Debatte

Die CDU geht auf Distanz zu Maaßen

Ehemaliger CDU-Direktkandidat in Südthüringen und Ex-Bundesverfassungsschutzpräsident: Hans-Georg Maaßen Foto: imago images/ari

Der ehemalige Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen, steht zunehmend unter Druck. Die CDU-Führung ging am Montag auf Distanz zu ihrem Parteimitglied. »Wir distanzieren uns klar von den Inhalten, die er in sozialen Netzwerken geteilt hat. Und wir weisen sie aufs Schärfste zurück«, sagte CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak nach Beratungen von Präsidium und Bundesvorstand. Dies sei einhellige Meinung gewesen.

Ziemiak zufolge gilt dies für Äußerungen gegen das Impfen in der Corona-Pandemie. Zum anderen gelte es für das Teilen von Inhalten von Sucharit Bhakdi – »einen durch seine Aussagen offensichtlichen Antisemiten«, sagte der CDU-Generalsekretär. »Auch das verurteilen wir aufs Schärfste, distanzieren uns. Das hat mit CDU und CDU-Politik oder -Positionen nichts, aber auch gar nichts zu tun.«

Der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, sagte dieser Zeitung: »Mit seiner Haltung bewegt sich Maaßen meines Erachtens nicht mehr im demokratischen Spektrum. Er hat in den sozialen Medien die Positionen von Leuten unterstützt, die Verschwörungsmythen und Antisemitismus verbreiten.« Es sei daher »notwendig, dass sich die CDU als demokratische Partei klipp und klar von ihm distanziert«.

STEREOTYPE Fachleute attestierten Maaßen bereits im Sommer, antisemitische Stereotype zu verbreiten. So sagte Stephan Kramer, Präsident des Thüringer Amtes für Verfassungsschutz, dem ARD-Magazin Kontraste: »Das sind für mich klassische antisemitische Stereotype, die benutzt werden bei Herrn Maaßen, wenn man die Summe aller Dinge zusammennimmt, auch auf den unterschiedlichen sozialen Plattformen, aber auch in eigenen Reden. Da gibt’s eigentlich nichts Entlastendes mehr zu bemerken.«

Besonders auffällig in diesem Kontext ist eine Verschwörungslegende, derzufolge die Corona-Pandemie entweder inszeniert sei oder zumindest instrumentalisiert werde, um eine neue Weltordnung umzusetzen. »Great Reset« oder »Große Transformation« sind dabei die zentralen Begriffe, die in den entsprechenden Milieus als Codes verstanden werden.

Maaßen verwies in einem Interview auf eine angeblich geplante »Große Transformation«.

Der Politikwissenschaftler Josef Holnburger erklärte im Gespräch mit der Jüdischen Allgemeinen dazu, die Verschwörungserzählung des »Great Reset« erinnere an eine »Neuauflage« der Erzählungen um eine NWO – der New World Order. Diese Verschwörungserzählung wiederum hat ihren Ursprung in den Mythen um eine vermeintliche jüdische Weltregierung. Solche Mythen gebe es schon lange, so Holnburger, sie setzen auf »antisemitische Codes und Stereotype«; genutzt würden diese vor allem von Rechtsextremen.

COVID-19 Erst Ende Dezember sprach Maaßen erneut von einer »Großen Transformation«, als er in einem Interview bei einem rechtspopulistischen Medienprojekt hinter Fehlern bei der Pandemie-Bekämpfung Absicht vermutete: Politiker verhielten »sich nicht nur dumm«, so Maaßen, sie verfolgten Ziele. Im Folgenden verwies er auf eine angeblich geplante »Große Transformation«; Covid solle als »Vorwand« genutzt werden, um den Staat autoritärer zu gestalten und den Menschen vorzuschreiben, wie sie leben sollten.

Dieses Interview bewarb Maaßen auf der Plattform GETTR – ein Twitter-Klon, der von einem ehemaligen Trump-Berater gegründet wurde und auf dem sich Anhänger des Ex-US-Präsidenten, Fans von Brasiliens Präsident Bolsonaro sowie Rechtsradikale aus Europa tummeln. Hier teilte Maaßen auch ein Video des bei »Querdenkern« und Corona-Leugnern populären Bhakdi, lobte es als bewegenden Appell »zur dringenden Notwendigkeit eines Covid-Impfverbots«. Auf mehrfache Nachfragen dieser Zeitung zu den Äußerungen reagierte Maaßen nicht.

Der Immunologe Carsten Watzl erklärte hingegen zu Bhakdis Ausführungen über angebliche schwere Nebenwirkungen von Impfungen, dies sei unwissenschaftlicher Unsinn.

KRITIK Maaßen steht also nicht nur wegen der Verbreitung von Bhakdis teilweise schlicht falschen Behauptungen über die Impfungen in der Kritik, sondern auch, weil dieser Professor im Ruhestand mehrfach mit Holocaust-Vergleichen für Aufsehen sorgte. So brachte er Impfkampagnen in Israel mit der Schoa in Verbindung.

»Es gibt kein Volk, das besser lernt als sie«, sagte der von Maaßen gelobte Bhakdi in Bezug auf Juden. »Aber sie haben das Böse jetzt gelernt und umgesetzt, und deswegen ist Israel jetzt living hell – die lebende Hölle.«
Diese Äußerungen zogen Ermittlungen nach sich. Der Generalstaatsanwalt des Landes Schleswig-Holstein erklärte auf Anfrage dieser Zeitung, die Ermittlungen in der Sache liefen derzeit noch.

Die CDU-Politikerin Karin Prien, Mitglied des Vorstands der Partei, hatte angesichts der Kommentare von Maaßen bereits dessen Ausschluss aus der Partei gefordert. Andere Spitzen der Partei hielten sich hingegen zurück, wollten das Problem Maaßen offenbar aussitzen. Erst jetzt geht die Führung der CDU deutlich auf Distanz. Einen Ausschluss strebt sie aber nicht an. Zumindest bislang.

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