Medien

Das ZDF, die Ukraine und die Faschisten

Claus Kleber Foto: picture alliance / dpa

Ein Video-Zusammenschnitt auf Facebook stellt Aussagen des ehemaligen ZDF-Moderators Claus Kleber Aufnahmen von ukrainischen Rechtsextremen gegenüber. Angeblich ist auch eine Demonstration vom Neujahrstag 2023 zu sehen - während Kleber sagt: »Es gibt diese Faschisten nicht.« Wird hier ein Widerspruch oder gar eine Falschaussage des Journalisten dokumentiert?

Bewertung

Der Satz von Claus Kleber wurde sinnentstellend gekürzt und stammt bereits aus dem Jahr 2014. In Wirklichkeit sagte er damals über Vorwürfe, Rechtsextreme würden die Ukraine regieren: »Es gibt diese Faschisten nicht, jedenfalls nicht an verantwortlicher Stelle in Kiew.« Zudem fand die im Video gezeigte Demonstration nicht an Neujahr 2023, sondern genau ein Jahr vorher statt.

Fakten

Das Kleber-Zitat ist so geschnitten worden, dass ein wichtiger Teil fehlt. Eine längere Version enthält einen weiteren Halbsatz: »Es gibt diese Faschisten nicht, jedenfalls nicht an verantwortlicher Stelle in Kiew.« Der Satz fiel bereits am 21. Juli 2014 in einer Ausgabe des »heute journals« im ZDF. Die Sendung widmete sich den schon damals von Russland erhobenen Vorwürfen, in der Ukraine würden »Faschisten« regieren. Kleber ging Ende 2021 als Moderatordes »heute journals« in Rente.

Im Jahr 2014 war an der ukrainischen Regierung nach dem Sturz des pro-russischen Präsidenten Wiktor Janukowitsch tatsächlich für einige Monate die rechtsextreme Sowoboda-Partei beteiligt. Zur derzeitigen Regierung unter Präsident Wolodymyr Selenskyj und Ministerpräsident Denys Schmyhal gehört jedoch keine derartige Partei. Swoboda verfügt nur noch über einen Abgeordneten im Parlament in Kiew.

Der Konflikt zwischen Russland und der Ukraine war zu diesem Zeitpunkt vor allem deshalb Thema, weil am 17. Juli 2014 über den seit wenigen Monaten von pro-russischen Separatisten kontrollierten Gebieten in der Ostukraine ein malaysisches Passagierflugzeug abgeschossen worden war. Dabei waren alle 298 Insassen ums Leben gekommen.

Untersuchungen ergaben später, dass das Flugzeug von einer Flugabwehrrakete russischer Bauart getroffen worden war. Im November 2022 verurteilte ein Gericht in den Niederlanden zwei Russen und einen Ukrainer in Abwesenheit zu lebenslanger Haft wegen Mordes.

Den Aufmarsch von Rechtsextremen und Nationalisten, der auf Facebook dem Kleber-Zitat gegenübergestellt wird, hat es tatsächlich gegeben - allerdings mehr als sieben Jahre nach dem Satz von Kleber.

Die im Video gezeigten Datumsangaben erwecken den Eindruck, dass einmal eine Demonstration am 1. Januar 2022 und einmal am 1. Januar 2023 zu sehen sei. Das ist jedoch falsch: Alle Videos stammen vom selben Aufmarsch am Neujahrstag 2022 in Kiew.

Eine Foto-Rückwärtssuche mit Screenshots aus den Videos führt zu einem Livestream des ukrainischen TV-Senders 5. Kanal und zu einem Beitrag des Senders Euronews. Unter anderem ist der Junge mit der Mütze, der auf den Schultern eines Mannes sitzt, in dem Livestream zu sehen. Die Szene wurde also nicht im Jahr 2023 aufgenommen.

Anlass des rechtsextremen Aufmarsches in der Innenstadt von Kiew war der Geburtstag des ukrainischen Partisanenführers Stepan Bandera. Er kämpfte ab den 1930er Jahren für die ukrainische Unabhängigkeit und mit einer Miliz gegen Polen, Sowjets und Deutsche und auch gegen die jüdische Bevölkerung. Im Zweiten Weltkrieg verbündete Bandera sich zwar zunächst mit Deutschland, wurde von den Nationalsozialisten aber später verhaftet und in einem deutschen Konzentrationslager interniert.

Er gilt heute als Ikone ukrainischer Nationalisten. Auf der Bandera-Demonstration am 1. Januar 2022 sind Fahnen der rechtsextremen Swoboda zu sehen. dpa

(Stand: 11.1.2023)

Links

Längerer Ausschnitt von Klebers Moderation im »heute journal« (archiviertarchiviertes Video)

Blog-Artikel über die Sendung (23.7.2014) (archiviert)

Mitteilung zu Klebers Abschied vom »heute journal« (27.12.2021) (archiviert)

Bremen zwei über Claus Kleber (archiviert)

Übersicht der ukrainischen Übergangsregierung im Jahr 2014 (archiviert)

Übersicht der derzeitigen ukrainischen Regierung (archiviert)

»Der Standard« über Rechtsextremismus in der Ukraine und Swoboda (29.3.2022) (archiviert)

Informationen zum Abschuss von Flug MH17 (5.3.2020) (archiviert)

»Tagesschau«-Bericht über Urteil in den Niederlanden (17.11.2022) (archiviert)

Livestream des 5. Kanals von der Demonstration (1.1.2022) (archiviert)

Euronews-Bericht über Demo (1.1.2022) (archiviertarchiviertes Video)

MDR-Bericht über Stepan Bandera (21.11.2017) (archiviert)

»Zeit online« über Swoboda mit Foto von Fahnen (6.12.2013) (archiviert)

Beitrag auf Facebook (archiviertarchivertes Video)

Meinung

Ein Friedensplan, der keiner ist?

Die von den Amerikanern vorgelegten Punkte zur Beendigung des Ukraine-Kriegs sind kein fairer Vorschlag, sondern eine Belohnung für den russischen Aggressor

von Alexander Friedman  24.11.2025

Münster

Gericht macht Unterschiede bei propalästinensischen Parolen

Wann ist Kritik am Staat Israel von der Meinungsfreiheit gedeckt? Ein Gericht in NRW sieht das generelle Verbot, das Existenzrecht Israels zu bestreiten, als rechtswidrig an

 24.11.2025

Berlin

Friedrich Merz besucht Israel

Als Kanzler ist es sein erster Aufenthalt im jüdischen Staat. Die Beziehungen hatten zuletzt unter Druck gestanden

 24.11.2025

Portrait

Die Frau, die das Grauen dokumentieren will

Kurz nach dem 7. Oktober 2023 gründete die israelische Juristin Cochav Elkayam-Levy eine Organisation, die die Verbrechen der Hamas an Frauen und Familien dokumentiert. Unser Redakteur sprach mit ihr über ihre Arbeit und ihren Frust über die Vereinten Nationen

von Michael Thaidigsmann  24.11.2025

Potsdam

BSW-Fraktionsvize tritt nach Reaktion auf AfD-Zitat zurück

Die Landtagsfraktion in Brandenburg ist nach vier Parteiaustritten in einer Krise. Nun tritt auch noch Fraktionsvize Dorst von seinem Amt zurück. Die Hintergründe

 24.11.2025

Soziale Medien

Plattform X: Israelfeindliche und antisemitische Inhalte aus Pakistan und der Türkei

Ein neues Transparenz-Feature zeigt: Angeblich von westlichen »Israelkritikern« betriebene Konten werden in Wirklichkeit aus anderen Teilen der Welt bearbeitet

 24.11.2025

Washington D.C.

Trump kündigt Einstufung der Muslimbrüder als Terrororganisation an

Der Organisation würde mit diesem Schritt der Zugang zu finanzieller Unterstützung verwehrt. Die Muslimbruderschaft wird immer wieder mit radikalen Ablegern in Verbindung gebracht

 24.11.2025

Existenzrecht Israels

Objektive Strafbarkeitslücke

Nicht die Gerichte dafür schelten, dass der Gesetzgeber seine Hausaufgaben nicht macht. Ein Kommentar

von Volker Beck  23.11.2025

Dortmund

Ermittlungen gegen Wachmann von NS-Gefangenenlager 

Die Polizei ermittelt gegen einen Ex-Wachmann des früheren NS-Kriegsgefangenenlagers in Hemer. Er soll an Tötungen beteiligt gewesen sein - und ist laut »Bild« inzwischen 100 Jahre alt

 22.11.2025