Beziehung

Bloß nicht Brüssel

Ganz offen spricht Brüssel mittlerweile aus, dass man Jerusalem im Klub der europäischen Staaten nicht dabei haben möchte. Foto: Fotolia, (M) Frank Albinus

Europa, du hast es besser: Was Goethe einst über die Neue Welt sagte, hört man derzeit in dieser abgewandelten Form allerorten in Israel. Die israelische Europaliebe wird dabei auch nicht davon getrübt, dass der Alte Kontinent seit mittlerweile vier Jahren gegen die erdrückende Staatsverschuldung kämpft und die größte Sinnkrise seit dem Start des Projekts »Europäische Union« durchlebt.

Während in Deutschland von Monat zu Monat die Zahl derer sinkt, die der EU überhaupt noch etwas Positives abgewinnen können, ist in Israel von EU-Müdigkeit nichts zu spüren. Noch im letzten Jahr hieß es in einer Studie, dass eine überwältigende Mehrheit der Israelis, rund 81 Prozent, eine EU-Mitgliedschaft des Landes unterstützen würde.

Die Beziehungsgeflechte sind dabei schon jetzt engmaschig: Europa ist Israels größter Handelspartner, mehr als ein Drittel aller Exporte geht in die EU, und mehr als die Hälfte der Importe stammt aus europäischen Ländern. Es schien daher nur konsequent, als Israels Außenminister Avigdor Lieberman Anfang des Jahres den Wunsch bekräftigte, den vor ihm schon andere israelische Politiker ausgesprochen hatten. Langfristig, so Lieberman, sehe er sein Land als Mitgliedsstaat der EU.

mitgliedschaft Doch bei aller Begeisterung für Europa täte das Land gut daran, den Traum von Mitgliedschaft zu überdenken, bevor sich die Reise nach Europa zur Odyssee ins Nirgendwo verkehrt. Denn Israels Liebe für den Alten Kontinent blieb bislang unerwidert, und der Annäherungsprozess steht seit Jahren de facto still.

Ganz offen spricht Brüssel mittlerweile aus, dass man Jerusalem im Klub der europäischen Staaten nicht dabei haben möchte. Exemplarisch für diese europäische Politik der Blockade steht die Kommissions-Außenbeauftragte Catherine Ashton. Mit der Britin wurde eine EU-Funktionärin ins Amt gewählt, die sich lieber die Lippen blutig beißen würde, als auch nur ein gutes Wort über den Staat der Juden zu verlieren. Vor wenigen Wochen wurde nach einem Spitzentreffen vermeldet, dass die EU ihre Beziehungen zu Israel in mehr als 60 Bereichen vertiefen wolle. Neun europäische Behörden, darunter die europäische Polizeibehörde Europol und die europäische Raumfahrtagentur ESA, sollen demnach ihre Zusammenarbeit mit Israel verstärken.

floskeln Entgegen dieser Ankündigung gab sich Ashton, die in ihrer Rolle als EU-Chefdiplomatin schon von Amts wegen eigentlich auf diplomatische Floskeln gepolt ist, in diesem Fall erstaunlich undiplomatisch: Es gebe »absolut keine Veränderung« in der EU-Politik gegenüber Israel. Auf Anfrage der Jüdischen Allgemeinen ließ sie wissen, dass lediglich umgesetzt werden solle, was ohnehin schon lange vereinbart gewesen sei. Erst wenn der Nahost-Friedensprozess vorangekommen sei, werde man sich mit einem »Upgrade« der Beziehungen beschäftigen. Es wirkte, als könne ihr das Dementi gar nicht deutlich genug ausfallen.

Die Weigerung der EU-Kommission, engere Beziehungen zuzulassen, setzt sich dabei auch auf anderen Ebenen fort. So blockiert etwa das Europäische Parlament seit Monaten das ACAA-Agreement, ein Wirtschaftsabkommen, das Handelsbarrieren beseitigen und israelischen Firmen einen einfacheren Zugang zum europäischen Markt ermöglichen soll.

Und wenn auch der Stillstand in den Verhandlungen die israelischen EU-Ambitionen bislang nicht erschüttern konnte, so sollte doch die Sorge um die eigene Sicherheit Jerusalem zum Überdenken des Strebens nach mehr europäischer Nähe bringen. Was von israelischen Europafreunden angesichts der Aussicht auf Verlockungen wie die europaweite Reisefreiheit übersehen wird, ist, dass eine stärkere Integration auch mit der Gefahr einhergeht, erpressbarer gegenüber den Forderungen der EU-Partner zu sein.

eigenständigkeit Dabei ist gerade der Glaube an die politische und strategische Eigenständigkeit von supranationalen Organisationen in Israel tief verankert. Angesichts der schmerzhaften Erfahrungen, die Israel bei den Vereinten Nationen machen musste, ist er alles andere als unbegründet. Die sogenannte Antirassismuskonferenz von Durban ist nur ein Fall von vielen, bei denen die Gremien der UN dazu missbraucht wurden, um Israel zu denunzieren und dem Land seine Existenzberechtigung abzusprechen.

Sicher, die Europäische Union ist nicht die UN, aber die Frage bleibt, ob Israel sich noch unmittelbarer dem Diktat aus Brüssel zum arabisch-israelischen Konflikt aussetzen möchte. Einem Konflikt, den Europa selbst nicht auszukämpfen hat und daher leichtfertig die Sicherheit des Judenstaates aufs Spiel setzt. Das zeigte sich zuletzt vor zwei Wochen, als sich Brüssel dagegen aussprach, die libanesische Hisbollah-Miliz auf die Liste der Terrororganisationen zu setzen. Es fehlten stichhaltige Beweise dafür, dass die Hisbollah in Terroranschläge verwickelt sei, so die hanebüchene Begründung der Europäer.

Jerusalem sollte sich daher lieber zweimal überlegen, ob man sich noch enger an eine zwischenstaatliche Organisation wie die EU ketten will. Unerwiderte Liebe mag Kummer bereiten, enttäuschte Liebe aber schmerzt mehr.

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