Schoa-Leugnung

»Das Verbot ist nichts mehr wert«

Das Persönlichkeitsrecht umfasst das Recht auf selbstbestimmtes Sterben, urteilte das Bundesverfassungsgericht. Foto: imago

Verhandelt hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) am 9. November 2011. Und herausgekommen ist etwas, das die »Frankfurter Rundschau« eine »Anleitung zur Holocaustleugnung« nennt. Die Karlsruher Richter kassierten ein Urteil, das sich gegen einen 88-jährigen überzeugten Nationalsozialisten richtete, der in einer Kneipe einem Wirt Schriften, die den millionenfachen Mord an Juden leugnen, ausgehändigt hatte. Der Wirt hatte auf Anraten seines Bruders den Gast angezeigt.

»Eine absurde Entscheidung«, empört sich Dieter Graumann, Präsident des Zentralrats der Juden. »Das könnte als Freibrief für Holocaustleugnung interpretiert werden.« Was Graumann zusätzlich ärgert, ist, dass man in Deutschland derzeit kaum Empörung »über dieses gefährliche, höchst unsensible Urteil« hört.

»Meinungsfreiheit« Zunächst hatte das Urteil in der Öffentlichkeit kaum jemand bemerkt. Erst die »Süddeutsche Zeitung« fand heraus, dass das BVerfG den Nazi freigesprochen hatte. Der Mann habe nur seine »Meinungsfreiheit« genutzt, heißt es im Urteil, das sei keine Volksverhetzung, sondern »Teil eines einleitenden Begründungsversuchs« gewesen.

Außerdem habe der Mann nicht wissen können, ob der Wirt, wie von ihm erhofft, das Material an andere Gäste verteilt. Heribert Prantl schrieb in der »Süddeutschen«, das BVerfG habe das Verbot »entleert«: Es stünde zwar noch im Gesetz, »ist aber nichts mehr wert«. Außer von der »Süddeutschen« und der »Frankfurter Rundschau« wurde das Thema nur von wenigen anderen überregionalen Zeitungen aufgegriffen.

Ansonsten ist Kritik fast nur von jüdischer Seite zu hören. Ronald S. Lauder, Präsident des Jüdischen Weltkongresses (WJC), spricht von einem »Schlag ins Gesicht« der Angehörigen und Nachkommen der ermordeten Juden. Die WJC-Vizepräsidentin, Charlotte Knobloch, fordert, dass das gesetzliche Verbot, den Holocaust zu leugnen, von den Gerichten »restriktiv ausgelegt und angewendet werden« muss. »Eine Entsorgung durch die Hintertür der aushöhlenden Auslegung widerspricht unseren rechtsstaatlichen Prinzipien.«

In der vergangenen Woche war auch Bischof Richard Williamson vom Oberlandesgericht Nürnberg freigesprochen worden. Er hatte in einem Interview versucht, die Schoa kleinzureden. Ein Interview, so das Gericht, sei aber nicht unbedingt eine »öffentliche Äußerung«.

Berlin

Mehr Demonstrationen mit Nahost-Bezug im vergangenen Jahr

Auf den Straßen der Hauptstadt ist 2025 weniger demonstriert worden, die Kundgebungen mit Bezug zum Nahen Osten haben jedoch zugenommen

 28.12.2025

Berlin

»Jeder sollte sich überlegen, ob er mit dem Teufel ins Bett geht«

Der frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle, hält Koalitionen mit der AfD auf Länderebene für gefährlich

 27.12.2025

Genua

Italien geht gegen mutmaßliches Hamas-Netzwerk vor

Die Ermittler decken ein Netzwerk zur Unterstützung der islamistischen Terrororganisation auf

 27.12.2025

Berlin

Wadephul: Keine deutsche Beteiligung an Gaza-Stabilisierungstruppe

Er sei dafür, »dass Deutschland eine vermittelnde Rolle einnimmt, um der Sicherheit Israels Rechnung zu tragen«, so der Außenminister

 26.12.2025

Istanbul

Türkei nimmt 115 mutmaßliche IS-Mitglieder fest

Die Verdächtigen sollen Anschläge während der Weihnachts- und Neujahrszeit geplant haben

 25.12.2025

Australien

Mann solidarisiert sich mit Sydney-Attentätern – Festnahme

Bei dem Verdächtigen wurden Einkaufslisten für den Bau einer Bombe und Munition gefunden. Es erging bereits Anklage

 24.12.2025

Washington

US-Regierung nimmt deutsche Organisation HateAid ins Visier

Die beiden Leiterinnen wurden wegen angeblicher Zensur amerikanischer Online-Plattformen mit Einreiseverboten belegt. Die Bundesregierung protestiert

 24.12.2025

Großbritannien

Israelfeindlicher Protest: Greta Thunberg festgenommen

In London treffen sich Mitglieder der verbotenen Gruppe Palestine Action zu einer Protestaktion. Auch die schwedische Aktivistin ist dabei. Die Polizei schreitet ein

 23.12.2025

Stockholm

Was bleibt von den Mahnungen der Überlebenden?

Der Schoa-Überlebende Leon Weintraub warnt vor der AfD und Fanatismus weltweit. Was für eine Zukunft hat die deutsche Erinnerungskultur?

von Michael Brandt  23.12.2025