Interview

»Das war kein Kuhhandel«

Frau Nahles, ist es ein Erfolg, dass der berühmte Sachbuchautor Thilo Sarrazin Ihrer Partei erhalten bleibt?
Es war die richtige Entscheidung in einer konkreten Situation. Es gab ein faires Verfahren vor einer unabhängigen Schiedskommission, so wie es jedem Parteimitglied zusteht. Es ist ja auch nicht so, dass die SPD sich Sarrazin inhaltlich angenähert hat. Stattdessen hat er sich im Laufe des Schiedsverfahrens auf die SPD zu bewegt. Als Opfer kann er sich jetzt kaum noch stilisieren. Seine politischen Äußerungen halte ich nach wie vor für fragwürdig. Aber eine Volkspartei muss das aushalten.

Sergey Lagodinsky, Gründer des Arbeitskreises jüdischer Sozialdemokraten, hat die SPD verlassen und glaubt, für Sie wäre er nur ein »Kollateralschaden«. Hat er recht?
Nein. Ich habe mit ihm lange gesprochen und klarzumachen versucht, dass man nicht einfach ein missliebiges Parteimitglied rauswerfen kann. Wenn sich jemand den Unmut des Vorstands zuzieht, heißt das eben nicht, dass er sofort die SPD verlassen muss.

Aber das hat Sergey Lagodinsky nicht umgestimmt.
Das ist leider richtig. Aber hoffentlich konnte ich ihn davon überzeugen, dass Sarrazins Verbleib in der Partei kein »Kuhhandel« war. Nur, weil ein Verfahren unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfindet, heißt das ja nicht gleich, dass Willkür herrscht. Das Ganze war ein normaler Vorgang gemäß unserer Statuten. Und dieses Prinzip verteidige ich.

Der Arbeitskreis jüdischer Sozialdemokraten teilt Lagodinskys Kritik inhaltlich.
Die Kritik verstehe ich ja. Aber dass die Statuten es nicht erlauben, jemanden schnell auszuschließen, ist eine wichtige Leitlinie. Früher war dies ein Schutz für Linke, heute ist es ein Schutz für Sarrazin. Ich werde dem Arbeitskreis ein Gespräch anbieten und bin auch bereit, heftig zu diskutieren, wenn es der Sache dient. Vor allem bin ich dankbar, dass die Vertreter des Arbeitskreises in der SPD bleiben. Es tut mir in der Seele weh um jedes Mitglied, das die Partei wegen Sarrazin verlässt. Diesen Einfluss hat er nicht verdient.

Das Parteiausschluss-Verfahren wurde eingeleitet wegen Sarrazins politischer Äußerungen über Migranten. Sind diese jetzt in der SPD salonfähig?
Keineswegs, Sarrazin ist ein einfaches Mitglied der SPD. Er bestimmt nicht unsere Integrationspolitik. Es war auch kein politisches Verfahren, sondern eines vor der Parteischiedskommission. Auch die bestimmt nicht die sozialdemokratische Politik.

Ihre Partei will eine 15-Prozent-Quote für Migranten einführen. Ist das der Versuch, die SPD trotz Sarrazin für diese Gruppe attraktiv zu machen?
Gewissermaßen ja, dieser Schritt soll deutlich machen: Wir stehen für eine moderne Integrationspolitik. Wir setzen auf Teilhabe. Diesen Weg gehen wir völlig unabhängig von Thilo Sarrazin.

Mit der Generalsekretärin der SPD sprach Martin Krauß.

Nazivergangenheit

Keine Ehrenmedaille für Rühmann und Riefenstahl

»NS-belastet« oder »NS-konform« – das trifft laut einer Studie auf 14 Persönlichkeiten der Filmbranche zu. Ihnen wird rückwirkend eine Auszeichnung aberkannt, die die Spitzenorganisation der Filmwirtschaft (SPIO) zukünftig nicht mehr vergeben will

von Niklas Hesselmann  20.11.2025

Essay

All die potenziellen Schüsse

In diesem Herbst liest man fast täglich von vereitelten Anschlägen auf Juden. Was die ständige Bedrohung mit uns macht

von Mascha Malburg  20.11.2025

Glosse

Auf, auf zum bewaffneten Kampf!

Eine deutsche Komikerin wechselte am Wochenende wieder einmal das Genre. Enissa Amani versuchte allen Ernstes, rund 150 Berlinern zu erklären, dass Nelson Mandela das Vorgehen der Hamas gegen Israel gutgeheißen hätte

von Michael Thaidigsmann  19.11.2025

Stuttgart

Polizei plant Großeinsatz bei Maccabi-Spiel

Vor den Europa-League-Auftritten gegen Maccabi Tel Aviv sind der VfB Stuttgart und der SC Freiburg alarmiert. Ein Fan-Ausschluss wie zuletzt in Birmingham ist momentan nicht geplant

 19.11.2025

Kommentar

Danke, Berlin!

Die Entscheidung der Behörden, einem Hamas-Fanboy die Staatsbürgerschaft zu entziehen, sendet ein unmissverständliches und notwendiges Signal an alle Israelhasser. Mit Mahnwachen allein können wir die Demokratie nicht verteidigen

von Imanuel Marcus  19.11.2025

München

LMU sagt Veranstaltung zu palästinensischer Wissenschaft ab

Die Universität verwies in ihrer Stellungnahme darauf, dass es erhebliche Zweifel gegeben habe, »ob es sich um eine wissenschaftliche Veranstaltung auf dem erforderlichen Niveau gehandelt hätte«

 19.11.2025

Internet

Expertin: Islamisten ködern Jugendliche über Lifestyle

Durch weibliche Stimmen werden auch Mädchen von Islamistinnen verstärkt angesprochen. Worauf Eltern achten sollten

 19.11.2025

Portrait

Die Frau, die das Grauen dokumentieren will

Kurz nach dem 7. Oktober 2023 gründete die israelische Juristin Cochav Elkayam-Levy eine Organisation, die die Verbrechen der Hamas an Frauen und Familien dokumentiert. Unser Redakteur sprach mit ihr über ihre Arbeit und ihren Frust über die Vereinten Nationen

von Michael Thaidigsmann  19.11.2025

Religion

Rabbiner: Macht keinen Unterschied, ob Ministerin Prien jüdisch ist

Karin Priens jüdische Wurzeln sind für Rabbiner Julian-Chaim Soussan nicht entscheidend. Warum er sich wünscht, dass Religionszugehörigkeit in der Politik bedeutungslos werden sollte

von Karin Wollschläger  19.11.2025