Nahost

»Blockade beenden«

Ein Lächeln für den Herrn Minister: Guido Westerwelle in einer Schule im Gazastreifen Foto: dpa

Weite Wege hatte er nicht. Gäbe es keine Grenze, die Fahrt dauerte nur wenige Minuten, schon wäre man da. Auf der Landkarte liegen Sderot und Gaza lediglich einige Kilometer voneinander entfernt. In der Realität des Nahen Ostens könnten sie einander kaum ferner sein: die israelische Kleinstadt, seit Jahren Ziel palästinensischer Bomben, und der Küstenstreifen gleich nebenan, über den Jerusalem seit der Machtübernahme der Hamas 2007 eine Blockade verhängt hat. Bundesaußenminister Guido Westerwelle besuchte am Sonntag und Montag beide Orte. Nach fast vier Jahren war der FDP-Vorsitzende das erste deutsche Regierungsmitglied, das in den Gazastreifen reiste. Die Freilassung Gilad Schalits und das Ende der Blockade waren seine Hauptanliegen.

Am Sonntag hatte Westerwelle Noam Schalit, den Vater des seit 2006 von der Hamas verschleppten Soldaten Gilad, gesprochen und verkündet, die Freilassung sei ein Gebot der Menschlichkeit. Deutschlands höchster Diplomat traf in Jerusalem zudem mit Präsident Schimon Peres und Außenminister Avigdor Lieberman zusammen. Der hatte europäische Amtskollegen eingeladen, den Gazastreifen zu besuchen, um sich ein realistisches Bild zu machen. Und Westerwelle nahm das Angebot an.

Im Januar 2009 hatte Israel auf die jahrelange Bombardierung seiner Ortschaften reagiert und Gaza über Wochen beschossen. Die Auswirkungen sind noch immer deutlich sichtbar. Im palästinensischen Gebiet nahe der Grenze stehen mehr Ruinen als Häuser. Menschen fahren auf klapprigen, von Pferden gezogenenen Wagen über Staubpisten und suchen im Schutt nach brauchbarem Baumaterial. Denn das steht auf der Schwarzen Liste. Weil es die Hamas sonst für den Ausbau ihrer militärischen Anlagen benutze, argumentiert Jerusalem.

Ansage Der deutsche Regierungsvertreter ist da anderer Meinung, die er gleich mehrfach kundtut: »Wir haben als Bundesregierung eine klare Auffassung. Nämlich, dass die Blockade von Gaza beendet werden muss.« Obwohl die Palette der Güter in den vergangenen Monaten um einiges erweitert wurde, überquert nach wie vor nicht viel mehr als das Notwendigste die Grenze. Exporte sind gänzlich verboten. »Die Abriegelung des Gazastreifens bedeutet, dass die dort lebenden anderthalb Millionen Menschen keine Chance haben«, so Westerwelle. Es stärke die radikalen und schwäche die moderaten Kräfte. Das Gegenteil aber sei wichtig und richtig.

Um selbst kein Zeichen in Richtung radikale Kräfte zu setzen, vermied es der Außenminister, sich mit Vertretern der Hamas zu treffen. Die reagierte beleidigt und verkündete, dass sie es zwar unterstütze, jemanden von diesem politischen Rang begrüßen zu dürfen. Es sei jedoch völlig inakzeptabel, nicht mit der legal gewählten Regierung Gespräche zu führen. Westerwelle besuchte stattdessen eine Schule des UN-Flüchtlingswerkes UNWRA, setzte sich zu lächelnden Mädchen in hellblauen Schuluniformen, hörte zu, lobte und bekam am Ende sogar ein Geschenk überreicht: eine Uhr mit fröhlichem Mickey-Mouse-Gesicht. Bilder wie diese sind es, die deutsche Anteilnahme am Schicksal der Palästinenser bekunden sollen. »Gaza darf nicht vergessen werden und wird nicht vergessen werden.« Ebenso wenig dürfe der verschleppte israelische Soldat in Vergessenheit geraten. In Gaza-Stadt appellierte Westerwelle an die Entführer Schalits: »Lasst diesen jungen Mann nach Jahren der Gefangenschaft zu seiner Familie zurückkehren.«

Ein paar Kilometer weiter westlich ging es dann über Feldwege zu einem Klärwerk, das Deutschland für rund 20 Millionen Euro sanieren will. Ohne Baumaterial war das bislang nicht möglich, doch nun gab man sich hoffnungsfroh. Amtskollege Lieberman habe bei einem Treffen am Tag zuvor signalisiert, dass die Arbeit bald beginnen könne, berichtet Westerwelle.

Bomben Kurz vor dem Heimflug machte der Außenminister noch Halt in Sderot, der geschundenen israelischen Stadt. In einem Kindergarten, der nach Umbauten bombensicher gemacht worden war, verurteilte Guido Westerwelle »diese Form von Terrorismus, die Gewalttaten, für die es keine Rechtfertigung gibt«. Und: »Man vergisst, wenn man in einem sicheren Land lebt, was es heißt, wenn Kinder in der Furcht aufwachsen, von permanenten Bombenangriffen attackiert zu werden.«

Gedenken

Bundespräsident Steinmeier fordert Widerstand gegen Rechtsextreme

Die Demokratie sieht der Bundespräsident so bedroht wie nie seit der Wiedervereinigung. Das Staatsoberhaupt erklärt, was nun aus seiner Sicht passieren muss

von Martina Herzog  10.11.2025

Raubkunst

Zukunft der Bührle-Sammlung ungewiss

Die Stiftung Sammlung E. G. Bührle hat ihren Stiftungszweck angepasst und streicht die Stadt Zürich daraus

von Nicole Dreyfus  10.11.2025

Wien

Österreichs Regierung mit neuer Strategie gegen Antisemitismus

KI-gestützte Systeme zum Aufspüren von Hate Speech, eine Erklärung für Integrationskurse, vielleicht auch Errichtung eines Holocaust-Museums: Mit 49 Maßnahmen bis zum Jahr 2030 will Wien gegen Antisemitismus vorgehen

 10.11.2025

Marbach am Neckar

Schillerrede: Soziologin Illouz vergleicht Trump mit »König Lear«

Statt Selbstbeweihräucherung empfiehlt die Soziologin Eva Illouz in der Schillerrede 2025 den Zweifel und das Zuhören - nur das helfe aus der eigenen Echokammer heraus

 10.11.2025

Berlin

»Besetzung gegen Antisemitismus« an TU Berlin

Nach pro-palästinensischen Universitätsbesetzungen in der Vergangenheit haben nun Studierende ein Gebäude an der TU Berlin besetzt, um gegen Antisemitismus zu protestieren. Sie machen dem Allgemeinen Studierendenausschuss Vorwürfe

 10.11.2025

Antisemitismus

Rabbinatsstudent am Berliner Hauptbahnhof beschimpft

Der angehende Rabbiner aus Deutschland war am 9. November auf dem Weg zu einer Gedenkveranstaltung für die Novemberpogrome. Sein Urgroßvater hat die Schoa überlebt

 10.11.2025

Hannover

Ministerium erinnert an 1938 zerstörte Synagoge

Die 1938 zerstörte Neue Synagoge war einst mit 1.100 Plätzen das Zentrum des jüdischen Lebens in Hannover. Heute befindet sich an dem Ort das niedersächsische Wissenschaftsministerium, das nun mit Stelen an die Geschichte des Ortes erinnert

 10.11.2025

Aufruf

Knobloch: Das Schweigen gegen Rechts muss ein Ende haben

Zum Jahrestag der Novemberpogrome von 1938 warnt Charlotte Knobloch eindringlich vor Rechtsextremismus. Auch ein Historiker mahnt zur Wachsamkeit

von Hannah Krewer  10.11.2025

9. November

Karin Prien gedenkt in Amsterdam der Novemberpogrome

Die Bildungsministerin, die selbst in der holländischen Hauptstadt geboren wurde, sprach in der Portugiesischen Synagoge auch über ihre jüdischen Wurzeln

 10.11.2025