Interview

»Den Stolz verloren«

Gusti Yehoshua Braverman Foto: Gregor Zielke

Frau Yehoshua Braverman, Sie beklagen, dass sich jüngere Diaspora-Juden zunehmend weniger für Israel interessieren. Was wollen Sie dagegensetzen?
Wir bieten weltweit Programme an, die Menschen in eine Diskussion hineinziehen sollen. Eines davon heißt Beit Ha’am. Das bedeutet: das Haus für das Volk – und ein Platz, wo Menschen sich versammeln. Wir wollen junge Leute dazu bringen, über ihre Identität zu diskutieren, und darüber, was es heute bedeutet, Zionist zu sein. Ich würde gerne den Stolz wiederbeleben, den diese jungen Leute verloren haben. Denn wenn man sich anschaut, was Israel in den 66 Jahren seiner Unabhängigkeit erreicht hat, ohne eine einzige Sekunde von Ruhe und Frieden, ist das verblüffend. Mir ist aber bewusst, dass viele junge liberale Juden mehr und mehr auf Abstand zum Zionismus und zu Israel gehen, und dass es heute viel Kritik an Israel gibt. Also lasst uns darüber reden – aber über konstruktive Kritik, nicht über zerstörerische Kritik.

Wie beurteilen Sie die Verbindung von Juden in Deutschland zu Israel?
Das kommt darauf an: Juden aus der ehemaligen Sowjetunion haben nicht automatisch eine Verbindung zu Israel. Die erste Generation von Israelis, die nach Deutschland kommt, bleibt weiterhin mit Israel verbunden – und lebt sozusagen ein israelisches Leben im Ausland. Aber wenn es um deren Kinder geht, wird es viel schwieriger.

Inwiefern?
Viele Israelis suchen keinen Kontakt zu den hiesigen jüdischen Gemeinden. Israelis in Deutschland schauen oft auf die Gemeinden herab – und umgekehrt. Das Ergebnis sieht man in der zweiten Generation: Die Kinder entfernen sich von ihren israelischen, aber auch von ihren jüdischen Wurzeln. Studien in den USA haben gezeigt, dass Kinder von Auslandsisraelis stärker zur Assimilation neigen als Kinder von Diasporajuden.

Was wollen Sie dagegen unternehmen?
Wir müssen jüdische Werte an die nächste Generation weitergeben. Wir brauchen die Unterschiede zwischen Israelis und Juden in der Diaspora nicht zu verwischen, aber es gibt etwas, das uns eint. Jeder von uns kann friedlich in seiner eigenen Heimat leben, in dem Bewusstsein, dass wir zusammengehören.

Das heißt: Sie wollen niemanden überzeugen, nach Israel zurückzukehren?
In vielen Ländern auf der Welt habe ich schon Israelis getroffen, und von manchen habe ich auch gedacht: Ihr könnt bleiben, wo ihr seid. Aber was die Israelis in Deutschland angeht: Da tut mir das Herz weh. Denn das sind außergewöhnlich wertvolle Menschen, die unserem Land wirklich fehlen und die einen großen Beitrag leisten könnten. Neulich, bei einem Gespräch mit Israelis in Berlin, habe ich zum ersten Mal den Gedanken gehabt: Jeden Einzelnen von euch würde ich gerne zurück nach Hause holen. Ich werde niemandem sagen, was er zu tun hat. Aber ich möchte mit den Menschen im Gespräch bleiben.

Mit der Leiterin der Abteilung für Diaspora-Aktivitäten der World Zionist Organization (WZO) sprach Ayala Goldmann.

Essay

All die potenziellen Schüsse

In diesem Herbst liest man fast täglich von vereitelten Anschlägen auf Juden. Was die ständige Bedrohung mit uns macht

von Mascha Malburg  20.11.2025

Glosse

Auf, auf zum bewaffneten Kampf!

Eine deutsche Komikerin wechselte am Wochenende wieder einmal das Genre. Enissa Amani versuchte allen Ernstes, rund 150 Berlinern zu erklären, dass Nelson Mandela das Vorgehen der Hamas gegen Israel gutgeheißen hätte

von Michael Thaidigsmann  19.11.2025

Stuttgart

Polizei plant Großeinsatz bei Maccabi-Spiel

Vor den Europa-League-Auftritten gegen Maccabi Tel Aviv sind der VfB Stuttgart und der SC Freiburg alarmiert. Ein Fan-Ausschluss wie zuletzt in Birmingham ist momentan nicht geplant

 19.11.2025

Nazivergangenheit

Keine Ehrenmedaille für Rühmann und Riefenstahl

»NS-belastet« oder »NS-konform« – das trifft laut einer Studie auf 14 Persönlichkeiten der Filmbranche zu. Ihnen wird rückwirkend eine Auszeichnung aberkannt, die die Spitzenorganisation der Filmwirtschaft (SPIO) zukünftig nicht mehr vergeben will

von Niklas Hesselmann  19.11.2025

Kommentar

Danke, Berlin!

Die Entscheidung der Behörden, einem Hamas-Fanboy die Staatsbürgerschaft zu entziehen, sendet ein unmissverständliches und notwendiges Signal an alle Israelhasser. Mit Mahnwachen allein können wir die Demokratie nicht verteidigen

von Imanuel Marcus  19.11.2025

München

LMU sagt Veranstaltung zu palästinensischer Wissenschaft ab

Die Universität verwies in ihrer Stellungnahme darauf, dass es erhebliche Zweifel gegeben habe, »ob es sich um eine wissenschaftliche Veranstaltung auf dem erforderlichen Niveau gehandelt hätte«

 19.11.2025

Internet

Expertin: Islamisten ködern Jugendliche über Lifestyle

Durch weibliche Stimmen werden auch Mädchen von Islamistinnen verstärkt angesprochen. Worauf Eltern achten sollten

 19.11.2025

Portrait

Die Frau, die das Grauen dokumentieren will

Kurz nach dem 7. Oktober 2023 gründete die israelische Juristin Cochav Elkayam-Levy eine Organisation, die die Verbrechen der Hamas an Frauen und Familien dokumentiert. Unser Redakteur sprach mit ihr über ihre Arbeit und ihren Frust über die Vereinten Nationen

von Michael Thaidigsmann  19.11.2025

Religion

Rabbiner: Macht keinen Unterschied, ob Ministerin Prien jüdisch ist

Karin Priens jüdische Wurzeln sind für Rabbiner Julian-Chaim Soussan nicht entscheidend. Warum er sich wünscht, dass Religionszugehörigkeit in der Politik bedeutungslos werden sollte

von Karin Wollschläger  19.11.2025