US-Amerikanern begreiflich gemacht, dass die Massenverbrechen unbestreitbar waren. Vorher habe der Glauben vorgeherrscht, dass es sich bei den Berichten um Gräuelpropaganda handelte wie während des Ersten Weltkriegs. Dazu kam, dass der Mord an den europäischen Juden im Zweiten Weltkrieg keine mediale Priorität gehabt habe, sagte Domeier vor drei Jahren in einem Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).

Was heute unverständlich erscheint, erklärt der Historiker so: »Den Menschen etwa in den USA waren, wenn sie nicht ohnehin selbst antisemitische Einstellungen pflegten, andere Dinge viel wichtiger, vor allem die militärischen Fragen, ob die eigenen und verbündeten Truppen vorankamen.« In der unübersichtlichen geopolitischen Gemengelage sei das Schicksal der Juden für viele Menschen, auch für viele Profi-Journalisten, schlichtweg nicht relevant gewesen, so Domeier.

Diejenigen, die mit der Befreiung des Konzentrationslagers jedoch Zeugen des Massenmordes wurden, konnten nicht darüber schweigen. So Konstantin Michailowitsch Simonow (1915-1979), russischer Kriegsberichterstatter und Schriftsteller. In seinem Buch »Ich sah das Vernichtungslager« heißt es: »Ich will sofort, heute, über die ersten Spuren dieses Verbrechens sprechen, die aufgetaucht sind, über das, was ich in den letzten Tagen gehört und mit meinen eigenen Augen gesehen habe.«

Aleksander Ford (1908-1980), ein polnisch-jüdischer Filmregisseur, kehrte als Offizier mit der Roten Armee nach Polen zurück und gehörte zu den Befreiern des KZ. Für die polnische Volksarmee drehte er den Dokumentarfilm »Majdanek - Der Friedhof Europas« (1944). Nach Ansicht von Filmkritikern ist das der erste Film über den Holocaust, auch wenn er, wie es damals auch bei den Sowjets üblich war, die jüdische Identität der großen Mehrheit der Opfer ignorierte.

Erzählen, was man gesehen hatte

Mit dem Vorrücken der Alliierten wurden weitere Konzentrationslager befreit, die meisten zwischen Januar und Mai 1945. Währenddessen fand in der zweiten Jahreshälfte 1944 im polnischen Lublin bereits der erste Majdanek-Prozess statt, bei dem sechs Angeklagte zum Tode verurteilt wurden. Im zweiten Prozess (1946-1948), der ebenfalls in Lublin verhandelt wurde, standen 95 SS-Angehörige vor Gericht.

In Deutschland wurden die Verbrechen im KZ Majdanek deutlich später juristisch aufgearbeitet. Der Prozess gegen 15 ehemalige Angehörige der SS-Wachmannschaften in Düsseldorf in den Jahren von 1975 bis 1981 gilt als einer der längsten und aufwendigsten, weil sich die Richter bemühten, die individuelle Schuld festzustellen. Seit dem bahnbrechenden Urteil im Fall John Demjanjuk aus dem Jahr 2011 vor dem Landgericht München hat sich das geändert: Damals kam das Gericht zu dem Schluss, dass auch einfache Gehilfen bei Tötungsaktionen mitschuldig sein können.

USA

Staatsanwaltschaft rollt den Fall Etan Patz neu auf

Der jüdische Junge Etan Patz verschwindet am 25. Mai 1979 auf dem Weg zur Schule. Jahre später wird er für tot erklärt

 26.11.2025

Urteil

Verbot des Berliner Palästina-Kongresses war rechtswidrig

Das Berliner Verwaltungsgericht hat das Verbot eines Palästina-Kongresses nachträglich für rechtswidrig erklärt

 26.11.2025

Hans-Jürgen Papier

»Es ist sehr viel Zeit verloren gegangen«

Der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts zieht eine Bilanz seiner Arbeit an der Spitze der »Beratenden Kommission NS-Raubgut«, die jetzt abgewickelt und durch Schiedsgerichte ersetzt wird

von Michael Thaidigsmann  26.11.2025

Wehrpflicht

Freiheit gemeinsam verteidigen

Russlands Angriffskrieg unterstreicht die Notwendigkeit einer starken Bundeswehr. Wenn die Situation es erfordert, dann müssen auch wir Juden bereit sein, unseren Beitrag zu leisten

von Josef Schuster  26.11.2025

Verhandlung

Verbot israelfeindlicher Proteste: Berlin mit Klagen konfrontiert

Das Verwaltungsgericht prüft zwei unterschiedlich gelagerte Klagen von Veranstaltern einer Demonstration im Dezember 2023 und des sogenannten Palästina-Kongresses im April 2024

 26.11.2025

Potsdam

BSW vor Zerreißprobe: Dorst stellt Parteiverbleib infrage

Die jüngsten Ereignisse haben Implikationen für die Landesregierung. Bei nur zwei Stimmen Mehrheit im Landtag könnte jeder Bruch in der BSW-Fraktion ihr Ende bedeuten

 26.11.2025

Buenos Aires

Milei will 2026 Botschaft in Jerusalem eröffnen

Israels Außenminister Sa’ar erklärte in der argentinischen Hauptstadt, »im April oder Mai« werde die Eröffnung erfolgen

 26.11.2025

Montréal

Air Canada prüft Beschwerde über Palästina-Anstecker in der Form Israels

Der Passagier Israel Ellis beschwert sich über das israelfeindliche Symbol an der Jacke einer Stewardess. Sie habe ihn zudem angeschrien, als sie seine Davidstern-Kette gesehen habe

 26.11.2025

Berlin

Friedrich Merz besucht Israel

Als Kanzler ist es sein erster Aufenthalt im jüdischen Staat. Die Beziehungen hatten zuletzt unter Druck gestanden

 25.11.2025