Interview

»Das ist Anlass zur Sorge«

Israels Vize-Premierminister Silvan Schalom Foto: Mike Minehan

Interview

»Das ist Anlass zur Sorge«

Silvan Schalom über Antisemitismus, Israels Nachbarn und die iranische Bombe

von Detlef David Kauschke  11.09.2012 17:10 Uhr

Herr Minister, Sie waren vor gut einem Jahr in Berlin. Haben Sie jetzt nach Ihrem erneuten Besuch den Eindruck, dass sich die Situation der hier lebenden Juden geändert hat?
Es gibt einiges, was uns sehr besorgt. Stichwort Antisemitismus: Deutschland muss wissen, wie das Phänomen zu bekämpfen ist. Die Tatsache, dass sich hier ein Jude mit einer Kippa nicht mehr unbehelligt in der Öffentlichkeit zeigen kann, ist eine sehr negative Entwicklung. Die Attacken richten sich gegen Juden, nur weil sie Juden sind. Das ist Anlass zur Sorge. Und zum Stichwort Beschneidungsdebatte: Die Brit Mila ist der wichtigste Akt, der die Zugehörigkeit zum Judentum beim Neugeborenen ausdrückt. Wenn es nun wirklich so kommt, dass Juden dieses Ritual hier in Deutschland nicht mehr ausüben dürfen, bedeutet dies, dass sie hier nicht mehr leben können. Es wäre so, als wenn man ihnen sagen würde, dass sie ab sofort kein Kaschrut mehr halten dürfen. Das können wir nicht akzeptieren.

Wie haben sich die deutsch-israelischen Beziehungen in den vergangenen zwölf Monaten entwickelt?
Auch nach den offiziellen Gesprächen, die ich hier geführt habe, ist mein Eindruck, dass die Beziehungen viel enger sind, als sie in letzter Zeit in der Presse beschrieben wurden.

Auch beim Thema Iran?
Iran darf keine Nuklearmacht werden und muss auf dem Weg dahin gestoppt werden. Das ist die Auffassung in Berlin und Jerusalem. In der Frage, was daraus folgt und getan werden muss, besteht vielleicht nicht immer Übereinstimmung. Aber wir sind in unseren Positionen sehr nahe.

Was ist Israels Position?
Israel kann nicht mit der Vorstellung leben, dass der Iran über eine Atombombe verfügen wird. Denn der Iran hat mehrfach gesagt, dass Israel von der Landkarte gelöscht werden soll und dass er den Staat eliminieren will. Wir werden alles tun, dies zu verhindern. Und ich glaube, dass wir es können.

Haben Sie den Eindruck, dass die Sicherheit Israels weiterhin deutsche Staatsräson ist?
Das hoffen wir. Nach allem, was ich hier bei meinen Gesprächen in Berlin hörte, habe ich den Eindruck, dass Deutschland sich Israels Sicherheit verpflichtet fühlt. Und dass Berlin alles unternimmt, Teheran von der Entwicklung nuklearer Waffen, die gegen Israel eingesetzt werden können, abzuhalten. Die Machthaber in Teheran versuchen, Zeit zu gewinnen. Wir sollten die verbleibende Zeit nutzen, stärkere und wirkungsvollere Sanktionen gegen Teheran zu implementieren.

Wie wird sich die Situation in Israels Nachbarschaft im kommenden Jahr entwickeln?
Die Lage entwickelt sich schlechter als angenommen. Jede Wahl, die in der Region stattfand, brachte eher extremistische als moderate Kräfte in Regierungsverantwortung. Mit solchen Regimen umzugehen, die das Existenzrecht Israels nicht anerkennen, wird wohl auch im kommenden Jahr unsere Herausforderung sein.

Mit dem israelischen Vize-Premierminister sprach Detlef David Kauschke.

Essay

Die Genozid-Lüge

Wie die Hamas nach dem 7. Oktober vom Täter zum Opfer wurde – und Israel zur Verkörperung des Bösen schlechthin

von Stephan Lehnstaedt  18.09.2025 Aktualisiert

Yad Vashem

Holocaust-Bildungszentrum in Deutschland: Drei mögliche Standorte ausgewählt

In welchen Bundesländern könnte die Institution gebaut werden? Drei stehen auf der Liste

 18.09.2025

Gazakrieg

Trump: »Ich will, dass die Geiseln sofort freigelassen werden«

Beim Staatsbesuch des US-Präsidenten im Vereinigten Königreich ging es bei einer Pressekonferenz auch um den Gaza-Krieg. Dabei machte Donald Trump eine zentrale Forderung erneut deutlich

 18.09.2025

Initiative

Kampf gegen Judenhass: Bündnis fordert Taten von der Politik

Zahlreiche Persönlichkeiten und Organisationen beteiligen sich an einem Bündnis gegen Antisemitismus. Am Donnerstag traten sie mit einem Fünf-Punkte-Plan an die Öffentlichkeit

 18.09.2025

Antisemitismusverdacht

Ermittlung wegen Plakat »Juden haben hier Hausverbot« läuft

Ein antisemitischer Aushang in einem Flensburger Geschäft sorgt für Entsetzen. Politiker und Bürger reagieren deutlich. Die Staatsanwaltschaft schaltet sich ein

 18.09.2025

Washington D.C.

US-Gericht ordnet Abschiebung von Machmud Chalil an

Den israelfeindlichen Aktivisten würde die US-Regierung gern abschieben. Fehlende Angaben bei seiner Green Card könnten ihm zum Verhängnis werden

 18.09.2025

Meinung

Der erfundene »Völkermord«

Wer für einen Genozid verantwortlich ist, versorgt dessen angebliche Opfer nicht, warnt sie nicht vor Angriffen und richtet weder Fluchtrouten noch humanitäre Zonen ein

von Imanuel Marcus  18.09.2025

Nürnberg

Annäherung nach Streit um Menschenrechtspreis-Verleihung

Die Israelitische Kultusgemeinde hatte den diesjährigen Träger des Nürnberger Menschenrechtspreises nach Bekanntgabe des Juryvotums kritisiert. Nach Gesprächen gibt es nun offenbar eine Verständigung

 18.09.2025

Meinung

Vereinte Nationen: Alter Wein in neuen Schläuchen

Kommende Woche soll in New York eine Resolution zum Nahostkonflikt verabschiedet werden. Sie ist hochproblematisch. Deutschland sollte dagegen stimmen

von Jacques Abramowicz  18.09.2025